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Das ist der Mann hinterdem Wahlsieg der ÖVP

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Kampagnen-Profi Philipp Maderthaner lockt die Wähler zu Sebastian Kurz. Doch kann uns dieser Mann alles verkaufen? Und will er das überhaupt?

Während Sebastian Kurz dieser Tage im Winterpalais des Prinz Eugen Sondierungsgespräche führt, sitzt in einem ebenfalls großzügigen, aber nicht so imperialen Büro am anderen Ende des ersten Wiener Bezirks jener Mann, der den ÖVP-Chef mit seiner Wahlkampagne zum zweiten Mal ins Kanzleramt gebracht hat: Philipp Maderthaner, Chef des "Campaigning Bureau", dem nicht nur türkise Fans, sondern auch die Konkurrenz nachsagt, unbeirrt von tagespolitischen Turbulenzen eine gute Hand für Wahlkämpfe zu haben. Aus drögen Schwarzen wurden da Türkise, aus einer Partei der Bauern, konservativen Akademiker, Unternehmer und Hofratswitwen eine "Mitmach-Bewegung", die plötzlich Wählerinnen und Wähler abholt, die früher ihr Kreuz bei FPÖ oder SPÖ gemacht haben -oder zu Hause geblieben sind.

Und weil die ÖVP-Werbung, in der Skeptiker eine Messias-hafte Überhöhung des Spitzenkandidaten sahen, gar so gut funktioniert hat, blieb nach dem Wahltag eigentlich nur noch die Frage offen: Kann uns dieser Mann alles verkaufen? Lassen sich die Österreicher - wenn man weiß, wie -auch von Dingen überzeugen, die sie zuvor gar nicht wollten? Das, sagt Maderthaner, sei gar nicht die Intention seiner Arbeit. "Ich will niemanden um 180 Grad drehen. Unser Kampagnenansatz ist ein extrem positiver: basierend auf den eigenen Überzeugungen und Leidenschaften Gleichgesinnte zu finden und über diese dann wieder neue Menschen an Bord zu holen." Eine "gewisse Grundnähe" zur türkisen Idee ist da schon hilfreich, gibt er zu, "irgendetwas müssen wir schon gemeinsam haben". Aber, ja, "über einen längeren Zeitraum wäre es schon möglich, dass jemand seinen Blickwinkel ändert, vielleicht eher dadurch, dass Sie eine Person persönlich kennen, die Sie zu überzeugen beginnt, wenn die Kampagne länger dauert. Aber klassische Werbung trachtet ja danach, diesen Effekt sehr rasch zu erzielen."

Kurz funktioniert ohne ÖVP

Wie also ist es gelungen, neue Wählergruppen für die ÖVP zu gewinnen? Indem sie eigentlich die Person Sebastian Kurz wählen. Ganz neu ist dieser Effekt nicht. Schon Erwin Pröll, Langzeitlandeshauptmann in Niederösterreich, warb losgelöst von seiner Partei, dabei war der noch ein echter Schwarzer und die ÖVP in Niederösterreich stets knapp an oder über der absoluten Mehrheit. Hier, in der Schule Prölls, hat Maderthaner seine ersten Lehrstunden in politischer Kampagne bekommen, die "Glatzenhaube" - eine Hommage an Prölls Frisur -im Landtagswahlkampf 2008 geht auf sein Konto.

Nach Jahren als Marketingchef in der Bundes-ÖVP und einem Studium der internationalen Betriebswirtschaft macht er sich selbstständig und verfeinert seine Methode des -auch durch US-Wahlkämpfe inspirierten -"Movement Campaigning". Eine "Bewegung" ist es also auch, die rund um Sebastian Kurz die Wählerinnen und Wähler anlockt. Aber natürlich, betont der Profi, ist es "ganz klar die Person Sebastian Kurz und der einzigartige Typus von Politiker, den er verkörpert: sehr offen, sehr zugänglich, sehr verständlich, wie er die Dinge artikuliert. Er steht natürlich für bestimmte Überzeugungen und Werte, das, was man heute gerne landläufig die türkise Bewegung nennt." Aber Kurz erreiche "völlig andere Menschen, als die ÖVP in der Lage ist zu erreichen. Die wären an der ÖVP vorbei nie zu ihm gekommen. Das haben wir schon in der ersten Vorzugsstimmen-Kampagne erkannt, bei der wir ihn 2013 unterstützen durften. Aus dieser Erkenntnis ist der heutige Kampagnenansatz, einen direkten Zugang zu den Menschen zu pflegen, entstanden."

Da liegt der Schluss nahe, Sebastian Kurz würde auch ohne ÖVP funktionieren. Maderthaner bestreitet das nicht. "Vor allem auch, weil politische Strukturen grundsätzlich am Schrumpfen sind. Ich hab schon vor 15 Jahren gesagt, dass Parteien in der Lage sein müssen, Menschen temporär über ihre Interessen oder über Themen oder über kurzfristige Anliegen zu involvieren. Kurz hat sich das Beste aus beiden Welten genommen: die Struktur der ÖVP, vor allem im ländlichen Raum, und die direkte Zugänglichkeit.

Europaweit sei ein Vertrauensverlust in Institutionen und etablierte Strukturen zu sehen. "Das leben die Menschen übrigens gleichermaßen, wenn es um ihren Handytarif oder um Flugtickets oder um Reisebuchungen geht: Keiner will irgendwelche undurchsichtigen Packages kaufen. In der Politik will auch niemand das ganze Paket einer Partei ,kaufen', sondern man sagt: Diese Person oder dieses Thema will ich."

Was wäre die ÖVP ohne Kurz?

Während Kurz ohne Partei erfolgreich wäre, wäre es die ÖVP auch ohne Kurz?"Es gibt den Beweis, dass die ÖVP ohne Kurz existiert hat, und es ist davon auszugehen, dass sie auch ohne ihn -in hoffentlich möglichst ferner Zukunft -auch weiter existieren wird. Die Flughöhe wird eine andere sein, natürlich, aber die ÖVP hat als einzige Großpartei den richtigen Wandel durchlebt. Viele Parteien haben das nicht gemacht, das fällt ihnen nun auf den Kopf."

Die internen Machtkämpfe und die Nabelschau der SPÖ? "Sind in vielerlei Hinsicht das Gegenteil davon, was es bräuchte, um erfolgreich zu sein." Welchen Tipp Maderthaner Pamela Rendi-Wagner geben würde? Er lacht. "Das muss ich mir wirklich gut überlegen, ob ich den abgebe. Ich versuche es allgemein: Nachhaltig erfolgreiche Bewegungen sind sehr selten Schwärme, sondern haben im Regelfall Führung. Schwärme kommen und gehen nämlich, wie diese Social-Media-Phänomene, die über Nacht entstehen, eine Woche lang einen Hype abgeben und dann sind sie wieder weg. Erst durch Führung wird der Schwarm zur Bewegung. Die SPÖ stellt sich wie ein Schwarm dar und das ist eine freundliche Beschreibung."

Neues Feld: Unternehmen

Dabei sind Politiker und ihre Wahlkämpfe der kleinere Teil von Maderthaners Tätigkeit. Öfter wird er für Unternehmen aktiv, doch es gibt Parallelen im Verkauf eines Produkts und eines Politikers. Hinter beidem müsse "eine Überzeugung, eine Idee, ein Zukunftsbild stehen. Wenn wir für Unternehmen aktiv werden, müssen diese oft erst lernen, einen Schritt hinter ihre Produkte zurück zu machen und sie nicht so wichtig zu nehmen. Menschen interessieren sich nicht für Produkte oder Unternehmen oder einen Politiker, sondern sie interessieren sich in erster Linie für sich selbst und ihre eigenen Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte. Wer als Unternehmer in der Lage ist, diese zu bedienen, wird aus meiner Sicht erfolgreich sein."

Dieser Schritt zurück sei für Unternehmer schwer, weil er das Gegenteil von dem sei, was sie jahrzehntelang gelernt haben. "Der Punkt ist aber: Die Differenzierbarkeit über Preis, Funktionen oder Lautstärke in der Kommunikation wird immer schwieriger. Wenn Sie heute die Schnellsten sein wollen, wie wahrscheinlich ist das gegen die Logistik von Amazon? Wenn Sie die Lautesten sein wollen, wie wollen Sie das gegen die Marketingmaschinerie von Coca-Cola schaffen? Und wenn Sie die mit den meisten Features sein wollen, wie wahrscheinlich ist, dass Sie das gegen Apple schaffen? Kleine und mittlere Betriebe haben nur eine Chance: Sie können Menschen über gemeinsame Überzeugungen binden, das, woran sie glauben. So kann ein Tischler, der aus Überzeugung gesunde Zirbenholzmöbel macht, plötzlich sogar zum Hidden Champion werden."

Bei der Entscheidung, für wen Maderthaner arbeitet, ist vor allem eine Frage entscheidend: "Bringt unser Gegenüber eigenes Feuer mit? Darauf schauen wir, denn am Ende des Tages ist es ja nicht unsere Kampagne, sondern die unserer Kunden." Wenn ein Unternehmen einfach sagt: Macht's einmal - "Dann ist das im Regelfall ein Grund, dass wir ihn freudvoll an eine Werbeagentur verweisen."

Mit einer neuen Firma, Business Gladiators, die Maderthaner vor wenigen Wochen gegründet hat, will er Unternehmer dabei beraten, ihre Rolle neu zu sehen. Vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen will er darin bestärken, ihren Platz neben den Platzhirschen zu finden und Erfolg nicht nur nach den Parametern des Wachstums zu messen: "Sie werden von mir immer Erfolg und Erfüllung in einem Satz hören. Denn Erfolg ohne Erfüllung ist eigentlich Scheitern." Und während sein erfolgreichster Polit-Kunde Kurz am anderen Ende des ersten Bezirks an einer Regierung arbeitet, will Maderthaner sein Berufsleben künftig ohne Politik bestreiten. "Ich bewundere jeden und jede, die in die Politik geht, denn was von Politikern heute verlangt wird, grenzt an eine gewisse Übermenschlichkeit. Das ist wirklich mein letzter Berufswunsch. Und, fürs Protokoll, auch mein Bedarf an Wahlkampagnen ist gedeckt. Das habe ich für mich entschieden, ich stelle jetzt mein persönliches Leidenschaftsthema Unternehmertum in den Mittelpunkt meines Wirkens. Ich bin sehr in Balance mit dieser Entscheidung." Gut möglich, dass ihn Kurz, dem noch der letzte Wahlkampf in den Knochen steckt, da ein bisschen beneidet.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe vom News (Nr. 43/2019) erschienen!

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