Hira wollte selbstbestimmt leben, doch ihr Wunsch nach Freiheit führte zu ihrem Tod. In Pakistan ermordete ihr Vater die 16-Jährige, um die „Ehre“ der Familie zu wahren. Ein erschütternder Fall von Ehrenmord, der die dunkle Seite patriarchalischer Traditionen offenbart.
Hira besuchte die Public School 16 in Yonkers im US-Bundesstaat New York. Ihr Vater, Anwar Raipoot, ein Uber-Fahrer, brachte sie jeden Morgen zur Schule mit mehrheitlich Kindern aus muslimischen Familien. Viele Mädchen trugen den Hijab, doch sie sprachen über moderne Musik, posteten Videos auf Tik Tok und spielten im Sportteam gegen andere Schulen.
Vor ein paar Monaten habe sich Hira verändert, erklärte die Schulleiterin gegenüber der New York Times, die diesen Fall mit einer hervorragenden Recherche bekannt machte. Wenn das Auto des Vaters außer Sicht war, nahm sie die Kopfbedeckung ab. Es gäbe keinen konkreten Grund, erklärte Hira der Schulleiterin, sie fühle sich weiter als Muslimin, doch jetzt frei und unabhängig.
Freiheit
Die Freiheit war von kurzer Dauer. Der Vater einer Mitschülerin berichtete die Veränderung Hiras Eltern, die im Dezember 2024 ihre Tochter plötzlich von der Schule abmeldeten. Hiras Vater erklärte der Schulleitung, seine Tochter würde in Pakistan weiter zur Schule gehen. Weder Hira noch ihre Geschwister wussten davon. Raipoot versprach seiner Tochter eine Überraschung. Sie würden gemeinsam nach Pakistan reisen und nach ein paar Tagen Sightseeing die Heimatstadt der Familie, Quetta, an der Grenze zu Afghanistan, besuchen. Die Verwandten würden sich freuen, und ein großes Willkommensfest sei geplant.
Am 15. Jänner erreichten Vater und Tochter Pakistan. Sie verbrachten eine Woche in Lahore und Hira sandte ihren Schwestern und Freundinnen Fotos. Am 22. Jänner erreichten sie Quetta. Hira schickte ihrer Freundin Layla am 26. Jänner ein Video von Zayn Malik, einem Pop-Sänger, den sie beide bewunderten. Layla bat um Bilder aus Quetta, bekam jedoch keine Antwort.
Am Abend des 27. Jänner sagte Hiras Vater, er wolle Muhammad Tayyab besuchen, den Bruder von Hiras Mutter. Hira solle doch mitkommen, der Onkel würde sich freuen. Kaum hatten sie das Haus verlassen, rannte Raipoot plötzlich zurück, rief seiner Tochter zu, er hätte sein Telefon vergessen und warf sich im Vorzimmer ängstlich auf den Boden. Sekunden später wurde Hira, auf den Vater wartend, erschossen. Der Schütze flüchtete mit einem Motorrad.
Polizei
Die Polizei ging von einem missglückten Raubüberfall aus, doch der verantwortliche Polizeichef übernahm den Fall, als Hira bereits am nächsten Tag mit einem kurzen Gebet beerdigt wurde, obwohl die Tradition drei Tage Trauer vorschreibe. Einer der Trauergäste berichtete der Polizei: „Niemand von der Familie schien traurig oder verzweifelt zu sein. Sie verscharrten sie wie einen Hund.“ Wenig später verhaftete die Polizei den Vater und Tayyab, Hiras Onkel. Tayyab gestand, Hira im Auftrag des Vaters ermordet zu haben. Es sei notwendig gewesen, um die Ehre der Familie zu retten, sagte er zu seiner Verteidigung. „Das ist nicht irgendein Verbrechen“, sagte der Polizeichef, „es ist ein Angriff auf die Freiheit des Individuums.“
Nach einem Bericht von ‚Human Rights Commission of Pakistan‘ werden etwa 600 Mädchen jedes Jahr alleine in Pakistan von der eigenen Familie ermordet.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 14/2025 erschienen.