Auf der Felberstraße und der Äußeren Mariahilferstraße ist es abseits vom alltäglichen Straßenverkehr ruhig geworden. Es ist noch nicht lange her, dass hier leichtbekleidete Frauen um ihre Kunden buhlten. Doch nachdem die rot-grüne Stadtregierung 2011 das Prostituiertengesetz novellierte, dürfen Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen in Wien nicht mehr in Wohngebieten stehen. Die neue Regelung sollte in erster Linie Anrainer besänftigen, die auch gerne Mal in ihrer Wut einen Kübel Wasser aus dem Fenster über die Frauen kippten. Lediglich in bestimmten Gegenden in Floridsdorf und Liesing ist das Anwerben von Freiern auf der Straße noch legal.
Eva van Rahden, die Leiterin von „Sophie“, einer Sozialeinrichtung für Prostituierte in Rudolfsheim-Fünfhaus, sieht in der Einschränkung des Straßenstrichs vor allem ein „politisches Steuerungselement“, durch das sich Sexarbeit leichter kontrollieren lässt. „Eine komplette Eindämmung des Straßenstrichs ist in einer Millionenstadt wie Wien kaum möglich“, betont van Rahden gegenüber News. Die Gefahr, dass ohne einen legalen Strich eine Verschiebung ins Illegale stattfindet ist groß.
Von der Straße in die U-Bahn?
Immer wieder ist die Rede davon, dass die Sexarbeiterinnen in Wien weiterhin am ehemaligen Straßenstrich tätig sind oder in der Nähe, in nicht genehmigten Bereichen, Kunden akquirieren. Die legalen Gegenden am Stadtrand sind wenig attraktiv, so dass Sexarbeiterinnen, die häufig auf den ersten Blick nicht erkennbar sind, in eigentlich illegalen Bezirken arbeiten. „Die Presse“ berichtete im vergangenen Jahr vom Phänomen der Sexarbeit in der U-Bahn. Am Praterstern und Westbahnhof werben demnach Prostituierte um ihre Freier, mit denen sie dann einige Stationen mit der U-Bahn fahren, um einen ruhigen Platz zu finden. Die Polizei bezeichnete diese Vorgehensweise als „Randphänomen“ und auch für van Rahden ist die Zahl „nicht so auffällig“.
Anbahnung über Social Media
Auch jüngste Berichte über die Rückkehr des Kinderstrichs im Wiener Stuwerviertel kann die Leiterin von „Sophie“ aus eigenen Beobachtungen nicht bestätigen. „Was wir mitbekommen haben ist, dass vermehrt eine Anbahnung über soziale Medien stattfindet, wo Geld für sexuelle Dienste eine Rolle spielt“. Der Kontakt zwischen Minderjährigen und ihren Freiern wird häufig online aufgebaut. Im Darknet finden potenzielle Kunden auch zunehmend Informationen darüber, wo sie Kontakt zu den Mädchen aufbauen können – sei es online oder auf der Straße.
„Hurenpass“: Gesundheit und Regulierung
Bei der Gesetzesnovellierung vor sechs Jahren ging es allerdings um mehr als nur die Eindämmung des Straßenstrichs. Zur bereits bestehenden Registrierungspflicht für Prostituierte wurden die Reglementierungen für einschlägige Lokale verschärft und eine behördliche Meldepflicht eingeführt. Betriebskonzepte für Bordelle und eine Anmeldepflicht für Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen gibt es ab Juli auch in Deutschland. „Hurenpass“ wird die Anmeldebescheinigung bezeichnet, die Sexarbeiterinnen ab jetzt mit sich tragen müssen. Vielerorts werden kritische Stimmen laut. Gegenüber der Tageszeitung TAZ sagte Udine de Riviere, Pressesprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen, dass das Gesetz viele Prostituierte in die Illegalität drängen werde.
Eine Registrierung – sei es in Deutschland oder Österreich – schreckt Prostituierte ab, die mit einer starken gesellschaftlichen Stigmatisierung zu kämpfen haben. Wissen erst einmal die Behörden davon, ist die Angst groß, dass Freunde und Bekannte von der Tätigkeit erfahren, die noch nichts davon wissen. Prostituierte müssen sich in Österreich bei den Behörden registrieren - in Wien geschieht dies bei der Polizei. Problematisch ist hier, dass der Registrierungsort eine Nähe zur Kriminalität suggeriert.
Während in Deutschland jetzt eine jährliche gesundheitliche Beratung eingeführt wird, gibt es in Österreich eine verpflichtende Untersuchung. Die Intervalle wurden 2016 von wöchentlich auf alle sechs Wochen herabgesetzt. „Die häufigen Intervalle waren ein großer Aufwand und es war schlicht eine Frage der Sinnhaftigkeit“, erläutert die Leitung von „Sophie“. Inwieweit die Untersuchungen sinnvoll sind kann laut van Rahden durchaus diskutiert werden, denn wenn eine Frau „save“ arbeite, habe sie nicht per se ein höheres Infektionsrisiko als andere. „Der Kontrollgedanke ist in Österreich sehr groß“, so van Rahden. Noch wichtiger ist ihr jedoch Aufklärungsarbeit und zwar nicht nur für Prostituierte. In den meisten Fällen gehe der Wunsch nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr schließlich nicht von den Sexarbeiterinnen aus, sondern von den Freiern. Der Druck auf die Frauen ist immens.
In Deutschland macht man sich derzeit große Sorgen, um die hohen Kosten der bürokratischen Umsetzung. Es gibt erste Überlegungen diese auf die Prostituierten umzulegen. Was die ärztlichen Untersuchungen angeht ist in der Novellierung 2011 festgehalten, dass diese in Österreich für die Prostituierten gratis bleiben.
Strengstes Gesetz in Vorarlberg
Aktuell sind mehr als 7.000 Prostituierte registriert, etwas über 3.000 davon in Wien. Die Zahl der männlichen Prostituierten ist verschwindend gering. Auch wenn Prostitution grundsätzlich erlaubt ist unterscheiden sich die Einschränkungen in den verschiedenen Bundesländern. Vorarlberg ist am strengsten. Prostitution ist hier außerhalb von Bordellen verboten, wobei es in Vorarlberg bis jetzt kein einziges bewilligtes Bordell gibt. Offiziell gibt es in dem Bundesland also keine Prostitution.
Schwierigkeiten bei der Regulierung des Sexgewerbes
Viele neue Regelungen in Deutschland, wie die Regulierung von Bordellen, die Anmeldepflicht für Prostituierte und die gesundheitliche Beratung, sind in Österreich bereits an der Tagesordnung. In Deutschland wird das „Zwangs-Outing“ durch die Registrierung von Seiten der Sexarbeiterinnen kritisiert und die Kommunen befürchten die hohen Kosten. Die Probleme hielten sich hierzulande eher in Grenzen. Jedoch könnte die Leiterin der sozialen Einrichtung für Sexarbeit „Sophie“ in Wien sich durchaus vorstellen, dass die Gelder, die nun in Kontrollen fließen auch sehr gut in der Präventionsarbeit aufgehoben wären. Denn Prävention habe meist einen nachhaltigen Erfolg.