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Salzburger Festspiele setzen mit Verdis "Macbeth" höchste Maßstäbe

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Opernaufführungen, die wirklich zum Ereignis werden, waren in den vergangenen Jahren seit Beginn der Intendanz von Markus Hinterhäuser bei den Salzburger Festspielen immer wieder zu erleben. Zugegeben, manchmal liegt es auch am Werk, wenn sich der Begriff "atemberaubend" im wirklichen Leben angesichts des Geschehens auf der Bühne manifestiert. Außergewöhnliches aber muss geschehen, wenn das nicht etwa bei Richard Strauss der Fall ist, sondern bei einer frühen Oper von Verdi. Die Rede ist von "Macbeth" in der Regie von Krzysztof Warlikowski mit Asmik Grigorian als überwältigender Lady und dem ausgezeichneten Vladislav Sulimsky in der Titelrolle.

In dieser Inszenierung stimmt alles, da folgen die Bilder der Musik. Jeder Moment in der Partitur ist auf der Bühne höchstpräzise und schlüssig umgesetzt und das vom ersten bis zum letzten Takt. Małgorzata Szczęśniak (Bühne und Kostüme) bereitet Warlikowski auf der gigantischen Spielfläche im Großen Festspielhaus ideale Bedingungen für feinstes Kammerschauspiel und Thriller-Momente.

Das Geschehen ist in die 1930er Jahre verlegt. Eine lange Holzbank, wie man sie aus einem Wartesaal auf einem Bahnhof kennt, streckt sich über die Bühnenbreite. Am einen Ende sitzt ein Mann mit Mantel und Hut, am anderen eine Frau im eleganten Kostüm, es ist Machbeth mit seiner Lady. Beide könnten Reisende sein oder ein Paar, das einander nichts mehr zu sagen hat. Warlikowski ein veritabler Meister, wenn es um das Ausleuchten menschlicher Abgründe geht, webt Elemente von Mythen ins Geschehen. Ein Schwarz-Film zeigt eine junge Mutter mit ihrem Säugling auf einer Wiese. Geht sie mit ihrem Kind lediglich spazieren, will sie es gar aussetzen? Alles bleibt offen, während die Bank nach den ersten Takten der Ouvertüre an den vorderen Bühnenrand geschoben wird. Später wird der Name Oedipe re auf der Bühne zu lesen sein. Der antike griechische Königssohn, der von seinen Eltern ausgesetzt wurde, weil ihm das Orakel Entsetzliches vorausgesagt hatte: Er werde seinen Vater töten und seine Mutter heiraten. Dieses Orakel sind bei Verdi der Trupp von Hexen. In einem offenen Container-artigen Raum werden sie auf die Bühne geschoben. Sie sind blind, wie der Seher Teiresias, der Ödipus sein Schicksal verrät. Hier verkünden sie Macbeth seinen Aufstieg zum Königsthron, während am rechten Bühnenrand seine Ehefrau einen Gynäkologen konsultiert. Die Diagnose des Arztes, - Genaues darüber verrät der Regisseur nicht genau - und der Brief ihres Mannes, dem die Hexen die Königskrone in Aussicht gestellt haben, löst in dieser Frau etwas aus. Sie, die vorher vor allem schön und verletzlich schien, wandelt sich plötzlich in eine menschliche Furie. Das fordert Sänger, noch mehr beim ersten Auftritt und noch mehr, wenn man zwischen Gesang und Sprechen changieren soll. Denn die Lady sollte laut Partitur den Brief vorlesen. Nicht bei Warlikowski, der eine hohe Affinität zu den Sängern demonstriert. Er lässt eine männliche Stimme aus dem Off lesen.

Das Faszinierende an dieser Produktion ist der Einklang, in dem Musik und Szene sich bewegen. Dabei ist das Gezeigte in manchen Szenen von überwältigender Radikalität. Beklemmender kann man sich die Darstellung von Macbeths Machtregime nicht vorstellen als in der wenige Minuten währenden Arie von Macduff, der den Verlust seiner Familie beklagt, die im Bürgerkrieg umgekommen ist. Videos zeigen Ausschnitte aus Pasolinis Verfilmung des "Matthäus-Evangeliums", konkret den Kindermord zu Betlehem. Auf der Bühne lässt eine schlanke, weibliche Gestalt Kinder auf einer Tribüne Platz nehmen, lässt sie einen Becher mit Trinkhalm weiterreichen, wie man sie in Fast-Food-Restaurants. Folgsam trinken die Kinder, wenig später sind sie tot. Das Szenario erinnert an das, was von Magda Goebbels überliefert ist, die ihre Kinder in Hitlers Führerbunker vergiftet hat.

Warlikowski lässt dem Kindermord geschehen, während Jonathan Tetelman die Arie des Macduff vorträgt. Vom Geschehen auf der Bühnen lässt er sich nicht beirren, es stört ihn auch nicht, alles geschieht lautlos. Mühelos ersingt sich Tetelman mit seiner sehr kraftvollen Tenorstimme das Festspielhaus, eine Ohrenfreude sein klares Timbre. Klar, dass er das Publikum feiert, klar auch dass die Bravos zunächst verhalten klingen. Zu stark war das, was man währenddessen auf der Bühne gesehen hat. Dennoch lenkt das Geschehen nie von der Musik ab.

Vladislav Sulimsky zeigt einen unscheinbaren Ehemann, der sich dem fügt, was ihm das Schicksal und schließlich seine Frau sagen. Sein Bariton ist gut geführt, darstellerisch überzeugt er in jenen Szenen, wo er dem Wahn anheim gefallen ist.

Fulminant Asmik Grigorian als Lady Macbeth, eine Singschauspielerin, die darstellerisch und vokal jeden Wunsch übererfüllt, Beim Festbankett ist sie wie eine Art Revue-Star aus dem Hollywood der Fünfzigerjahre in Szene gesetzt. Atemberaubend ihre Wahnszene, ihr einziger Halt ist eine leuchtende schwarze Bürolampe, die sie nur ablegt, um sich die Hände zu waschen. Grigorian singt diese Partie mit Intensität, Innigkeit, einer gewissen Schärfe und Dämonie. Sie ist es, die die Wandlung zum Bösen vollzieht. Mehr als eindrucksvoll zeigt Tareq Nazmi mit seinem exzellenten Bass den Banco. Da passt darstellerisch und vokal alles. Auch die kleineren Partien sind ausgezeichnet besetzt. Hervorragend der Chor der Wiener Staatsoper (Einstudierung: Jörn Hinnerk Andresen). Die Wiener Philharmoniker sind in dieser Produktion in ihrem Element, das heißt, sie agieren mit musikalischer Exzellenz. Philippe Jordan, der noch bis 2025 amtierende Musikchef der Wiener Staatsoper, war für den erkrankten Franz Welser-Möst eingesprungen und entfacht am Pult ein faszinierendes Klangtheater. Dramatik, Schmerz, jede Nuance arbeitet er mit Präzision heraus, geht auf die Akustik des Hauses ein und bringt den besonderen Klang des Orchesters zur Geltung.

Das Premierenpublikum bejubelte diese denkwürdige Produktion, ein Großereignis, das höchste Maßstäbe setzt.

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