Digitale Kommunikation? Angesichts amerikanischer und chinesischer Kolonialisierung sowie russischer Unterwanderung muss Europa massiv in alternative eigene Plattformen investieren. Einige öffentliche-rechtliche Medien lassen dafür gemeinsam Werkzeuge entwickeln.
Ursula von der Leyen ist das Gegenteil von Donald Trump. Sie verkörpert pure Selbstdisziplin. Auf mitunter so harte Art, dass niemand auf die Idee käme, der siebenfachen Mutter den Beinamen „Mutti“ zu geben, wie Parteifreunde das einst hämisch mit der kinderlosen Angela Merkel taten – bis es ihr öffentlich nutzte. Eher ginge die EU-Chefin wohl als „Eiserne Lady“ durch wie einst Margaret Thatcher.
Dass von der Leyen davor Verteidigungsministerin war, muss angesichts ihres aktuellen diplomatischen Balanceakts gegenüber den USA auch berücksichtigt werden. Denn trotz aller Signale zur Verhandlungsbereitschaft über Zölle hat sie schon eine Bazooka erwähnt, die vorerst im Arsenal bleibt: „Man könnte zum Beispiel eine Abgabe auf die Werbeeinnahmen digitaler Dienste erheben.“
Digitalsteuer als ultimative Waffe
Das träfe die Achillesferse von Trump. Denn dadurch würden jene Tech-Mogule zur Kasse gebeten, die sich ihm schamlos unterwarfen: Elon Musk, Mark Zuckerberg, Jeff Bezos und Co. Die EU-weite Einhebung einer solchen Digitalsteuer wäre aber eine Spekulation auf „Wag the Dog“ (immer noch sehenswerter Film), also dass der Schwanz mit dem Hund wedelt. Konkret: dass die Herren über X, Meta, Amazon usw. ihren Präsidenten bändigen. Es gibt erste Hinweise, dass es so kommen könnte. Denn Trump ließ sich schon von massiven Börsenverlusten korrigieren. Doch keiner weiß, ob das Laune oder Verstand entsprang. Und niemand möge glauben, unter JD Vance würde es besser.
Die ultimative Waffe Digitalsteuer könnte ein Bumerang sein, wenn Ideologiepolitik die Oberhand behält. Denn digital ist Europa von den USA abhängig. Daraus ergibt sich wie in der Verteidigung die Aufgabe für die EU, massiv in Entwicklung von eigenen Alternativen zu Produkten von Microsoft, Alphabet, Nvidia etc. zu investieren. Aber auch in eigene Kommunikationsplattformen. Dafür gibt es einen zu wenig beachteten Ansatz – den 2023 vom ZDF initiierten Public Spaces Incubator (PSI). Neben den Mitgründern SRG, RTBF (Belgien), CBC (Kanada) beteiligen sich auch ARD und ABC (Australien) schon daran. Es geht um Tools zur Öffnung öffentlich-rechtlicher Websites für Publikumsdiskussionen.
Öffi-Labor für Publikumsdiskussion
Das Ganze verläuft langsam und so wissenschaftlich, wie es der Titel „Potenzialanalyse: Perspektiven für Digitalen Public Value im ZDF“ vermuten lässt, die soeben erschienen ist. Doch unter Druck und mit Unterstützung der EU könnte hier rasch eine Alternative zum gesellschaftlich bedenklichen Diskurs auf Social Media entstehen. Der ORF ist in ständigem Kontakt zu PSI. Die bestehende Gesetzesregelung im Onlinebereich erschwert es ihm aber, weiter zu gehen, heißt es vom Küniglberg. Dennoch ist auch Österreich direkt dabei. Leonhard Dobusch, aus Linz stammender Wirtschaftsprofessor an der Universität Innsbruck, ist als ZDF-Verwaltungsrat einer der massivsten Befürworter des Projekts.
Mit wie viel Know-how Österreich zur digitalen EU-Selbstermächtigung beitragen könnte, zeigt weniger die hiesige Digitalsteuer als Der Standard: Sein Forum ist mit 45.000 Postings pro Tag eines der größten im deutschen Sprachraum. Ein ORF-Forum wäre demokratiepolitisch gut, aber ein Konkurrent. Die Lösung läge in Private Public Partnership alias nationaler Kooperation.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 16/2025 erschienen.