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"Lasst Eure Herzen sprechen", appelliert der Deutsche. "Pocht nicht immer auf Euer Recht, man muss auch mal die anderen hören, die haben auch Rechte. Warum sollen wir uns alle ins Jenseits befördern, es gibt dafür keinen Grund, reden wir doch lieber miteinander."
Es sind für einen Rockmusiker recht ungewöhnliche Memoiren, aus denen der Deutsche in einer Filiale des Buchhandelsunternehmens las. Sie enthalten neben persönlichen Erinnerungen diverse Zeitungsausschnitte über soziale und politische Ereignisse sowie Reden von Politgrößen der damaligen Zeit. Der Untertitel mag etwas großspurig klingen: "Wie ich mit den Scorpions fast den Weltfrieden verwirklichte - und wie er heute möglich wird." Doch Rarebell, 20 Jahre an den Drums der Scorpions, war mittendrin im sich verändernden Weltgeschehen.
Man schrieb den 12. und 13. August 1989: Bands wie Bon Jovi, Mötley Crüe, Ozzy Osbourne, die russische Gruppe Gorky Park und eben die Scorpions traten vor den Augen des sowjetischen Präsidenten Michael Gorbatschow beim Moscow Music Peace Festival auf. "Da waren 150.000 Leute im Stadion, in der Mitte eine menschliche Mauer aus 1.000 oder 1.200 Soldaten", erinnerte sich Rarebell im APA-Interview. "Als wir den Song 'Blackout' spielten, schmissen die Soldaten ihre Hüte in die Luft, sangen zu unserer Musik und tanzten. Da dachte ich, es würde gleich das Chaos ausbrechen. Tat es aber nicht. Die Menschen dort wollten dasselbe wie wir im Westen: Freude haben, rocken und Party machen."
Unter diesen Eindrücken habe er zu Sänger Klaus Meine gesagt: "Ich glaube, das war es jetzt mit dem Kommunismus. Klaus schrieb danach diesen Song, 'Wind of Change', der weltweit ein Nummer-eins-Hit wurde. Das Lied hat damals genau gepasst. Am 9. November desselben Jahres ist die Berliner Mauer gefallen. Also haben wir uns eingebildet, dass diese Musik in die Herzen der Menschen gedrungen ist. Wir haben geglaubt, einen Teil zum Frieden beigetragen zu haben."
Als erste Band überhaupt wurden die Scorpions von Gorbatschow in den Kreml eingeladen. "Er war ein total netter und lustiger Mann", erzählte Rarebell. "Einer seiner Witze lautete: Was ist Heavy Metal? Könnt Ihr Euch noch an (Nikita) Chruschtschow erinnern, wie er bei den Vereinten Nationen seinen Schuh ausgezogen und auf den Tisch geklopft hat? Das ist Heavy Metal!"
Mit dem Weltfrieden ist es dann doch nichts geworden. "Ich war total enttäuscht", so der Musiker. "Und bin es bis zum heutigen Tag. Aber ich bleib' trotzdem Optimist, weil ich ein Mensch bin. Die Leute müssen sich nur stets daran erinnern, dass sie das auch sind. Viele haben das vergessen. Man muss sich wieder an einen Tisch setzen, Kompromisse machen, Probleme mit Worten lösen. Dann werden nicht mehrere hunderttausende Männer in den Tod geschickt. Für was eigentlich? Für nichts! Das macht mich wütend und traurig."
Deswegen hat Rarebell den Heart-Song "What About Love", dem das Buch den Titel verdankt, mit einer illustren Schar namhafter Mitmusiker gecovert, enthalten auf einem gleichnamigen Album, auf dem der Deutsche Hits aus den 80ern interpretiert. "Vergesst nie auf die Liebe! Vielleicht ist es wieder so ein Lied, das in die Herzen geht", hofft er. "Es hat einmal geklappt. Ich sage, es muss wieder klappen."
(Das Gespräch führte Wolfgang Hauptmann/APA)
(S E R V I C E - Herman Rarebell: "What About Love", Verlag Edition a, 224 Seiten, 26 Euro; www.hermanrarebell.com)
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/Markus Konetzka/Edition a/Markus Konetzka