Zur Unzeit empfiehlt der Burgenländer den Genossen, nicht Rendi-Wagner, sondern ihn als Spitzenkandidat in die nächste Nationalratswahl zu schicken. Damit schadet er sich selbst.
Analyse
Geschichte wiederholt sich nicht. Am 20. November ließ der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zwei Sonntagsfragen veröffentlichen. Der einen war zu entnehmen, dass es die SPÖ mit Pamela Rendi-Wagner auf 27 Prozent und damit nur knapp auf Platz eins bringen würde. Der anderen, dass die Partei mit ihm als Spitzenkandidat auf 32 Prozent und damit weit mehr als Blaue (21), geschweige denn Türkise (20 Prozent) kommen würde. Das erinnert an Erhebungen, mit denen Sebastian Kurz 2017 Rufe befeuerte, er möge die ÖVP von Reinhold Mitterlehner übernehmen, um sie endlich wieder ins Kanzleramt zu befördern – wie er es dann ja auch getan hat.
Von einem Projekt Ballhausplatz, das nun halt von Eisenstadt aus betrieben wird, kann jedoch keine Rede sein. Doskozil hat sich gerade einer weiteren Operation am Kehlkopf unterziehen müssen. Es war die fünfte. Er betont zwar, dass er als Politiker keine Beeinträchtigung verspüre. So etwas muss man aber erst einmal überwinden.
Rücktrittsgerüchte "Blödsinn"
Politisch versucht er auffallend deutlich, Spekulationen entgegenzutreten, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen mit seinen Aufgaben im Land begnügen oder gar zurücktreten könnte: "Das ist alles Blödsinn!", diktierte er der "Krone". Durch die erwähnten Sonntagsfragen unterstreicht er das doppelt: Er will noch immer mehr, empfiehlt den Genossen, nicht Rendi-Wagner, sondern ihn als Spitzenkandidat in die nächste Nationalratswahl zu schicken.
Damit riskiert er jedoch, sich alles zu vermasseln. Grundsätzlich wären die Vorzeichen für ihn nicht übel: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der bisher als Garant dafür galt, dass er nicht zu weit aufsteigen kann, wirkt seit der Sache mit der "Wien Energie" angeschlagen. Das setzt auch Rendi-Wagner zu, der Ludwig immer den Rücken gestärkt hat. Sie hätte das jetzt nötig: Ihr Kalkül, zu gewinnen, weil die ÖVP verliert, könnte scheitern. Zunehmend legen die Freiheitlichen zu. Auch, weil das Thema Asyl und Migration wieder da ist und es die SPÖ verabsäumt hat, Positionen zu beziehen, die genügend Wähler aus einer breiten Mitte der Gesellschaft überzeugen. Das wäre entscheidend für einen Erfolg.
Doskozil sieht das, vielen in der SPÖ gilt er daher als Rechter. Eine solche Zuordnung durchkreuzt er allerdings, indem er als einer der wenigen Parteigranden eine Ampelkoalition mit NEOS und Grünen fordert und sich mit Leuten wie Ex-Kanzler Christian Kern umgibt.
Unterm Strich hat der Burgenländer Rendi-Wagner jetzt jedoch zu offen und zur Unzeit herausgefordert: Damit löst er bundesweit eher eine Solidarisierung mit ihr bzw. eine Bewegung gegen sich aus. Abgesehen davon wird möglicherweise erst in zwei Jahren gewählt. Da ist es viel zu früh, sich als Spitzenkandidat in Stellung zu bringen.
Zahl
Asyl ist eher die Ausnahme
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der sich gegen "Asyl à la Carte" ausspricht, und der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP), der meint, es dürfe "kein Asyl nach Wunsch" geben, dürfen beruhigt sein: Die zuständigen Behörden schauen drauf. Während etwa die ungarischen so gut wie keine Asylverfahren verzeichnen, sind sie mit Zehntausenden konfrontiert. Das heißt aber nicht, dass sie alle Anträge durchwinken. Im Gegenteil. Die Statistik, die das Innenministerium führt, zeigt, dass sie sie penibel prüfen.
Von Jänner bis Oktober dieses Jahres ist 11.105 Mal Asyl gewährt worden. Ziemlich genau doppelt so oft (22.773 Mal) ist es abgelehnt worden. Nicht alle Antragsteller müssen Österreich deswegen verlassen. 4.404 Mal ist in den zehn Monaten zum Beispiel ein befristeter Schutz vor Abschiebung gewährt worden. Ein solcher ist möglich, wenn im Herkunftsland das Leben oder die Unversehrtheit der Person bedroht ist.
Die mit Abstand meistgefällte Verfahrensentscheidung ist eine "sonstige". Sie kam 28.186 Mal zustande. Dazu zählen Einstellungen, weil sich die Antragsteller etwa nicht mehr in Österreich befinden, sondern in ein anderes Land weitergereist sind.
Transitland Österreich
Sehr viele Asylanträge sind zuletzt von indischen Staatsangehörigen gekommen. Sie dürfen visafrei in Serbien einreisen. In Österreich hat aber noch kein einziger Asyl bekommen. 2.794 Anträge sind bisher abgelehnt worden, mehr als 4.000 Verfahren sind eingestellt worden. Extrem oft, nämlich 12.579 Mal, ist das auch bei Afghanen vorgekommen. Das ist ein Hinweis darauf, dass die meisten Österreich lediglich als Transitland betrachten. Überwiegend angenommen werden noch immer eher nur Asylanträge von Menschen aus Syrien. Geflüchtete aus der Ukraine müssen sich nicht um Asyl oder einen befristeten Schutz vor Abschiebung bemühen, um bleiben zu dürfen.
Bericht
Kein Haus des Volkes
Seine verstorbene Vorgängerin Barbara Prammer (SPÖ) "wäre heute stolz auf das Erreichte", meinte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) unlängst zum Parlamentsumbau. Unter ihrer Führung war dieser 2014 beschlossen worden. Jetzt neigt er sich dem Ende zu, für 12. Jänner ist die Wiedereröffnung angesetzt. Prammer war nicht nur an einer Sanierung interessiert. Es ging ihr auch darum, die schon durch die Errichtung eines Besucherzentrums 2005 unter dem damaligen Präsidenten Andreas Khol (ÖVP) dokumentierte Öffnung fortzusetzen. Geplant war und ist daher ein Haus des Volkes.
Umso größer sind die Irritationen bei Abgeordneten und Mitarbeitern über Signale, die Sobotka aussendet: Der 66-Jährige geht in seiner Rolle als Bauherr auf und verliere im Überschwang die Bodenhaftung, lautet eine häufige Kritik. Dabei müsste gerade er, dem laut APA/OGM-Index 73 Prozent der Bürger kein Vertrauen schenken, besonders behutsam sein.
"Exquisite Küche"
Für viele wirkt nicht nur die Meldung befremdlich, dass er ein vergoldetes Klavier aufstellen lassen möchte, sondern auch sein Auftritt auf einer neuen Dachterrasse, bei dem er mit einem Glas Wein in der Hand einer Videokamera zuprostete, vom Überblick über die Wiener Innenstadt schwärme und ankündigte, dass es hier eine "exquisite Küche" geben werde. In Zeiten, in denen es sich laut Statistik Austria bereits 22 Prozent der Österreicher nicht mehr leisten können, regelmäßig ein Restaurant zu besuchen, ist das selbst für einige Parteifreunde Sobotkas befremdlich.
Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at