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"Ich bin ein Nichts ohne Talent"

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Peter Sichrovsky

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Eine neue Tschaikowski-Biografie widerlegt Klischees und Mythen

Zu Lebzeiten sah sich der erfolgreichste russische Komponist mit arroganten Kritikern konfrontiert, die ihn ignorierten oder herablassend für künstlerisch wertlos erklärten. Der berühmte Dirigent Nikolay Rubinstein beschrieb Tschaikowskis Klavierkonzert als nicht spielbar, trivial, einfach schrecklich. Heute ist es eines der meist gespielten klassischen Konzerte. Nach der Premiere von ‚Schwanensee‘ schrieb ein Kritiker: „Diese sinnlosen Beinbewegungen, vier Stunden lang, sind eine reine Qual.“ Seit der Uraufführung 1877 begeistert es Generationen von Zusehern und Zuseherinnen.

Der vergessene Komponist César Cui hetzte gegen jedes seiner Werke, bis Tschaikowski seinem Bruder schrieb: „Ich bin ein Nichts und völlig untalentiert.“ Doch nicht die Qualität, der Erfolg trieb Konkurrenten und Kritiker zur Verzweiflung. Wie können Kompositionen von höchster künstlerischer Qualität so populär sein. Es widersprach ihrem elitären Verständnis von Kunst.

Tschaikowski war zu Lebzeiten bereits ein Star. Aufführungen seiner Kompositionen wochenlang ausverkauft. Die wichtigsten Theater überhäuften ihn mit Aufträgen. Es quälte ihn zwar der Zweifel nach jeder schlechten Kritik, doch genoss er die Popularität, und arbeitete einfach weiter.

Selbstmord

Jahrzehnte verbarg die Zensur Dokumente in Archiven, bis es Simon Morrison gelang, die Unterlagen zu sammeln und auszuwerten und viele der Mythen zu widerlegen. Es beginnt mit seinem Tod. Dramatisch in einer Verfilmung inszeniert, wie er absichtlich verdorbenes Wasser trinkt und an der Cholera stirbt. Andere behaupteten, er hätte sich mit Arsen vergiftet. Alles erfunden und erlogen. Er starb 1893 wie Tausende andere während einer Choleraepidemie innerhalb weniger Tage. Noch kurz vorher amüsierte er sich in fröhlicher Gesellschaft. Kein Wort in seinen Briefen von Depression und Selbstmord.

Morrison behauptet, dass auf Grundlage neuer Dokumente Tschaikowski bis zu seinem plötzlichen Tod glücklich und zufrieden lebte. „Er war homosexuell, aber seine Musik handelt nicht von seinem Schlafzimmer“, schreibt Morrison. Er war auch nicht der verrückte, kreative Chaot. Im Gegenteil, er arbeitete professionell und verlässlich. Den Theatern Bolshoi und Mariinsky lieferte er pünktlich die Werke in einer perfekten Ausarbeitung, sodass Regisseure und Dirigenten sofort mit der Arbeit beginnen konnten.

Unterstützung

1840 in Sankt Petersburg geboren, Sohn eines Ingenieurs. Der musikalische Einfluss kam von der Mutter. Er begann im Alter von vier Jahren mit dem Klavierunterricht, studierte Jus, arbeitete eine Zeit lang im Justizministerium, bis er sich voll auf die Musik konzentrierte. Viele Jahre lang finanziell unterstützt von Nadeschda von Meck, die das Geld ihres verstorbenen Gatten an Künstler verteilte, ohne Tschaikowski jemals getroffen zu haben, jedoch 14 Jahre lang mit ihm korrespondierte. Selbst die kurzfristige Ehe schien seine Schaffenskraft nicht unterbrochen zu haben. Morrison schreibt, dass Tschaikowski ein ruhiges, nahezu biederes, finanziell gut abgesichertes Leben geführt hatte und ihm nur eine Sache wichtig war: Komponieren, Komponieren, Komponieren …

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