News Logo
ABO

Peter Turrini nimmt Stellung zu Vorwürfen gegen Intendant Föttinger

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
4 min
Der österreichische Schriftsteller Peter Turrini

©News/Ricardo Herrgott
  1. home
  2. Aktuell
  3. News

Der österreichischer Schriftsteller Peter Turrini nimmt Stellung zum Artikel im „Standard“ vom 13. 9. 2024 über das Theater in der Josefstadt (Nachzulesen online unter: "Kultur der Angst" im Theater in der Josefstadt: Schwere Vorwürfe gegen Intendant Föttinger):

Mein Freund Herbert Föttinger, der Direktor des Theaters in der Josefstadt, ist beizeiten ein Schreihals und ich verstehe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seines Hauses, die dies als verletzend empfinden. Ich habe solche Situationen in den achtzehn Jahren unserer Zusammenarbeit ein paar Mal erlebt. Jetzt ist offensichtlich der mediale Gerichtstag über ihn ausgebrochen und das Urteil der umfassenden Verdammnis scheint festzustehen. Also rede ich davon, was ich in diesen Jahren auch erlebt habe: Das Haus war in Krisenzeiten immer wieder von Subventionskürzungen bedroht. Es gab Vorschläge der Aufsichtsorgane und von Beratungsfirmen, weniger Stücke zu spielen und Leute zu entlassen. Herbert Föttinger hat sich vehement vor seine Leute gestellt, hat Tag und Nacht gegen diese Pläne angekämpft, bis an den Rand seiner Gesundheit und darüber hinaus. Ich habe immer wieder erlebt, wie Schauspielerinnen und Schauspieler mit ihren privaten Nöten und Sorgen zu ihm gekommen sind und er und seine engste Mitarbeiterin versucht haben, zu helfen.

Ich habe in meinem langen Theaterleben viele Intendanten erlebt, aber keiner hat sich so für seine Leute eingesetzt wie er. Er hat dafür gesorgt, dass es in der Pandemie keine Entlassungen gab und einfach weitergeprobt, unter schwierigsten Bedingungen. Er hat vor der Tür einer Ministerin biwakiert, bis sie das Geld zum Überleben des Hauses herausgerückt hat. Und das alles soll am Gerichtstag nichts mehr gelten?

Aber ja, er ist auch ein Schreihals, ein Wiederholungstäter, auch wenn ihm seine Ausbrüche nachher leidtun.

Blurred image background

Nach den Vorwürfen gegen Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger hat sich die Ensemblevertretung des Theaters in einem Statement hinter ihn gestellt.

 © News/Ricardo Herrgott

Es ist richtig und wichtig, über Verhaltensregeln und Machverhältnisse in Theaterhäusern zu diskutieren. Wenn man auf der Bühne die Humanität propagiert, dann muss sie auch in den Arbeitsbedingungen eine Rolle spielen. Wenn zwölf von dreihundertsechzig Mitgliedern eines Hauses von schlechten oder üblen Erfahrungen reden, dann muss darüber debattiert werden. Aber was ist das für eine Debatte, wenn Klagende von Zeitungen in der Anonymität versteckt werden und einer, nämlich Herbert Föttinger, ohne Gegenstimmen und ohne Für und Wider zum Unhold ausgerufen wird? 

Jahrelang schrieben die Zeitungen, dass Herbert Föttinger mit seiner unbändigen Leidenschaft das Theater in der Josefstadt aus den verrosteten Angeln der Vergangenheit gehoben und in die Gegenwart gestemmt hat. Das alles soll plötzlich nichts mehr wert sein? Ausländische Theaterregisseure erzählen mir, dass sie besonders gerne an diesem Haus arbeiten und ausgerechnet hier soll durchgehend eine „Kultur der Angst“ herrschen?

Noch einmal: Föttinger ist beizeiten ein Schreihals und er sagt, er will an sich arbeiten. Wie steht es eigentlich mit seinen Richtern, den Zeitungsleitern? Wandeln diese Chefs ausschließlich schreifrei und humanitätsbewegt durch die Gänge ihrer Medienhäuser?

Hört auf, euch mit anonymen Zeugen und eidesstaatlichen Erklärungen zu bewaffnen und Menschen ohne ausführliche Anhörung und Gegenstimmen zu verurteilen und durch das mediale Dorf zu treiben. Führt eine offene Debatte über Macht und Machtmissbrauch, also auch über euch. 

Peter Turrini, 13. September

KulturinstitutionenKultur

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER