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Religion ohne Hölle

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Peter Sichrovsky

©Ricardo Herrgott/News
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Im Judentum fehlt der Ort der ewigen Verdammnis

Wie stellen sich Christen die Hölle vor?“, ging mir durch den Kopf, als ein ORF-Journalist einen meiner Texte als „aus der Hölle kommend“ kritisierte.

Die christliche Bibel ist unklar bei der Beschreibung der Hölle, doch unmissverständlich warnt sie in ihren Schriften vor einer ewigen Strafe – gemäß der Offenbarung: „Die Feigen aber und die Ungläubigen und die Greulichen und die Mörder und Unzüchtigen und Zauberer und Götzendiener und alle Lügner, deren Teil wird in dem Pfuhl sein, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der zweite Tod.“ Eine spätere Aufnahme ins Paradies ist ausgeschlossen. Aus der Hölle gibt es kein Entkommen.

Unterschied

Hier liegt der entscheidende Unterschied zum Judentum. Der Scheol, am ehesten mit der Hölle vergleichbar, ist der Ort, wo die Seele nach dem Tod gereinigt wird, ein Ort der Heilung, damit sie als wahres Selbst das Olam Haba (die kommende Welt) erreicht. Der Prozess kann unterschiedlich lang dauern und schmerzhaft sein, doch nach spätestens zwölf Monaten ist die seelische „Waschanlage“ fertig. Es existiert keine zeitlose Bestrafung.

Die Hölle in der katholischen Kirche ist ein Ort, an dem Gott nicht ist, während im Judentum Gott auch die Toten nicht aufgibt. Er verzichtet auf die Drohung mit Verdammnis im Jenseits, um moralisches Verhalten zu erzwingen. Allein der Wille des Menschen zählt.

Das Judentum ist grundsätzlich eine Religion des Diesseits, weniger des Jenseits. Das Leben im Hier und Jetzt hat die wichtigere Bedeutung. Auf das Jenseits wird in den heiligen Schriften kaum eingegangen. Die Trauerzeit ist auf sieben Tage begrenzt. Auch im Kaddisch, dem jüdischen Trauergebet, geht es nicht um die Zeit nach dem Tod. Die Verstorbenen werden unabhängig von Reichtum und Bedeutung in einem schlichten Sarg aus weichem Holz und einfachem Leichengewand aus Baumwolle begraben.

Das Beichten gegenüber einem Vertreter Gottes gibt es nicht. Gläubige können sich direkt an Gott wenden, vor allem während der zehn Bußtage, zwischen jüdischem Neujahr und Jom Kippur, heuer vom 2. bis 11. Oktober.

Gott herrscht über den Scheol und kann Tote von dort wieder zurückführen. Im Buch Daniel sind die Toten einfach die, „die im Staub der Erde schlafen“. Der Scheol-Tod ist kein Ende der Existenz, sondern ein Warten auf die Auferstehung. Auch hier der Unterschied zum Christentum, der den Scheol in zwei Bereiche teilt, einen für die Verlorenen, die ewige Hölle, einen für die Erlösten, das Paradies.

Auferstehung

Die ersehnte Auferstehung und der Vers „Denn Staub bist du, und zu Staub wirst du zurückkehren“ erklären, weshalb das Judentum die Einäscherung strikt ablehnt. Eine Auferstehung ist nicht vorstellbar, wenn der Körper zuvor willentlich durch Feuer zerstört wurde. Der wichtigste jüdische Friedhof liegt am östlichen Hang des Ölbergs in Jerusalem. Die hier beigesetzten Toten sind die Ersten, die in messianischer Zeit auferstehen werden, da der Messias der Tradition zufolge auf diesem Areal die Erde betritt.

Doch zurück zu meinem „aus der Hölle kommendem“ Text. Dieser wäre nach jüdischem Verständnis korrigiert, gereinigt und von nahezu heiliger Perfektion – ein sicherlich übertriebenes Kompliment.

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