Das Medienkapitel beschäftigt nur eine Untergruppe der Regierungsverhandlungen. Doch ihre Aufgabenstellung ist riesig, und die Besetzung birgt Sprengstoff. Das lässt befürchten, dass es wie bisher bei Absichtserklärungen ohne konkreten Handlungsauftrag bleibt
D-Day? Dieser Begriff erscheint infolge seines Einsatzes zur Sprengung der deutschen Dreierkoalition besonders unangebracht – für die Bildung einer österreichischen Zuckerlregierung. Nennen wir es also besser den Tag X, was hiesige Verhandler gut merkbar auf 12. 12. terminisiert haben: Vorentscheidung. Die Gewohnheit scheibchenweiser Kommunikation lässt vermuten, dass eine weitere Ankündigung auf 12.12 Uhr folgen wird. Das Publikum soll schließlich bei Laune gehalten und nicht mit Inhalt belästigt werden. Deshalb ist das apostolische oder horoskopische Leitmotiv auch in den Verhandlungsteams als Dutzendware erkennbar. Zum Beispiel bei der Untergruppe Medien. Mit drei Quartetten scheint sie bestens qualifiziert für Zwölftonmusik. Das ist laut Arnold Schönberg die „Emanzipation von Dissonanz“.
Viel ORF und pinke Kompetenz
Dazu könnte vor allem die größte Gemeinsamkeit der Abgesandten von ÖVP, SPÖ und Neos führen: Die Hälfte hat persönlichen ORF-Bezug. Für die Volkspartei sind das neben Ministerin Susanne Raab und Mediensprecher Kurt Egger Volksanwältin Gabi Schwarz, die Jahrzehnte im Landesstudio Burgenland war, und Kommunikationsberater Gregor Schütze, der auch Stiftungsrat ist. Beide wie Heinz Lederer von der Sozialdemokratie, die neben Parteigeschäftsführerin Sandra Breiteneder ÖGB-Geschäftsführer und Publikumsrat Willi Mernyi sowie Ex-ORF-General Alexander Wrabetz verhandeln lässt. Die Neos bieten neben Mediensprecherin Henrike Brandstötter ihren Vorgänger, Ex-Addendum-Geschäftsführer Niko Alm, auf. Dazu kommen Ex-„NZZ“-CEO Veit Dengler und Helmut Brandstätter. Der EU-Abgeordnete war eine ORF-Größe („Report“), Geschäftsführer von n-tv und PulsTV sowie Chefredakteur des „Kurier“.
Die vielfältige Medienkompetenz des kleinsten Verhandlungspartners liefert den Sprengstoff für eine Runde, die es im Dutzend kaum billiger geben wird. Während ÖVP und SPÖ wohl mit dem gewohnten Interessenabgleich von ORF, Verlegern und Privatrundfunk zufrieden wären, ticken die noch nie als Stiftungsräte korrumpierten Neos anders. Dieses Missverhältnis hat sogar schon Wiens Bürgermeister Michael Ludwig zur Absicherung des Medienstandorts mahnen lassen. Gewerkschaft und Zeitungsver- band als zwar üblichere, aber ungewohnt gemeinsame Verdächtige schlossen sich mit einem Appell für Qualitätsjournalismus an. Dabei geht es jeweils um konkrete staatliche Förderung.
Desinformation und Parteimedien
Doch diese Millionen sind ungeachtet der jeweiligen Bedürfnisse immer zu wenig. Es braucht einen großen inhaltlichen Wurf. Die Restrukturierung betrifft sämtliche Verhältnisse zwischen Medien und Politik. Das reicht von der Neukonstruktion des ORF über die öffentliche Inseratenvergabe bis zur Regulierung der globalen Plattformen. Letzteres schafft Österreich nicht allein, sondern nur mit der EU. Dennoch müssen auch diese Ziele klarer definiert werden als durch das Programm der bisherigen Regierung. Einer der 15 Punkte ihres dreiseitigen Medienkapitels hieß: „Schutz vor Desinformation“. Seitdem haben sich alle Parteien vor allem um die Entwicklung ihrer eigenen Medien bemüht.
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