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Nicht die Mitte erodiert

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Anna Gasteiger
©Bild: News/Ricardo Herrgott
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Die alten Großparteien, die sogenannte "politische Mitte", könnten aus den Erfolgen weit rechter und linker Parteien lernen. Wollen sie aber anscheinend nicht.

Die politische Mitte erodiert, wird oft beklagt. Von Vertretern ebendieser Mitte natürlich, und sie meinen, wenn sie "Mitte" sagen, den alten Pakt aus SPÖ und ÖVP - oder umgekehrt - und die guten alten Zeiten, als man sich noch in sozialpartnerschaftlicher Umarmung und hinter verschlossenen Türen die wirklich wichtigen Dinge ausmachen konnte, ohne dass sich jemand daran störte. Heute, klagen sie, nimmt die Polarisierung zu. Die Menschen wählen plötzlich Parteien, die zu weit rechts oder links stehen. Großes Unverständnis, ehrliche Ratlosigkeit. Aber sind die Wahlerfolge dieser Parteien wirklich - nur - ein Zeichen für zunehmende Radikalisierung? Ein einfaches Beispiel: In den Bundesländern Steiermark und Salzburg reüssierten zuletzt kommunistische Landesparteien. Natürlich wünschen sich die bürgerlichen Schichten, die hinter diesen Wahlerfolgen stehen, nicht Stalin und Gulag zurück. Das anzunehmen, hieße, sich der Botschaft hinter diesen Wahlergebnissen zu entziehen. Die Menschen sehnen sich nach jener christlich-sozialen Politik, die von der ÖVP spätestens in der Ära Kurz bedenkenlos über Bord geworfen wurde, und nach Politikern, die auf dem Bahnhofsvorplatz das Gespräch mit Bedürftigen suchen, anstatt sich hinter dem Brimborium parteipolitischer Inszenierung zu verstecken. So einfach ist das, wenn man es verstehen will. Oder: Der junge Marco Pogo tritt bei der Präsidentschaftswahl als Karikatur eines Kandidaten an und trifft mit seiner einfachen, ungekünstelten Sprache den Nerv junger Wählerinnen und Wähler, die nicht verstehen, warum Politiker Fragen ständig ausweichen und möglichst komplizierte Wörter verwenden müssen. Es gilt auch für die FPÖ. Zwischen den vielen kruden Thesen, die FPÖ-Chef Herbert Kickl von sich gibt, finden sich auch richtige Analysen. Es stimmt, ÖVP und SPÖ haben sich das Land jahrzehntelang untereinander aufgeteilt; und auch, dass Erstere jetzt alles tut, um an diesem Einfluss festzuhalten. Dass alles darauf hinweist, dass sich die FPÖ in Regierungsverantwortung genauso verhalten würde - und es schon getan hat -, macht die Analyse noch nicht unbrauchbar. Das ist Wasser auf die Mühlen der FPÖ, die vor wenigen Tagen angekündigt hat, im bevorstehenden Nationalratswahlkampf gegen "die Eliten" mobilisieren zu wollen. Die Strategie der ÖVP, Versatzstücke freiheitlicher Politik aufzugreifen, wird hier nicht greifen. Gegen wen will sie austeilen? Gegen sich selbst?

Die Erfolge von Kickl, Pogo und Co. als Naturkatastrophe abzutun, greift viel zu kurz

Die Erfolge von Kickl, Pogo und Co. als unverständlichen Betriebsunfall - als Naturkatastrophe, quasi - abzutun, greift viel zu kurz. Die SPÖ ist schon seit Jahren in der Opposition, und es sieht derzeit nicht so aus, als würde sie von dort in die Regierung zurückkehren. Die ÖVP kämpft einen verzweifelten Kampf gegen die FPÖ und arbeitet im Zweifelsfall mit ihr zusammen, um an der Macht zu bleiben, statt sich energisch um die akuten Probleme der Menschen zu kümmern: Teuerung, Wohnen, Pflege, Klima, Zersiedelung. Beide früheren Großparteien haben verlernt, ihre eigenen Positionen verständlich zu kommunizieren und breites Vertrauen zu erzeugen. In wenigen Jahren könnte es ganz selbstverständlich Regierungen ohne ÖVP- oder SPÖ-Beteiligungen geben. Nicht die Mitte erodiert, sondern die Parteien, die sich für diese halten.

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