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Zum Älterwerden hatte sie ein entspanntes Verhältnis, wie sie anlässlich ihres 80. Geburtstags im APA-Interview sagte: "Das Altwerden gehört zum Natürlichsten der Welt. Wenn man nicht alt werden will, gibt es nur eine Alternative: früh sterben. Und das habe ich verabsäumt." Claudia Romeder, Leiterin des Residenz Verlags, würdigte Frischmuth als "ganz besonderen Menschen": "Ihr Blick auf die Welt war offen und feinfühlig, ihr literarisches Werk war von außergewöhnlicher Tiefe und Vielfalt. Ich schätzte sie wirklich sehr und ihr Tod ist für uns alle ein großer Verlust."
Erst vor wenigen Wochen hatte sie mit "Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter" ihren letzten Erzählband veröffentlicht - in dem sie ihre Expertise als Dichterin wie Gärtnerin zusammenführte. So unterschiedlich Frischmuths Helden aus der Tierwelt darin aussehen, so einhellig ist der Ansatz in den vier Erzählungen: In allen wird versucht, mit viel Fantasie den Gegensatz zwischen Mensch und Natur zu überwinden. Es ist der Traum einer friedlichen, auf gegenseitigem Verstehen fußenden Koexistenz, den Frischmuth hier in vielfältiger Weise spann.
Der Natur hatte sie sich auch in ihren 2021 in Buchform erschienenen Vorlesungen "NATUR und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen" gewidmet, kurz darauf erschien der Erzählband "Dein Schatten tanzt in der Küche", in dem sie sich starken Frauen in ungerechten gesellschaftlichen Verhältnissen widmete. Ihr bisher letzter Roman "Verschüttete Milch" behandelte 2019 mit starken autobiografischen Bezügen eine Kindheit in Altaussee.
Barbara Frischmuth wurde am 5. Juli 1941 in Altaussee geboren. Nach dem Tod ihres Vaters, der im Zweiten Weltkrieg in Russland fiel, wuchs sie bei ihrer Mutter auf, die in Altaussee bis Mitte der 1950er-Jahre das "Parkhotel" führte. Die Lektüre von "Tausendundeine Nacht" weckte ihr Interesse am Orient, am Fremden und dem Anderen, das sie nach Absolvierung des Gymnasiums - bei den Kreuzschwestern in Gmunden, in Bad Aussee und zuletzt in Graz, wo sie im Juli 1959 auch maturierte - nicht, wie eigentlich vorgesehen, an die Hotelfachschule gehen, sondern am Dolmetsch-Institut in Graz Türkisch und Ungarisch und später Orientalistik in Wien studieren ließ.
Die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen spiegelt sich in ihren Übersetzerarbeiten und in ihrem eigenen umfangreichen Werk ebenso wider wie in ihren internationalen Kontakten. Ein Stipendium führte sie 1960/61 erstmals in die Türkei - an die ostanatolische Universität in Erzurum. Nach ihrer Rückkehr las sie im Grazer "Forum Stadtpark" erstmals aus eigenen Werken und wurde Teil der "Grazer Gruppe". Noch bevor sie diese jedoch veröffentlichte, war sie als Übersetzerin tätig: 1967 erschien ihre Übersetzung des KZ-Tagebuchs der Siebenbürgerin und Jüdin Anna Novac. Ihren Romanerstling legte sie 1968 mit "Die Klosterschule" vor, in dem Frischmuth die autoritären Strukturen eines Mädchengymnasiums beschrieb.
Nach ihrem hochgelobten Debüt und dem Roman "Das Verschwinden des Schattens in der Sonne" (1973) erzielte die Autorin vor allem mit der "Sternwieser-Trilogie" (1976-1979, darunter "Die Mystifikationen der Sophie Silber"), in der sie sich intensiv mit der Verflechtung von mythologischen Traditionen und heutigen weiblichen Lebenswelten beschäftigte, und der "Demeter-Trilogie" (1986-1990) Erfolge, in der sie trotz Beibehaltung ihres Verfahrens der vielfältigen Bezüge zu alten Mythen höchst aktuelle Themen aufgriff. Der auf die Erzählung "Herrin der Tiere (1986) folgende Roman "Über die Verhältnisse" (1987) konnte - mit einem Bundeskanzler als zentraler literarischer Figur - als Schlüsselroman gelesen werden, "Einander Kind" (1990) mit seinen darin enthaltenen Kriegs- und Nazi-Biografien als Aufarbeitung der Waldheim-Affäre. Herrschaftskritik ist einer der zentralen Aspekte von Frischmuths Schaffen.
Neben Erzählungen, Essays, Hör- und Fernsehspielen erschienen u.a. die Romane "Die Entschlüsselung" (2001), "Der Sommer, in dem Anna verschwunden war" (2004), der Reiseroman "Vergiss Ägypten" (2008) und 2012 schließlich "Woher wir kommen". In ihren literarischen Gartentagebüchern wie "Fingerkraut und Feenhandschuh" (1999), "Löwenmaul und Irisschwert" (2003) und "Marder, Rose, Fink und Laus" (2007) hat sie ihre schriftstellerische mit der gärtnerischen Passion vereint. Mit dem kürzlich erschienenen "Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter" hinterlässt Frischmuth fantastische Naturerzählungen.
Immer wieder hat die Autorin ihre Stimme erhoben, wenn statt Verständigung und Toleranz Terroranschläge oder Kriege interkulturelle Beziehungen beherrschen oder Flüchtlingspolitik sich nicht als humanitäre Hilfe, sondern als Abschottung herausstellt. Frischmuth erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 1972, den Anton-Wildgans-Preis 1973 und den Franz-Nabl-Literaturpreis 1999. 2005 wurde sie mit dem Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln gewürdigt, 2011 folgte das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark, 2019 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien und der Ehrenring des Landes Steiermark.
(S E R V I C E - https://www.barbarafrischmuth.at)