Eine ereignisreiche Woche: Die Bewerber um die "Josefstadt" sangen vor einer umstrittenen Kommission vor. Der Presserat ist in einer hässlichen Causa gefordert. Und die "Burg" will weiter Geld von Teichtmeister
Womit ich heute gern aufhören würde – nämlich mit dem so unguten wie nötigen Grundsatzkonflikt in meiner Branche –, das lesen Sie eine Spalte weiter. Nur: womit anfangen? Ich weiß schon, ich habe Ihnen eine Bilanz der Burgtheaterdirektion Kusej versprochen. Aber, ehrlich, wollen Sie das noch lesen? Doch, eines noch: Sie erinnern sich, dass das Burgtheater das Versagen des Direktors in der Causa Teichtmeister dem bankrotten Verurteilten verrechnen wollte. Das Gericht hat die Schadenersatzklage – Gegenstand waren etwa Anwalts- und Umbesetzungskosten – bis auf einen Restbetrag abgewiesen. Dagegen beruft die "Burg" nun. Diese elende Geschichte, zu deren Halbfinale man Teichtmeister noch im Angesicht der Katastrophe mit Hauptrollen an die Rampe geschickt hat, soll nun also auch die neue Direktion vergiften. Ich an Stefan Bachmanns Stelle verbäte mir das.
Bleiben wir beim Theater im helleren Segment. Die "Josefstadt" hat gerade mit Goldoni und Thomas Arzt einen wahren Traumlauf. Derzeit tagt die Findungskommission für die Nachfolge Herbert Föttingers ab September 2026. Und die Zusammensetzung dieser Kommission, u. a. mit Volksoperndirektorin Lotte de Beer und der geschätzten Nationalbibliothekarin Johanna Rachinger, tadelt in dieser News-Ausgabe das namhafte Ensemblemitglied Robert Meyer. Er vermisst bei beiden Damen Kompetenz im Bereich des Sprechtheaters, bei Frau de Beer zudem jegliche Kenntnis des zu bemusternden Instituts. Und Kontinuität wäre im Fall der "Josefstadt" tatsächlich einzufordern. Große Namen haben sich nicht beworben, und dass ein sehr qualifizierter Kandidat aus dem Ensemble infolge Geschlechterdiskriminierung keine Chancen haben soll, glaube ich nicht: Kulturstadträtin Kaup-Hasler hat dem Zwang zur weiblichen Besetzung mehrmals mannhaft widerstanden, allerdings mit bisweilen grausamen Folgen. Also: Mut auch diesmal! Wobei die St. Pöltner Intendantin Marie Rötzer weiter zu favorisieren ist und Persönlichkeiten aus dem Autorentheater – Harald Posch, Sabine Mitterecker – zumindest je einen aufmerksamen Blick verdienen.
Einmal also noch zur anonymen Sudelkampagne gegen Lena Schilling. Die Sache ist glimpflich verlaufen, die begabte, couragierte junge Dame kann sich vor den eigenen Parteifreunden, die das Ganze angezündelt haben, nach Brüssel evakuieren. Und prognostizierbar streiten die zufurzgekommenen Hinterbliebenen intern derart, dass sie sich bis zur Herbstwahl vom niederen zweistelligen zum niederen einstelligen Bereich vorgearbeitet haben.
Das beliebte Ehepaar mit Geschäftsadresse in einer einsturzgefährdeten Gartenhütte hat gegen die neue Mandatarin noch schnell Klage eingebracht. Ein marketingtechnisch schlüssiges Vorgehen, bedenkt man, dass sich zu Affärenbeginn eine mit Lena Schilling geschlossene Schweigevereinbarung wie von Zauberhand durch die Redaktionen verbreitet hat. Nur eine allerdings, die des „Standard“, hat zugegriffen und unter Berufung auf 50 anonyme Zuträger aus dem grünen Miasma eine Kampagne eröffnet, die ich mir selbst gegen einen Todfeind versagen würde. Man ließ dann noch weitere Chat-Nachrichten folgen, denenzufolge Lena Schilling Hassgefühle gegen die Grünen einbekannt habe. Der „Falter“ hat nachrecherchiert, und die Sache war genau umgekehrt. Ich habe so etwas zuletzt 1983 erlebt, als das Fellner-Magazin „Basta“ dem Grün-Politiker Herbert Fux mit dem erfundenen Bekenntnis, 5.000 Hasen erfreut zu haben, das Mandat raubte. Jetzt allerdings fand der "Standard" branchenweit nur im U-Bahn-Eingangsbereich Gefolgschaft. Das Blatt hat dann auch noch den armen Biobauern Tom Waitz zur Vorzugsstimmenkabale gegen Lena Schilling ermuntert (er dürfte sich maximal symbolisch gesträubt haben, die bedeutungslose Delegationsleitung sei ihm gegönnt).
Aber, wichtiger, bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe sollte die Anzeige gegen den "Standard" beim Presserat in Erledigung sein. Und ohne dieses Gremium blind zu verehren, fände ich einen Freispruch verheerend. Wohin dann die Türen geöffnet wären, konnten wir am Vortag der Wahl studieren: Da unternahm ein Randsteinperiodikum ambitionierte Anstrengungen, seiner Buchstabiererschaft einen mittlerweile erloschenen Verleumder-Blog ans Herz zu legen. Alle, auch die unbeteiligten Betroffenen der Sudelkampagne wurden dort vorgeführt, eine riesige Strafe wäre das Mindeste, was selbst Weiterverbreitern blühen müsste. Die anonymen Urheber gaben sich als antikapitalistische Umweltaktivisten aus, Abnehmerschaft fanden sie allerdings fast exklusiv beim rechten Blogger-Mob. Willkommen zurück, geschätzter "Standard", aus dieser Gesellschaft.
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