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Romanverfilmung "Der Meister und Margarita" läuft an

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August Diehl ist der düstere Woland
©Polyfilm, APA
Mit der gleichnamigen Verfilmung von Michail Bulgakows epochalem Roman "Der Meister und Margarita" läuft wahrscheinlich die erste russische Produktion seit Beginn des Ukraine-Krieges mit zwölf Kopien in Österreichs Kinos an. Regisseur Michael Lockshin meistert die schwierige literarische Vorlage und schafft einen unterhaltsamen Film über eine dunkle Zeit. Mit vielen Anspielungen hält er dabei insbesondere dem aktuellen Russland einen Spiegel vor. Ab Donnerstag im Kino.

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Kurz vor seinem Tod 1940 vollendet und mit massiven zensurbedingten Kürzungen erstmals ein Vierteljahrhundert später veröffentlicht, hatte der aus Kiew gebürtige und später in Moskau tätige Bulgakow dem Hochstalinismus der 1930er und seinen Auswüchsen ein einzigartiges literarisches Denkmal gesetzt. Die Struktur des Romans ist verwoben: Neben der Haupthandlung, die sich um das Erscheinen des Teufels Woland in der Moskauer Literaturszene dreht, ist ein weiterer Roman im Roman an die Leidensgeschichte Jesu Christi angelegt. Das Verbot dieses fiktiven zweiten Romans durch die sowjetische Literaturbürokratie lässt seinen lediglich "Meister" genannten Autor in der Psychiatrie verschwinden. Um ihn wieder zu finden, geht Margarita, die Liebhaberin des Meisters, einen Pakt mit Woland ein und wird zur Hexe.

Der Film selbst beginnt mit einer für Uneingeweihte zunächst unverständlichen Vorausblende, in der sich Margarita (Julija Snigir) an einem hartnäckigen Gegner ihres Geliebten, einem offiziösen Literaturkritiker, rächt. Als unsichtbare Hexe verwüstet sie die schicke Wohnung dieses Kulturfunktionärs, der selbst in einem Mehrparteienhaus für offiziöse Literaten wohnt. Bereits diese erste Szene legt die wichtige Rolle von Architektur im Film nahe. Mit viel Liebe zum Detail und digitaler Nachbearbeitung ist hier ein düster neoklassizistisches Moskau rekonstruiert worden, das in dieser reinen Form freilich nie realisiert worden war. Dass Russlands Eliten um Präsident Wladimir Putin nunmehr erneut auf diesen Stil setzen, dürfte kein Zufall sein.

Noch 2021 und vor Beginn des Aggressionskriegs gegen die Ukraine gedreht, finden sich im Film aber auch zahllose Verweise auf das russische Hier und Jetzt. Bei einem literarischen Schauprozess gegen den Meister (Jewgeni Zyganow) gibt ein Nachwuchsdichter improvisierte Verse, in denen er etwa die Krim mit einem Paradies vergleicht - die Halbinsel wurde 2014 von Russland okkupiert - und die Erdölförderung als "spirituelle Nahrung" bezeichnet wird. Viele Anspielungen sind dabei nur schwer in andere Sprachen zu übersetzen.

Keine Übersetzungsschwierigkeiten gibt es indes mit einer Szene, in der sich Teufel Woland über eine aus der jüngeren Vergangenheit durchaus bekannte Markengläubigkeit der Moskauer Society lustig macht. Der auch in der Romanvorlage als westlicher Ausländer beschriebene Woland wird dabei dämonisch von August Diehl interpretiert. Neben dem Dänen Claes Bang, der Pontius Pilatus spielt, ist der Deutsche der einzige internationale Schauspielstar im Film.

Wie relevant Bulgakows Beschreibung der sowjetischen 30er im aktuellen Russland ist, zeigt aber auch die Rezeption des Films selbst. Der Ukraine-Krieg verzögerte zunächst den russischen Kinostart um ein Jahr auf Jänner 2024. In Folge avancierte "Der Meister und Margarita" zu einem der größten Kassenerfolge der jüngeren Filmgeschichte Russlands und spielte nach offiziellen Angaben knapp 25 Mio. Euro ein. Später startete jedoch eine Kampagne gegen den Film, die insbesondere mit der politischen Haltung des Regisseurs zu tun hatte. Der aus den USA gebürtige und in Moskau aufgewachsene Lockshin hat sich 2022 gegen den russischen Angriffskrieg positioniert und war nach vielen Jahren in Russland wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Es kam in Folge zu Zensur, die fatal an den Stalinismus erinnerte: In einer russischen Fernsehausstrahlung sei sein Namen aus den Titeln gelöscht worden, und in allen Werbematerialien zum Film in Russland sei er nicht vorgekommen, erklärte Lockshin selbst gegenüber der APA.

Probleme gab es zuletzt aber auch mit rechtlichen Fragen. Obwohl der Roman nach sowjetischem und russischem Urheberrecht im öffentlichen Eigentum sein sollte, erachten sich Enkel- und Urenkelkinder der letzten Gattin des Literaten, sie war auch das Vorbild von Margarita, weiterhin als Rechteinhaber. Eine damit in Zusammenhang stehende juristische Auseinandersetzung, die vor US-amerikanischen Gerichten anhängig ist, hat bisher den Kinostart von "Der Meister und Margarita" in den USA vereitelt. Aber auch in Moskau selbst beschäftigen die Urheberrechte von "Der Meister und Margarita" zuletzt zunehmend die Gemüter: Mitte April wandte sich Theaterregisseur Konstantin Bogomolow an den Vorsitzenden des Schriftstellerverbandes Russlands sowie Kreml-Bürokraten Wladimir Medinski und ersuchte, diese Frage zu lösen. Wie seinerzeit Stalin über Bulgakows Schicksal entschied, könnte im aktuellen Russland früher oder später auch durchaus Wladimir Putin über die Schicksal seines Romans entscheiden.

(Von Herwig G. Höller/APA)

(S E R V I C E - www.polyfilm.at/film/der-meister-und-margarita/)

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/Polyfilm

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