Medizin als Medium – in ihrer informellen Arbeit thematisiert die Künstlerin Monika Kus-Picco Missstände der Pharmaindustrie. Eine Forschungsreise, die bis zu ihren Wurzeln in den brasilianischen Regenwald führt. Von 3. bis 8. Dezember sind ihre experimentellen Werke zum wiederholten Mal auf der Art Miami zu sehen.
Wenn die Kunstwelt Anfang Dezember nach Miami blickt, fallen unter den zeitgenössischen Positionen auch drei Arbeiten der österreichischen Künstlerin Monika Kus-Picco ins Auge. Was auf den ersten Blick vielleicht im Entfernteren an Actionpainting á la Pollock erinnern vermag, überführt Betrachtende auf den zweiten, den genaueren Blick in die Welt der Medizin. Es sind pharmazeutische Rückstände, die sich unter die tachistischen Farbflächen medizinischen Pigments mischen. Die gezeigten Arbeiten sind Sinnbild dafür, dass sich ihr medizinisches Wirkungsfeld nicht ausschließlich auf Ansätze der Schulmedizin beschränkt – während eines der präsentierten Werke rudimentäre Spuren natürlichen Ursprungs erkennen lässt, weist ein anderes kristalline Strukturen auf. Daraus ergibt sich ein künstlerisches Narrativ in einem Spannungsfeld zwischen westlicher Schulmedizin, Heilpraktiken indigener Bevölkerungsgruppen sowie alternativer Heilmethode.
Out of Brazilian Rainforest
In ihrer aktuellen Arbeit widmet sich Kus-Picco vorrangig der Gegenüberstellung traditioneller Heilmethoden indigener Völker des Amazonas und der westlichen Schulmedizin. Dafür begibt sie sich immer wieder auf eine Art Forschungsreise, die sie zurück zu ihren eigenen Wurzeln im brasilianischen Regenwald führt. Die präsentierte Arbeit „Out of Brazilian Rainforest“ (100 x 140 cm) steht stellvertretend für eine Werkgruppe, die anhand traditioneller, natürlicher Arzneimittel – wie sie die indigene Bevölkerung der Region Manaus seit jeher einsetzt – sozio-kulturelle Unterschiede von Medizinsystemen aufzeigt.
Salt on our Skin
Ebenso finden sich im OEuvre der Künstlerin immer wieder Bilder, die alternative Heilmethoden unserer Breiten thematisieren. Waren es in der Vergangenheit vor allem Nahrungsergänzungspräparate, die in Kus-Piccos Arbeit Einzug fanden, experimentiert sie in einer ihrer jüngsten Serien mit Badesalzen. In „Salt on our Skin“ (100 x 140 cm) treffen Badezusätze auf medizinische Produkte und werden Symbol eines synergetischen Zusammenwirkens.
Under Water Love
Sich überhaupt erst medizinischen Themen zu widmen, liegt in Kus-Piccos Biografie: Die frühe Demenzdiagnose ihrer Mutter führte bereits 2014 in ihren damaligen Hauptmedien – der Acrylmalerei und der Fotografie – zu einer Auseinandersetzung mit der Krankheit. Für Kus-Picco eine Art Reflexion. Zwei Jahre wird Demenz zum Hauptfokus ihrer Arbeit. Doch der Zugang veränderte sich: „Ich dachte mir, warum nur über Medizin und nicht auch mit ihr arbeiten? Seither ist die Medizin mein Material."
„Under Water Love“ (140 x 100 cm) heißt die in Miami präsentierte Arbeit, die stellvertretend für Kus-Piccos künstlerische Grundidee steht. Ein Zugang, der kritisches Sprachrohr ist: „Als Künstlerin habe ich die Möglichkeit, Missstände der Pharmaindustrie ohne Konsequenzen zu thematisieren“, erklärt sie die Motivation hinter der Ausschließlichkeit, mit der sie sich ans Werk macht. So trifft in „Under Water Love“ Methylenblau, eines ihrer Hauptpigmente, das normal in der mikroskopischen Diagnostik eingesetzt wird, auf Viagra. Konkret spielt sie damit auf Marketingstrategien der Pharmaindustrie an: „Während das männlich konnotierte Blau für potenzsteigernde Präparate eingesetzt wird, sind abhängig machende Beruhigungsmittel, die – was kaum jemand weiß – bei langfristiger Einnahme, wie im Falle meiner Mutter, das Demenzrisiko signifikant erhöhen, rosa.“
Durch diese Kontextualisierung ihrer zumeist seriellen Arbeiten verfolgt Kus-Picco ein klares Ziel: „Durch interdisziplinäres Forschen möchte ich anschauliche Erfahrungen mit den Produkten der Pharmaindustrie schaffen und die Zusammenhänge zwischen sozialen Systemen, Geschlechtern und regional-kulturellen Unterschieden ergründen – so geht es mir beispielsweise darum, auf den Massenverkauf bunter Medikamente in den USA aufmerksam zu machen oder das Thema Gendermedizin vermehrt in den Fokus zu rücken", so die Künstlerin. „Wenn es mir gelingt, nur eine einzige Person vor derartigen Missständen zu bewahren, habe ich mein Ziel bereits erreicht."
Ein Thema von globaler Bedeutung: Hierzulande verschafft man Kus-Piccos Arbeit nicht nur in Kunstkreisen Gehör, sondern etwa auch an der Akademie der Wissenschaften – dass die dritte Präsentation in Miami die internationale Durchsetzung weiter vorantreiben wird, steht in Anbetracht der gesellschaftspolitischen Relevanz ihrer Arbeit außer Frage.