Der erste Schnee des Jahres hat die Landschaft entlang der Silvretta-Hochalpenstraße in einen weißen Schleier gehüllt. Je näher man dem Berggasthof Piz Buin kommt, desto dichter wird dieser Schleier. Bei der winterlichen Oktoberkälte erscheint die Gaststube beim Betreten umso wohlig-wärmer. Hier auf 2032 Meter Höhe, und an der Grenze zwischen Tirol und Vorarlberg, wird Anfang Oktober traditionell das Murmelfest gefeiert. Murmeltiere, die für gewöhnlich als flauschige Bergtiere Postkarten und Souvenirs der Region zieren, werden hier in der Suppe und als Braten serviert.
Das Murmelfest als Familientradition
Der Familienbetrieb beim Silvrettasee wird in der zweiten beziehungsweise dritten Generation geführt. Gastronom Peter Oberschmid geht eine Runde und begrüßt jeden der rund 140 Gäste persönlich. "Meine Großmutter hat das alljährliche Murmelfest vor rund 50 Jahren eingeführt", erklärt der Junior-Chef. Anfangs trafen sich nur die Familienmitglieder und enge Freunde, um das Murmeltier zu verspeisen. Die Söhne waren Jäger und brachten im Herbst, wenn die Nagetiere sich bereits ihren Winterspeck angefressen hatten, die Beute von der Jagd heim. Nach und nach wurde das Interesse an der Delikatesse größer und die alljährliche Runde wuchs an. Seit 25 Jahren feiert das Hotel nun offiziell das Murmelfest. Es sind zumeist Einheimische, aber auch der ein oder andere Tourist verirrt sich aus Neugierde zu den Feierlichkeiten.
Im September wird die Jagd eröffnet
Der Termin für das kulinarische Fest ist pragmatisch gewählt. Im September dürfen im Jagdgebiet rund um Galtür genau 120 Murmeltiere geschossen werden. "Diese Zahl wird jedes Jahr erlegt", so Oberschmid, "die Anzahl der Tiere wird auch nicht weniger. Das Murmeltier ist ein Nagetier und die vermehren sich relativ gut." In Europa leben Murmeltiere im Hochgebirge, vor allem in den Alpen. In Deutschland sind die Tiere geschützt, nicht so in der Schweiz und in Österreich. Die Murmeltierjagd hat in Tirol und Vorarlberg eine lange Tradition. In der Bergregion wachsen wenig nahrhafte Pflanzen, Kühe hat man zum Verkauf gezüchtet, das Fleisch kam von der Jagt und "da hat man das Murmeltier teilweise sogar ausgegraben". Gut zubereitet gilt Murmeltierfleisch als Delikatesse.
Weg mit dem Fett
Heutzutage bringen Jäger aus der Region ihre Murmeltierbeute zum Berggasthof Piz Buin, wo die Köche die Tiere häuten und zubereiten. Das besondere Schmankerl auf dem Murmelfest ist der Murmelbraten "Irmas Art", benannt nach der Großmutter, die das Fest einst erfand. Das Fleisch wird angebraten und schmort dann einige Stunden in der eigenen Soße. Die Zubereitung ist durchaus aufwendig, was auch ein Grund dafür ist, dass die Delikatesse heute nur noch selten serviert wird. Auf dem Teller landen hauptsächlich der Rücken und die Schulter oder Hüfte mit den Schenkeln. "Die anderen Teile sind zu klein beziehungsweise man kann es nicht weiter zerlegen, ähnlich wie beim Hühnchen", erzählt Oberschmid. Geschmacklich hat das Murmeltier aber nichts mit dem Huhn gemeinsam. Es ist ein ganz eigener erdiger Wildgeschmack, der im Fett des Tieres besonders intensiv ist. "Das zerlegte Murmeltier wird sehr penibel vom Fett getrennt", beschreibt der Geschäftsführer des Gasthauses. Das Fett wird dann separat gekocht und zu Murmeltiersalbe oder -öl verarbeitet. Traditionell wird dies als natürliches Heilmittel verwendet, dem schmerzlindernde und entzündungshemmende Eigenschaften zugeschrieben werden. Das Öl kann natürlich im Hoteleigenen Souvenirshop erstanden werden.
Wer sich nicht an den Murmeltierbraten herantraut, der kann beim Fest anderes seltenes Fleisch wie Steinbock oder Fasan verköstigen und auch für Vegetarier ist immerhin ein Gericht dabei. Abseits vom Nachtisch darf in Galtür aber vor allem eins nicht fehlen: der Enzian. Ein Glas Enzianbrand oder Galtürer Genzner - auf der Karte als "Der Gin der Berge" bezeichnet - schließt den Magen und den Abend.
Kommentare
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LautgedachtMi., 11. Okt.. 2017 13:00meldenantwortenErst kommt das Fressen und dann die Moral, sagte schon Berthold Brecht. Empathie und Mitgefühl für andere Lebewesen scheint bei den beteilgten Personen fehl am Platz zu sein. Einfach unerträglich und ein Zeichen niederer Intelligenz.
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