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"Den meisten Politikern würde mehr Humor nicht schaden"

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Humor als Popart-Symbolbild dargestellt.

©iStockphoto.com/kirkchai benjarusameeros
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Ibiza, Regierungskrise, Neuwahlen, Wahlkampf,... Viel gibt es in der heimischen Politik oft nicht zu lachen, verfolgt man die Schlagzeilen. Doch gerade das täte der Politik und den handelnden Personen nicht schlecht, findet Humor-Experte, Roman Szeliga. Warum es gerade bei ernsten Themen diese korrigierende Leichtigkeit braucht, ob es früher lustiger war und ob Kurz, Kickl und Co. besonders humorvoll sind, erklärt er im Interview mit News.at.

News.at: Wie humorvoll ist die österreichische Politik - gerade jetzt im Wahlkampf? Oder vergeht Ihnen dabei eher das Lachen?

Roman Szeliga: Da ich mit meinen Vorträgen viel in Deutschland unterwegs bin, bekomme ich natürlich die Reaktion unseres Lieblingsnachbarn Deutschland auf die Peinlichkeiten der letzten Wochen hautnah mit und diese ist gar nicht lustig. Wir waren da eine wahre Lachnummer und das ist ein Humor, der in die falsche Richtung geht. Auffällig war, wie rasch die sozialen Netzwerke sarkastisch, aber auch sehr witzig auf den Ibizafall reagiert haben.

Auf der anderen Seite braucht gerade die heutige Politik in Österreich Leichtigkeit! Je ernster ein Thema ist, desto mehr braucht es diese korrigierende Leichtigkeit und manchmal auch den Schuss Humor. Pointierte Formulierungen in der richtigen Dosis, ein wenig Selbstironie und die hohe Kunst, sich mit intelligentem Humor selbst nicht immer so wichtig zu nehmen, könnte ein sehr gutes Rezept sein! Doof ist es nur, wenn man für unfreiwilligen Humor sorgt und dazu nicht steht.

Ex-Kanzler Kern sorgte für ein paar wirklich gute, pointierte Formulierungen.

Ging es früher lustiger zu in Österreichs Politik?

Ich glaube, jede Zeit hat Politiker, die mehr oder weniger humorvoll waren. Ich fand den legendären Bruno Kreisky manchmal sehr humoraffin und mit Mutterwitz ausgestattet. Auch Ex-Kanzler Kern sorgte für ein paar wirklich gute, pointierte Formulierungen. Wird Humor sarkastisch oder zielt er unter die Gürtellinie, dann wird er zu einem politischen Angriffstool und das finde ich hat der Humor per se nicht verdient. Miteinander über eine eigene Schwäche zu lachen finde ich grandios, sich über andere lustig zu machen, vielleicht sogar über Nichtanwesende, ist dagegen ein Zeichen von Schwäche.

Täte es den Politikern gut, die Leute auch mal zum Lachen zu bringen würden oder würde das eher dazu führen, dass man sie nicht mehr ernst nimmt? Ist Humor mit Seriosität vereinbar?

Da kommen wir gleich zu meinem Herzensthema. Auf jeden Fall ist Humor mit Seriosität vereinbar – egal ob in der Politik, in der Medizin oder im Versicherungswesen: In jeder Branche kann Humor als das kleine Extra den großen Unterschied machen. Wichtig dabei ist immer die Dosis und der Moment. Außerdem dient Humor nie als Ersatz, sondern immer als Ergänzung zu Kompetenz. Wenn also der eine oder andere Politiker ein wenig humorvoller aufträte, wäre das sicher kein Schaden, sondern würde zeigen, dass auch Politiker Menschen wie Sie und ich, Menschen mit Witz und Humor sind. Und Humorfähigkeit ist auch der erste Schritt zu seiner professionellen und menschlichen Fehlerkultur. Diese scheint mir in den letzten Jahren nahezu vollkommen abhandengekommen zu sein.

In welcher Form ist Humor in der Politik angebracht?

In fast jeder Form würde ich Humor in der Politik als angemessen betrachten. Ausnahmen sind meiner Meinung nach nur Fälle, wo man sich gezielt über jemanden anders lustig macht und der Humor auf Kosten anderer geht. Das fällt in die Kategorie „negativer“ oder „abwertender Humor“ und ist im politischen Bereich wie auch in jedem anderen Geschäftsfeld nicht ratsam. Er vereint nicht, sondern wirkt trennend und verletzt womöglich die Gefühle einer anderen Person.
Reden, Sitzungen oder Diskussionen mit humorvollen Bonmots, Storys oder Vergleichen aufzupeppen finde ich hingegen eine sehr gute Idee, weil auch nachgewiesen ist, dass durch geschickt eingesetzten Humor Inhalte und Botschaften besser und nachhaltiger verankert werden.

Fällt Ihnen ein Politiker ein, der einen „guten Schmäh“ hat – und trotzdem ernst genommen wird?

Ich fand den Altbürgermeister Michael Häupl mit gesundem Wiener Schmäh und Wortwitz ausgestattet, den er auch oft ganz gezielt eingesetzt hat.
Er stand dann damit auch irgendwie über den Dingen. Dennoch glaube ich nicht, dass er dadurch an Kompetenz und Ansehen verloren hat, im Gegenteil, er ist zu einer Art Type geworden und Journalisten haben ja auch oft auf die nächste Pointe gewartet, was er bestimmt genossen hat.

Welchem österreichischen Politiker würden Sie am meisten eine Portion Humor wünschen – und wieso?

Oha, das ist eine knifflige Frage. Ich glaube, dass ganz allgemein den meisten Politikern in unserem Lande ein wenig mehr Humor nicht schaden würde. Ich bin mir sicher, manch einer würde dann ein Stückerl sympathischer und vor allem menschlicher rüberkommen. Das wünschen sich auch die Menschen: ehrliche, authentische und positiv emotionale Politiker und nicht aalglatte und berechenbare Plattitüden- und Phrasenlieferanten.

Es geht in keinster Weise darum, aus einem Politiker einen Kasperl oder eine Witzfigur zu machen

Hat schon einmal ein Politiker bei Ihnen ein Humor-Seminar belegt?

Ich habe schon einige Politiker und politisch Tätige gecoacht. Sehr individuell, denn genau das braucht es auch in dem Bereich, da ja die Angst besteht lächerlich zu wirken. Es geht auch hier in keinster Weise darum, aus einem Politiker einen Kasperl oder eine Witzfigur zu machen, sondern den Humor stimmig und wohldosiert in die Kommunikation einzubetten.

Wie kann man Humor „lernen“?

Natürlich gibt es viele Menschen, die ein besonderes Talent für Humor haben, aber für alle anderen kann ich Entwarnung geben: Jeder hat eine humorvolle Seite und die muss nur entdeckt und gefördert werden. Gut beobachten ist ein erster Schritt, das Humorvolle im Alltag zu entdecken. Man kann auch lernen, Punchlines zu verfassen. Je öfter man welche produziert, umso mehr entwickelt sich ein automatischer Prozess. Irgendwann werden sich die humorvollen Sätze Ihnen im Alltag direkt aufdrängen.

Könnte Humor auch zur Konfliktlösung in der Politik beitragen?

In jedem Fall! Humor ist ein sehr wirkungsvolles Instrument, um Konflikten vorzubeugen und sie zu lösen. Er schafft Distanz zu einem Thema, lockert die Atmosphäre auf und gibt die Möglichkeit sich durch gemeinsames Lachen anzunähern.

Witze gegenüber Randgruppen, welcher Art auch immer, finde ich aber ein absolutes Tabu.

Woran denken Sie, liegt es, dass es so wenig zu lachen gibt in der Politik? Haben Politiker zu viel Angst, etwas Falsches zu sagen?

In Zeiten von Social Media und Smartphone ist man als Person des öffentlichen Lebens grundsätzlich angreifbarer mit all seinen Aussagen. Natürlich sind Politiker vorsichtiger in ihren Aussagen, wenn hernach alles noch bis in alle Ewigkeit abspielbar ist, insbesondere dann, wenn man zum Beispiel seine Meinung ändert. Dabei ist irren menschlich und es durchaus erlaubt, bei gewissen Sachverhalten auch seine Meinung ändern zu dürfen. Und so ist ja auch beim Humor ein gewisser Spielraum sinnvoll, dass der Humor überhaupt gedeihen kann. Dass sich mal jemand ein wenig auf den Schlips getreten fühlt, muss man dabei natürlich einkalkulieren. Witze gegenüber Randgruppen, welcher Art auch immer, finde ich aber ein absolutes Tabu. Humor war auch schon immer das Ventil und die Waffe des Schwächeren und das mit voller Berechtigung.

Humor ist wichtig und sollte definitiv mehr Platz im politischen Leben erhalten. Allerdings darf Politik kein Entertainment-Spektakel werden.

Können politische Inhalte mit etwas Humor präsentiert auch Menschen erreichen, die sie sonst nicht erreichen würden?

Humor ist tatsächlich ein Schlüssel, Botschaften beim Menschen leichter zu verankern, weil er wie Storytelling ermöglicht, dass Informationen sich leichter im Gedächtnis verankern. Humor ist wichtig und sollte definitiv mehr Platz im politischen Leben erhalten. Allerdings darf Politik kein Entertainment-Spektakel werden.

Es gibt ja auch Parteien, die nur auf Humor setzen wie zum Beispiel die Satirepartei „Die Partei“. Ist das zuviel des Guten, zuviel des Humors?

Ich sehe in ihnen eine ganz interessante Entwicklung. Sie zeigen die Schwachstellen des Politikbetriebs auf und legen den Finger in die Wunde, in dem sie politische Themen humorvoll oder sarkastisch aufarbeiten. Sie sind aber sicher keine Alternative zu den herkömmlichen Parteien. Wobei ich glaube, dass manche der Abgeordneten in den Parlamenten teilweise verantwortungsvoller agieren als sie es im satirisch aufgeladenen Wahlkampf erahnen lassen.

Ich empfehle Politikern von Herzen, dass sie so oft sie können, über sich selbst lachen sollten.

Politiker selbst sind oft das Ziel humoristischer Angriffe. Wie viel müssen sie da aushalten – und was geht zu weit?

Als Person des öffentlichen Lebens braucht man ein dickes Fell. Das gilt sicherlich für alle Branchen. Ich finde aber, dass in den Medien und v.a. in den sozialen Medien manchmal zu viel unsachliche Kritik geübt wird. Alles was etwa das Aussehen einer Person angeht, ist Privatsache und sollte meiner Meinung nach nicht kritisiert werden.
Außerdem empfehle ich Politikern von Herzen, dass sie so oft sie können, über sich selbst lachen sollten. Dann brauchen‘s nämlich die anderen nicht tun! :-)

Dazu interessant: "Reporter ohne Grenzen" Peter Klien über seine neue Polit-Satire und seine Einsätze als Außenreporter

© www.christian-husar.com

Steckbrief

Roman Szeliga

geboren
01.02.1962
Geburtsort
Wien
Aktuelle Position
Arzt, Manager, Moderator, Vortragender & Autor
Beschreibung

Roman Szeliga ist Arzt, Manager, Moderator, Vortragender und Autor. Die Klammer, die all das zusammenhält, ist der Humor: als soziale Kompetenz, die in der Lage ist, Menschen zu motivieren, mitzureißen und zu führen. Als Mitbegründer der CliniClowns erkannte Szeliga die positiven Auswirkungen des Humors auf die gesundheitliche Heilung schwerkranker Kinder. Heute setzt er sich dafür ein, dass auch Unternehmen das Potenzial des Humors erkennen und nutzen. Was das Wundermittel Humor im Berufs- und Privatleben alles bewirken kann und wie er das Potenzial der Digitalisierung ergänzt, davon berichtet er in seinen rund 150 Vorträgen, die er pro Jahr in Deutschland, Österreich und der Schweiz hält.

www.roman-szeliga.com

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