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Nationalratswahl-Umfrage: Zweikampf oder Paarlauf

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Herbert Kickl

©CHRISTIAN BRUNA / APA / picturedesk.com
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In der aktuellen Sonntagsfrage zur Nationalratswahl von Triple M für News liegt die FPÖ mit 28 Prozent auf Platz eins. Doch ihr Abstand zur ÖVP (23 Prozent) schrumpft. Und, so meint Meinungsforscherin Christina Matzka: „Die ÖVP ist im Moment im Aufwind, weil sie es geschafft hat, einen Zweikampf zu inszenieren.“ Was die künftige Regierung betrifft, wünschen sich die Befragten am ehesten Blau-Schwarz. Die beiden Parteien rücken ohnehin inhaltlich immer näher zusammen.

Kraftmeierei gehört in Wahlkämpfen zum Standardrepertoire. Man inszeniert den Auftritt vor Massen. Ruft den ultimativen Zweikampf um den Sieg aus. Diskreditiert den unmittelbaren Kontrahenten. Schürt Emotionen. Und hofft, damit neben Stammwählerinnen und -wählern, derer man sich sicher wähnt, auch noch die Stimmen jener zu holen, die taktisch wählen. Etwa, weil sie einen Wahlsieg von Herbert Kickl und seiner FPÖ und einen daraus folgenden Regierungsbildungsauftrag verhindern wollen. Wer nicht Teil dieses Spiels ist, droht im Wahlkampffinish unter die Räder zu kommen.

Die FPÖ liegt vorn, die ÖVP holt auf

Kickl und ÖVP-Chef Karl Nehammer verfolgen genau dieses Konzept in den letzten Tagen des Wahlkampfs. Die schwarzen Funktionäre werden auf ein Ziel eingeschworen: Es sei noch möglich, die FPÖ vor dem Wahltag abzufangen und selbst Platz eins zu erringen. Die FPÖ wiederum ermahnt ihre Anhänger eindringlich, wirklich zur Wahl zu gehen. Es winkt schließlich ein historischer Wahlsieg, mit kaum absehbaren Folgen für die innenpolitische Landschaft Österreichs.

Meinungsforscherin Christina Matzka (Triple M Markt-und Meinungsforschung) hat für News erhoben, wie die Stimmungslage zu Beginn des Wahlkampffinales ist. Ihre Hochrechnung für die Sonntagsfrage ergibt folgendes mögliches Wahlergebnis: Die FPÖ liegt mit 28 Prozent auf Platz eins, dahinter die ÖVP mit 23 Prozent. Die SPÖ spielt im Kanzlerrennen kaum eine Rolle. Sie kommt auf 21 Prozent, also in etwa jenes Ergebnis, das sie 2019 erreicht hat, und verzeichnet auch in anderen Erhebungen einen Abwärtstrend.

© News/Matt Observe

Steckbrief

Christina Matzka

Christina Matzka ist Gründerin und Inhaberin des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Triple M. Sie hat für News die Umfrage über die Stimmung in Österreich und über die Nationalratswahl 2024 durchgeführt.

Gegenüber der Triple-M-/News-Umfrage von letztem Mai hat die FPÖ damit ein Prozentpunkt verloren, die ÖVP vier Prozentpunkte zugelegt. Ein Trend, der sich auch in der Frage, für welche Partei die Stimmung derzeit besonders günstig oder ungünstig sei, widerspiegelt. Waren im Mai noch 48 Prozent der Befragten der Meinung, die Stimmung für die ÖVP sei ungünstig, sagen das heute nur noch 29 Prozent. Allerdings: Die FPÖ verfügt, was die "günstige" Stimmung betrifft, über Bestwerte und konnte hier gegenüber der letzten Umfrage sogar noch zulegen.

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 © News

Spitzenkandidaten entscheidend

"Die ÖVP ist im Moment im Aufwind, weil sie es geschafft hat, einen Zweikampf zu inszenieren", sagt Meinungsforscherin Christina Matzka. "Sie profitiert vom doch überraschend guten Ergebnis bei der EU-Wahl, bei der sie besser abgeschnitten hat als gedacht. Ihr Spitzenkandidat Karl Nehammer wirkt staatstragender, ist von Skandalen nicht beschädigt, ,a guter Lotsch', wie man im Volksmund sagt, und daher für manche eher wählbar." Zudem hätten die jüngsten Wahlen - nicht nur jene für das EU-Parlament, sondern auch diverse Landtagswahlen - gezeigt, dass es eine Art Last-Minute-Mobilisierung für die ÖVP gebe. Sie hat deutlich besser abgeschnitten, als es die Umfragen in den Wochen davor vermuten ließen, während die FPÖ zumindest bei der EU-Wahl unter den Erwartungen blieb.

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Die Wähler sind sich sicher

78 Prozent der Befragten wollen sicher zur Wahl gehen. 57 Prozent jener, die bereits eine Parteipräferenz angeben, sind sich in ihrer Entscheidung "sehr sicher", 36 Prozent "eher sicher". Die deklarierten FPÖ-Wähler stechen bei dieser Frage heraus, 72 Prozent sind "sehr", 24 Prozent "eher" sicher, was ihre Stimmabgabe betrifft. Für sie ist auch der Spitzenkandidat bei ihrer Entscheidung deutlich wichtiger, als es bei den anderen Parteien der Fall ist, erklärt Matzka. "Die blauen Wählerinnen und Wähler werden wohl nicht akzeptieren, wenn Kickl bei einer Regierungsbeteiligung nicht die Hauptrolle spielt."

Trotz der Aufholjagd der ÖVP rechnet Matzka aus heutiger Sicht damit, dass die FPÖ auch am Wahlabend vorne liegen wird. ,,Das Rennen wird knapp, aber nur ein ausgeprägter Skandal in der FPÖ könnte den Wahlsieg noch gefährden. Allerdings wirkt Kickl viel kontrollierter als sein Vorgänger Heinz-Christian Strache. Er hat es auch geschafft, sich von den Skandalen früherer Jahre zu distanzieren, als hätte er nichts damit zu tun." Nochmals verweist Matzka auch auf die starke Mobilisierungskraft der ÖVP. ,,Sie wird weithin massiv unterschätzt."

Rote Not

Die anderen Parteien ringen in dieser Konstellation um Sichtbarkeit - und wie im Fall der SPÖ mit ihrem eigenen Versagen. 40 Prozent der Befragten sagen, die Stimmung für die Sozialdemokraten sei ungünstig, nur 14 Prozent halten sie für günstig, was angesichts der internen Turbulenzen der einstigen Kanzlerpartei wenig verwunderlich ist.

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Im Zeitraum der Umfrage war die SPÖ weniger wegen ihrer Politik als vielmehr wegen der Causa Luger und einem kritischen Mail der Wiener Spitzenkandidatin Doris Bures zum Wahlprogramm in den Schlagzeilen. Wer immer das Mail aus dem engsten Kreishinausgespielt hat, darf sich für ein schwaches Wahlergebnis mitverantwortlich fühlen. ,,Die Sozialdemokratie kann es sich eigentlich nicht leisten, nicht geschlossen aufzutreten. Aber kaum schweigt Hans Peter Doskozil, legt ein anderer in der SPÖ los", beschreibt Matzka die Situation.

Würde die SPÖ an einem Strang ziehen, gäbe es noch Chancen für sie, sagt die Meinungsforscherin. Allerdings müsste neben den Parteigranden auch der Parteichef selbst über sich hinauswachsen. Immerhin 18 Prozent der Befragten sagen, die SPÖ solle eine wichtigere Rolle in Österreich spielen, damit liegen die Roten auf Platz zwei, wenn auch deutlich hinter der FPÖ. ,,Diese Leute wollen die SPÖ in der Regierung haben, weil sie der Garant dafür ist, dass es keine Regierungsbeteiligung der FPÖ gibt", sagt Matzka. Allerdings müsste die SPÖ das im Wahlkampffinish noch deutlicher herausstreichen.

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Schlechte Aussichten für Grüne

Noch schlechter als jene der SPÖ schätzen die von Triple M Befragten allerdings die Lage der Grünen ein. 2019 wurden sie noch auf einer Welle der Sympathie für das Klimathema mit dem besten Wahlergebnis aller Zeiten zurück ins Parlament gebracht. Das schlechte Gewissen jener Grün-Wähler, die 2017 ,,ausgelassen" hatten, worauf die Ökopartei aus dem Parlament flog, mag auch eine Rolle gespielt haben.

Auch ohne Pleiten, Pech und Pannen wäre dieses Ergebnis kaum wiederholbar gewesen. Allerdings kostet die Grünen ihre Regierungsbeteiligung erheblich Sympathien. Schwarz-Grün ist die unbeliebteste Regierung, allerdings trifft das die Grünen im Wahlkampffinish offenbar härter als die ÖVP. Dazu kommt, dass selbst der heißeste Sommer der Messgeschichte dem Klimathema keinen Auftrieb verleiht. Auf die Frage, welches Thema den größten Einfluss bei der Nationalratswahl haben wird, nennen gerade einmal zwei Prozent als erstes "Klima und C02 -Belastung".

Von den grünen Regierungsmitgliedern hat Gesundheitsminister Johannes Rauch den besten Ruf. Die Aushängeschilder der Partei, Spitzenkandidat Werner Kogler und Klimaministerin Leonore Gewessler, polarisieren jedoch. Jeweils 43 Prozent der Befragten sagen, diese beiden machen "alles falsch". Nur drei Prozent würden Kogler bei einer Kanzlerdirektwahl ihre Stimme geben. Also nicht einmal die Hälfte der deklarierten Grün-Wählerinnen und -Wähler.

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Pinke Hoffnung

Erstmals könnten Neos bei einer bundesweiten Wahl die Grünen überholen. Christina Matzka sieht sie in der Hochrechnung Stand Anfang September bei 9,5 Prozent, die Grünen nur bei acht. Bei beiden Parteien sind die bisher deklarierten Wählerinnen und Wähler allerdings in ihrer Entscheidung am wenigsten gefestigt. Nur 41 Prozent der möglichen Neos-Wähler sind sich "sehr sicher", dass sie am 29. September tatsächlich eine pinke Wahl treffen werden. ,,Ein Warnzeichen", sagt Matzka. Denn genau diese Wählerinnen und Wähler sind es, die im Fall eines Kopfan-Kopf-Rennens von zwei oder gar drei Kandidaten ihr Kreuz woanders machen könnten.

Parteichefin Beate Meinl-Reisinger wirbt derzeit ostentativ damit, ihre Partei in die nächste Regierung führen zu wollen. Die Konstellation Schwarz-RotPink liegt allerdings in der Wählergunst nur an vierter Stelle. Da schneidet sogar noch die Dreier-Variante mit grüner Beteiligung etwas besser ab.

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Alles nur inszeniert?

Die Österreicherinnen und Österreicher haben bei ihren Koalitionspräferenzen einen Hang zu Blau-Schwarz. 21 Prozent der Befragten würden diese Regierungsvariante bevorzugen. Seitens der ÖVP gibt es Richtung Blau nur eine Vorgabe. ,,Nicht mit Kickl."

Wenn man sich allerdings an mehr oder weniger starke Abgrenzungsansagen der Schwarzen in Niederösterreich und Salzburg erinnert, als es in deren Wahlkämpfen ums Regieren mit der FPÖ ging, und in Betracht zieht, wie schnell und schmerzlos danach Regierungsübereinkommen unterzeichnet wurden, darf man auf die weitere Vorgangsweise der ÖVP gespannt sein.

Die FPÖ ihrerseits ist jedenfalls mit einem Wirtschaftsprogramm in Vorleistung getreten, bei dem so manch schwarzer Unternehmer und Industrieller blaue Herzchen in den Augen bekommt.

Gut möglich, dass der groß inszenierte Zweikampf zwischen ÖVP und FPÖ hinter den Kulissen schon längst zu einem Paarlauf in die Regierungsämter geworden ist.

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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 37/2024 erschienen.

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