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Opposition in der Opposition

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Nicht nur eine Regierungskoalition muss sich nach der Nationalratswahl finden. Auch die Oppositionsparteien im Parlament müssen kooperieren, damit sie die Regierung wirksam kontrollieren können. Wie würde das funktionieren, wenn mit FPÖ und Grünen nur zwei, noch dazu sehr unterschiedliche Parteien in der Opposition sind?

Überraschungen in der Politik sind nie ganz auszuschließen. Doch wenn sich alle Parteichefs an das halten, was sie bisher gesagt haben, ist abschätzbar, wer künftig auf der Regierungsbank Platz nehmen könnte: ÖVP, SPÖ und (am wahrscheinlichsten) NEOS. FPÖ und Grünen würde demnach die Aufgabe zufallen, die Regierung zu kontrollieren.

Doch wie kann Kontrolle funktionieren, wenn die Oppositionsparteien ideologisch so weit voneinander entfernt sind, wie man es im Parteienspektrum nur sein kann? Wenn der Parteichef der Grünen, Werner Kogler, vor der ersten Parlamentssitzung dazu aufruft, die FPÖ im Amt des ersten Nationalratspräsidenten zu verhindern? – Sogar die Petition „Keine Rechtsextremen an der Spitze des Nationalrats“ haben die Grünen gestartet.

Wie sehr kann sich die voraussichtlich aus der Regierung fliegende Ökopartei im Parlament in Szene setzen, wenn sie mit nur 16 Abgeordneten die in der Geschäftsordnung vorgesehenen Minderheitsrechte kaum zu nützen in der Lage ist, während die FPÖ mit 57 Mandataren im Alleingang bestimmen kann, ob und welche Untersuchungsausschüsse es geben wird?

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Das Spiel der Kräfte

Der Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik von der Universität Wien sagt: „Eine gespaltene Opposition tut sich natürlich schwerer, wenn sie In­strumente ergreifen will, für die man zusammenarbeiten muss.“ Wobei es immer wieder Konstellationen gegeben habe, in denen sich gleichzeitig linke und rechte Parteien in dieser Rolle befanden. Hingegen stand bei den schwarz-blauen Regierungen immer eine linke Opposition der rechten Regierung klar gegenüber, erklärt er.

Während die FPÖ künftig im Alleingang die Themen für die große Medienbühne U-Ausschuss bestimmen könnte – Fixstarter ist wohl ein Corona-Ausschuss – ist sie bei einem anderen wichtigen Instrument doch auf die Grünen angewiesen: der „Drittelbeschwerde“ beim Verfassungsgerichtshof. Ein Drittel der Abgeordneten kann sich an den VfGH wenden, damit er Regierungsvorhaben überprüft. In der schwarz-blauen Regierungszeit Wolfgang Schüssels habe die SPÖ als Oppositionspartei dieses Instrument erfolgreich in Stellung gebracht, etwa gegen die Ambulanzgebühren oder die Pensionsreform. „Der VfGH ist ein sehr starker Veto-Player und kann Regierungsmaßnahmen kippen“, erklärt Ennser-Jedenastik. Die dafür nötigen 61 Abgeordneten erreichen FPÖ und Grüne aber nur gemeinsam.

Mächtige Oppositionspartei

Durch ihren Wahlsieg wäre die FPÖ für eine Oppositionspartei sehr mächtig. Sie stellt den Nationalratspräsidenten. Dieser bestimmt nicht nur maßgeblich die Tagesordnung und die parlamentarische Debatte. Er leitet auch die U-Ausschüsse. Zudem wird die FPÖ in mehr parlamentarischen Ausschüssen als früher die Leitung übernehmen.

„Mit der Zeit kühlt jeder ab, und am Ende des Tages ist Politik immer eine kooperative Sache“

Trotzdem sollten die Blauen im Parlament Teamplayer sein, meint der SPÖ-Abgeordnete Kai Jan Krainer. „Grüne und FPÖ haben auch früher in der Opposition zusammengearbeitet“, erinnert sich der SPÖ-Abgeordnete. „Sie haben zum Beispiel den Hypo-U-Ausschuss gemeinsam gemacht. Ob ihnen das diesmal gleich ab Tag eins gelingt, wird man sehen. Emotionen hin oder her, mit der Zeit kühlt jeder ab und am Ende des Tages ist Politik immer eine kooperative Sache.“

Was U-Ausschuss-Themen betrifft: Wer sich an den Verhandlungstisch setzt, gestaltet die Stoßrichtung eines Ausschusses mit. Die Grünen wären also gut beraten, bei einem Corona-U-Ausschuss schon den entsprechenden Antrag mitzugestalten, auch wenn „ihre“ Gesundheitsminister als Auskunftspersonen vorgeladen werden.

U-Ausschuss-Profi Krainer meint zu diesem der FPÖ besonders wichtigen Thema pragmatisch: „Warum soll man Covid nicht parlamentarisch aufarbeiten? Was ist gut gelaufen, was weniger? Bisher hat ja keine ernsthafte Aufarbeitung durch die Regierung stattgefunden.“ Und, mahnt er: „Man darf U-Ausschüsse nicht nur als parteipolitische Spielwiese betrachten. Das Wesen eines U-Ausschusses ist, dass sich das Parlament die Verwaltungspraxis ansieht und Fehlentwicklungen aufgezeigt werden. Das hat ja alles eine gesetzliche Basis. Ich sitze dort nicht als Privatperson, sondern ich sitze dort als Vertreter des Souveräns. Und jeder Minister hat zu antworten. Dadurch erhält man einen wirklich guten Blick auf das, was passiert ist. Das ist extrem spannend und vor allem einfach extrem lehrreich.“

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U-Ausschuss

46 Abgeordnete des Nationalrates können die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu einem vorab genau definierten, abgeschlossenen Vorgang in der Vollziehung des Bundes verlangen. Er ist das stärkste Kontrollinstrument der Opposition, darf sich aber nicht in laufendes politisches Geschehen einmischen. Für den U-Ausschuss müssen alle Organe von Bund, Ländern und Gemeinden Akten liefern. Zudem werden Auskunftspersonen geladen. Diese stehen unter Wahrheitspflicht. Bei Aussageverweigerung oder Nicht-Erscheinen kann es Beugestrafen geben. Bei (vermuteter) Falschaussage kann man als Auskunftsperson vor Gericht landen. Prominenter Fall: der frühere Bundeskanzler Sebastian Kurz.

 © HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Gute Vorsätze

„Die Qualität der Oppositionsarbeit hängt nicht von der Größe der Partei ab“, sagt NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak. Seine Partei sei laut Umfragen als Oppositionskraft stärker wahrgenommen worden als die SPÖ. In der kommenden Konstellation mit der FPÖ könnte es in Bezug auf U-Ausschüsse allerdings schwieriger werden, meint auch Scherak. Dennoch würde er an der Regelung, dass es ein Viertel der Abgeordneten für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses braucht, nicht rütteln: „Wenn man die Schwelle niedriger ansetzt, läuft man Gefahr, dass zu viele U-Ausschüsse eingesetzt werden. Man muss auch bei Minderheitsrechten eine Verhältnismäßigkeit wahren.“

Was alle Oppositionsparteien trifft: Ihre Anträge werden von der jeweiligen Regierung meist – unabhängig von Qualität und Inhalt – abgelehnt oder bis zum St. Nimmerleinstag auf die lange Bank geschoben. Oft haben sich auch NEOS-Abgeordnete über diese Praxis beklagt. Als Regierungspartei würden sie das natürlich ganz anders machen, oder? Scherak: „Ich halte es für ein absolutes Problem, im Sinne von gelebtem Parlamentarismus, und für eine Zumutung für Abgeordnete, wie mit ihren Anträgen umgegangen wird. Falls wir in die Verlegenheit kommen, uns darüber Gedanken zu machen, werde ich mein Allerbestes tun, um hier Lösungen zu finden.“ Nachsatz: „Sie werden dann sehen, ob ich mich durchgesetzt habe.“

Pragmatisch bleiben

Die Grüne Nina Tomaselli geht an die Arbeit im neuen Nationalrat gelassen heran. „Ich definiere meine Rolle als Parlamentarierin unabhängig davon, ob meine Partei in einer Regierungsfunktion oder in Opposition ist. Wir sind mit einem Programm gewählt worden, meine Aufgabe ist, die Arbeit dafür pragmatisch anzugehen. Mit den Möglichkeiten, den Mehrheitsverhältnissen und den parlamentarischen Instrumenten, die uns zur Verfügung stehen.“ Für sie steht noch gar nicht fest, wer nun genau die Opposition bilden wird. Eine theoretische Diskussion sei das. Sie sagt allerdings: „Es ist schwierig, mit der FPÖ aufgrund ihrer Haltung zu den Institutionen der Republik irgendeine Form von Zusammenarbeit zu finden. Sie ist in letzter Zeit ideologisch noch deutlich extremer geworden. Es fehlt mir die Fantasie, welches Thema es sein könnte, das sowohl auf der Agenda der FPÖ als auch auf jener der Grünen oder NEOS steht.“ Vor der Wahl seien sich allerdings alle Parteien, sogar die FPÖ, darin einig gewesen, dass es einen Russland-U-Ausschuss brauche. „Ich bin gespannt, wer sich an diese Ankündigung vor der Wahl jetzt noch erinnert. Die Grünen werden da jedenfalls Druck machen.“

Mit welchem Gefühl sie von der Regierungs- auf die Oppositionsseite wechseln würde? „Ich würde mit demselben Gefühl dort sitzen, wie die letzten Jahre. Es gibt Aufgaben, für die wir gewählt sind. Weglaufen, weil es ein bisschen schwieriger wird, ist nicht mein Ding und auch nicht das der Grünen. Auch in der Opposition gibt es viele Möglichkeiten. Mir hat einmal jemand gesagt: Gute Oppositionsarbeit bedeutet, gute Beschlüsse herbeizuführen. Dass wir Grüne das können, haben wir schon jahrelang bewiesen.“

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 43/2024 erschienen.

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