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Der in Louisville (Kentucky) lebende Amerikaner entzieht sich konsequent den Marketingregeln der Unterhaltungsindustrie und veröffentlicht Tonträger nach Belieben, manchmal mehrere pro Jahr. Immer wieder geht er innovative Zusammenarbeiten mit anderen Künstlern ein. Während er an einem ganz anderen Album arbeitete, das er demnächst fertigstellen will, wie er im Zoom-Gespräch verrät, "passierte" ihm "The Purple Bird" (ab Freitag im Handel) - aus einer Freundschaft mit David Ferguson heraus, der u.a. als Toningenieur bei Johnny Cash' Sessions mit Rick Rubin fungierte. Herausgekommen ist ein Spektrum von Singer-Songwriter über Country und Polka bis hin zu einer keltischen Ballade.
Ferguson entfache bei jeder Begegnung ein musikalisches Feuer in ihm, schwärmt Oldham. "Wir kennen uns seit Jahren. Wir sind befreundet. Er ist Produzent, ich bin Liedermacher und Sänger. Irgendwie hat sich daraus ungeplant eine Zusammenarbeit ergeben", sagt Bonnie "Prince" Billy, der sonst so gut nie auf Produzenten setzt. "Das war eine komplett neue Erfahrung für mich." Wie auch die Entstehung der Songs, die Oldham gemeinsam mit Ferguson, den er "Ferg" nennt, und anderen Profis ausgearbeitet hat, nach einer Methode, die der schrullig wirkende, aber sehr freundliche und offene Künstler als "Nashville Institution Process" bezeichnete.
Um eine Erklärung dieses Prozesses gebeten, führt Oldham aus: "Man vereinbart einen Termin zum Songschreiben. Für das erste Lied traf ich mich um 10 Uhr in Tennessee mit Ferg und Pat McLaughlin (US-Singer-Songwriter, Anm.). Wir setzten uns im Appartement über Fergs Garage an den Küchentisch und plauderten über alles Mögliche - über das Leben, unsere Gesundheit, über Musik und über die Welt. Jeder hatte eine Gitarre, ein Notizbuch und etwas zum Aufnehmen dabei", sagt Oldham und zeigt auf sein Mobiltelefon in Einhorn-Schutzhülle ("die hat meine Tochter ausgesucht"). Langsam kristallisierten sich so Ideen für einen Song heraus: "Jeder arbeitet seine Version aus." Nach zwei Stunden kam das Kommando von Ferguson: "Ok, wir haben einen Song, lasst uns eine gemeinsame Arbeitsversion aufnehmen." Anschließend ging es zum Mittagessen.
Diesen Vorgang habe er mit Interesse verfolgt, betont Oldham. "Ich versuchte, Hinweise aufzuschnappen, was ich eigentlich tun muss, weil ich so noch nie gearbeitet habe", schmunzelt er. Wenn er über die mitwirkenden Musiker spricht, beginnen seine Augen zu glänzen: "Mit diesen Leuten zu arbeiten, war fantastisch. Ich fühlte mich wie Alice im Wunderland, einfach wunderbar. Diese Musiker füttern sich (im übertragenen Sinn) gegenseitig. Sie fütterten auch mich."
Auf moderne Produktionsweisen wurde bewusst verzichtet. "Wir sind nicht mit dem Vorhaben herangegangen, ein altmodisches Album zu machen", präzisiert Oldham. "Wir haben bloß Methoden angewandt, mit denen auch jemand in den Jahren 1967 oder 1975 vertraut gewesen wäre. Es gibt ja Computerprogramme, die behaupten, den Weg zum Album deiner Vorstellung verkürzen zu können. Aber jeder Schritt ist wertvoll und wichtig! Wir brauchen keine Abkürzung! Wir wollen keine Abkürzung! Ich will ein Album, über das ich sagen kann: 'Wow, schaut mal, wie viel Arbeit wir hier reingesteckt haben.'"
Die Texte der Lieder auf "The Purple Bird" mögen klar erscheinen, aber: "Unterschiedlichste Lebenserfahrungen und Ansichten sind eingeflossen, da wir gemeinsam geschrieben haben. Es sind simple Statements, die man im Gedanken immer wieder umdrehen kann, mit unterschiedlichsten Ergebnissen", so Oldham. Als Beispiel sei die Zeile "Tempted by the lure of a liar" (von der Verlockung eines Lügners in Versuchung geführt) im Eröffnungslied "Turned to Dust (Rolling On)" angeführt: "Ronnie (Bowman, US-Bluegrass-Musiker, Anm.) kam mit dieser Zeile daher. Ich saß mit ihm und Ferg am Küchentisch. Beide sind weiße Männer aus dem Süden in ihren Sechzigern. Wir haben überhaupt nicht über Politik gesprochen. Ich grübelte, wen er meinen könnte. Wenn ich diese Zeile singe, habe ich jemanden im Gedanken. Aber ist das dieselbe Person, an die Ronnie dachte? Ich weiß es nicht. Und das mag ich."
(S E R V I C E - www.dragcity.com/artists/bonnie-prince-billy)
LOUISVILLE (KENTUCKY) - USA: FOTO: APA/APA/David Kasnic/Domino/David Kasnic