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Kein Volksbegehren, aber Astro-Show

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©ORF/Roman Zach-Kiesling
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Der ORF feiert 100 Jahre Radio, als wäre er noch sein Alleinbetreiber. Und die seit 1995 mitmischenden Privatsender lassen es sich gefallen. Der ORF unterschlägt 40 Jahre Rundfunkvolksbegehren. Und wir lassen es uns gefallen. Hauptsache Astro-Show!

 

Es war das erste Volksbegehren. Es erzielte viermal so viel Zustimmung, wie notwendig war. Es liegt mit 832.353 Unterzeichnern auf Rang 7 von 113 derartigen Ansinnen in der Zweiten Republik. Seine Eintragungsfrist endete am 11. Oktober 1964. Doch das  Jubiläum „60 Jahre Rundfunkvolksbegehren“ gibt es nicht. Außer im „Kurier“. Sein damaliger Chefredakteur Hugo Portisch war der Hauptinitiator.

Das ist keine lässliche Unterlassung, sondern strategische Absicht. Denn aktuell feiert der ORF gerade 100 Jahre Radio und 2025 dann 50 Jahre „ZiB 2“, 70 Jahre sich selbst sowie 80 Jahre Zweite Republik. Alle diese Jubiläen hätten ohne das Rundfunkvolksbegehren mehr Schattenseiten – und eines gäbe es wohl gar nicht. Denn die anhaltende Unbotmäßigkeit der „ZiB 2“ ist eine direkte Folge des Bürgerwunsches nach einem unabhängigen gemeinschaftlichen Medium. Bürgerwunsch?

Schreckgespenst Volksabstimmung

Weder ÖVP noch SPÖ wollten ihren Einfluss mindern. Das verzögerte die Behandlung im Nationalrat. Doch die Volkspartei erkannte das Potenzial als Wahlkampfschlager. Er war ein Turbo für ihre einzige Alleinregierung, die unter Josef Klaus 1967 das Rundfunkgesetz nachlieferte. Der streitbare Bürger Gerd Bacher wurde ORF-General, der Sozialist Bruno Kreisky Klaus-Nachfolger. Als er die einzige Alleinregierung der SPÖ begann, gab es 1974 die nächste Reform des Proporzsenders. Nun zwar Anstalt des öffentlichen Rechts, kam der ORF de facto wieder stärker unter Regierungseinfluss.

Das alles gäbe ausreichend Stoff für „60 Jahre Rundfunkvolksbegehren“. Doch es könnte schlafende Hunde wecken. In der ORF-Trutzburg auf dem Küniglberg fürchten die Cheftaktierer nur ein V-Wort mehr: Volksabstimmung. Dort gibt es kein Vorbild Schweiz, wo die SRG den politischen Angriff auf ihre Finanzierung per Rundfunkbeitrag offensiv erwiderte und das entsprechende Referendum klar gewann. Bei den Nachbarn agitiert zwar mittlerweile eine Initiative zur Halbierung der Haushaltsabgabe, aber diese wäre sogar dann noch höher als die hiesige. Das ist also ein Wiederholungsversuch light.

Vorleistung für Brot und Spiele

Die Abwehr des ersten Abstimmungsanschlags auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Eidgenossen zeigt: Es gibt keine Erfolgsgarantie für seine rechtspopulistische Infragestellung. Gegen Ende der ORF-Ära unter dem Zauderer Alexander Wrabetz schien der ORF das zumindest als Aufforderung begriffen zu haben, sich auf eine ähnliche Attacke vorzubereiten. Mithilfe österreichischer Berater der Schweizer. Doch der ebenso pragmatische, aber entscheidungsfreudigere Nachfolger Roland Weißmann greift diese heiße Kartoffel nicht an.

Das ist ein fundamentaler Fehler. Neue Programmangebote wie die Astro-Show können als Vorleistung für vermutete Brot-und-Spiele-Wünsche künftiger Koalitionen verstanden werden (die für 27. Oktober geplante zweite Ausgabe war bei Verfassung dieser Kolumne noch nicht gestrichen). So geht Defensive. Wenn der ORF derart gut ist, wie er sich selbst darstellt, muss er aber in Offensive gehen. Das heißt: Ein Rundfunkvolksbegehren II selbst anschieben. Mit dem Ziel der Volksabstimmung. Traut euch doch!

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