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Reden ist Silber

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Grafik zu aktivem Zuhören.

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Das Gefühl, gehört zu werden, ist für die meisten Menschen wichtig und wird immer lauter eingefordert. Dennoch scheint das aktive Zuhören eine Fähigkeit zu sein, die eher restriktiv behandelt wird. Warum Zuhören ein Schlüssel zu erfolgreichen Beziehungen ist und wie das Gehirn im Alter sogar davon profitiert.

Immanuel Kant soll einmal gesagt haben, "der Zuhörer ist ein schweigender Schmeichler". Damit soll er recht behalten, denn auch die Forschung bestätigt einen positiven Effekt auf die menschliche Gesundheit, wenn andere uns zuhören: Ein US-Forscherteam hat 2021 zum Beispiel herausgefunden, dass Alzheimer und Demenz im Alter langsamer voranschreiten, wenn wir jemanden haben, der unseren Gedanken lauscht.

Wer besonders gut zuhören kann, profitiert von diesem Effekt sogar doppelt: denn laut der Studie bleiben gerade die Gehirne guter Zuhörer im Falle von Alter und Krankheit länger kognitiv belastbar. Als "Kognitive Resilienz" bezeichnete Studienautor Joel Salinas diese Fähigkeit des Gehirns. Zuhören stimuliert das Gehirn also ähnlich wie das Erlernen neuer Dinge oder körperliche Aktivitäten.

Zuhören ist nicht gleich Hören

Nicht nur physisch wirkt sich Zuhören aus, auch auf unsere Psyche hat ein offenes Ohr einen positiven Einfluss. "Wenn jemand gut zuhören kann, fühlen wir uns gehört, verstanden und wertgeschätzt. Es stärkt unser Selbstwertgefühl und das Gefühl der sozialen Verbundenheit", erklärt Psychologin Laura Stoiber. "Gutes Zuhören vermittelt Empathie und schafft eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit. Wir fühlen uns ermutigt, unsere Gedanken und Gefühle frei zu äußern, was unsere emotionale Gesundheit und zwischenmenschliche Beziehungen positiv beeinflusst."

Dabei unterscheidet sich einfaches Hören massiv vom Zuhören, wie die Psychologin erklärt: "Hören ist der physische Prozess, bei dem Schallwellen auf das Trommelfell treffen und im Gehirn als Geräusche verarbeitet werden. Es ist eine passive und automatische Funktion des menschlichen Körpers." Dagegen ist Zuhören ein aktiver, bewusster Prozess, bei dem den gehörten Informationen Aufmerksamkeit geschenkt werden und auf diese Interpretation und Verständnis folgt. "Zuhören erfordert Konzentration, Engagement und oft auch eine emotionale Reaktion auf das Gesagte", erklärt Stoiber.

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Psychologin Laura Stoiber erklärt, wie man ein besserer Zuhörer wird und welche positiven Effekte ein offenes Ohr auf Teamdynamiken, Beziehungen und uns selbst haben

© stoiber-psychologie.at

Als "Basics" des richtigen Zuhörens definiert sie Geduld, Neugier und Timing – also im richtigen Moment die richtigen Nachfragen zu stellen. "Kurz gesagt: Hören ist etwas Passives und Zuhören ist aktiv, erfordert Konzentration und Interesse." Generell ist aktiv zuhören zu können eine Qualität, die immer öfter und gerade im Beziehungskontext eingefordert wird. Stoiber: "Aktives Zuhören ist eine Kommunikationstechnik, bei der man der sprechenden Person die volle Aufmerksamkeit widmet und aktiv auf sie eingeht. Es geht darum, sich in die Lage des Gegenübers zu versetzen und Interesse am Gesagten zu zeigen, wie durch Blickkontakt, Kopfnicken und Nachfragen."

Als guten Zuhörer definiert Stoiber jemanden mit der Fähigkeit, das Gesagte in eigenen Worten zu spiegeln. Aber auch jemanden, der im richtigen Moment schweigt: "Um dem Sprecher Raum zu geben", so die Psychologin. "Aktives Feedback, wie bestätigende Worte oder Gesten, und nicht wertende Haltungen sind ebenso wichtig." Aufmerksamkeit, Empathie, ehrliches Interesse und die Bereitschaft, sich auf das Gesagte einzulassen, machen einen guten Zuhörer aus.

Wer nicht hören will

Umgekehrt wirken Menschen, die anderen nicht oder nur schlecht zuhören, nicht gerade wie die angenehmsten Zeitgenossen. Gerade Führungskräfte kann die mangelnde Fähigkeit zuzuhören teuer zu stehen kommen: "Wenn uns jemand gar nicht zuhört, fühlen wir uns ignoriert, nicht wertgeschätzt und emotional isoliert. Dies kann zu Frustration, Ärger und Missverständnissen führen. Im beruflichen Kontext kann das Teamdynamik und Produktivität beeinträchtigen, da wichtige Informationen verloren gehen und das Vertrauen in die Führungskräfte und Kollegen sinkt", erklärt Stoiber. Doch die Gründe, warum manche Menschen schlechtere Zuhörer sind, sind vielfältig. Einerseits verortet Stoiber eine konsequente Abnahme dieser Fähigkeit durch moderne Technologien.

Die Möglichkeit, sich ständig abzulenken, führt zu einer fragmentierten Aufmerksamkeit

Laura StoiberKlinische- und Gesundheitspsychologin, Arbeits- und Wirtschaftspsychologin, Business Coach

"Smartphones und soziale Medien haben die Fähigkeit und Bereitschaft zuzuhören negativ beeinflusst. Das belegen zahlreiche Studien. Ständige Benachrichtigungen und die Möglichkeit, sich jederzeit abzulenken, führen zu einer fragmentierten Aufmerksamkeit. Menschen neigen dazu, weniger präsent zu sein und sich häufiger ablenken zu lassen, selbst während wichtiger Gespräche. Diese Ablenkung kann die Qualität der zwischenmenschlichen Kommunikation und das Gefühl der Verbindung und Empathie beeinträchtigen. Ich sage immer: Das Smartphone hat während eines Gesprächs nichts am Tisch verloren."

Doch auch bei bestimmten psychischen Erkrankungen ist es den Betroffenen nicht oder nur eingeschränkt möglich, anderen richtig zuzuhören. Zum Beispiel bei ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), Depression, Autismus-Spektrum-Störungen, Schizophrenie oder narzisstischen Persönlichkeitsstörungen.

Allen anderen rät Stoiber jedoch: "Man sollte das Zuhören zu einer bewussten Priorität im Leben machen." Denn ein offenes Ohr stärkt das Vertrauen zwischen Menschen enorm, schafft gegenseitigen Respekt und Wertschätzung. Zudem werden Missverständnisse reduziert und emotionale Spannungen abgebaut. Doch dafür braucht es Gesprächsbereitschaft. "Ich sage immer: Klarheit vor Harmonie." Wer sich im eigenen Partner oder Chef einen besseren Zuhörer wünscht, sollte dies offen, aber behutsam ansprechen. Stoiber empfiehlt hier ihre WIL-Regel: Wertschätzung, Ich-Botschaften und Lösungsorientierung. "Wertschätzung hilft, das limbische Emotionszentrum zu entspannen und den Wunsch nach einem offenen Ohr nicht als persönlichen Angriff zu sehen," erklärt sie. "Ich-Botschaften vermeiden Konfrontationen, und eine lösungsorientierte Haltung zeigt, dass man an einem positiven Ausgang interessiert ist."

Aktiv zuhören

Um die eigenen Fähigkeiten in puncto aktivem Zuhören zu verbessern, rät Stoiber vor allem dazu, sich in Geduld, Empathie und bewusster Präsenz zu üben. Ganz praktisch wirkt es in einem Gespräch immer aufmerksam, wenn man Rückfragen zum Gesagten stellt oder Gesagtes paraphrasiert. Auch eine offene Körpersprache ist enorm wichtig: "Augenkontakt und offene Körperhaltung sind essenziell", so Stoiber. Ein guter Anfang ist, das Handy wegzulegen, wenn jemand spricht – eine kleine Geste mit großer Wirkung.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 25+26/2024 erschienen.

Psychische Gesundheit

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