Ein kleines Statement mit großer Wirkung. Auf die Kleidung gestickte Monogramme haben eine lange Tradition. Heute erleben sie neuen Aufschwung. Was sagt die Stickerei auf dem Hemd aber über den Träger desselben aus? Und worauf ist dabei zu achten? Die Stilberaterin Bettina Kohlweiss steht Rede und Antwort.
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Immer mehr Männer lassen sich heute wieder ein Monogramm auf ihr Hemd sticken. Woher kommt diese Tradition?
Stickereien im Allgemeinen gibt es schon sehr lange in der Menschheitsgeschichte. Hierzu gibt es Zeugnisse aus dem alten China, Indien oder Ägypten. In Europa wurde diese Textilveredelung zunächst in Klöstern für geistliche Gewänder sowie für Kirchenschmuck wie Altartücher angewandt. Zudem verfügten Herrscher über bestickte Kleidung wie einen bestickten Krönungsmantel, um ihren Status zu demonstrieren. Im Mittelalter waren bestickte Kleidungsstücke demnach geistigen Würdenträgern und weltlichen Herrschern vorbehalten.
Es ging also in erster Linie darum, seinen Status zu demonstrieren?
Stickereien dienen einerseits der Dekoration und andererseits der Kommunikation von Besitz, Status, Zugehörigkeit oder Botschaften. Bestickte Kleidung war auf jeden Fall ein Statussymbol, da es zeigte, wer man ist. Nach und nach breiteten sich Stickereien auch in anderen Bevölkerungsschichten aus. So wurden Monogramme zunächst von Adeligen verwendet, später dann auch vom gehobenen Bürgertum. Monogramme galten und gelten als Zeichen kultivierter Lebensart, und so wurden im Haushalt Bett-, Tisch- und Leibwäsche mit Monogrammen versehen. Das hatte zudem einen praktischen Nutzen: Man kann die einzelnen Stücke beim Waschen und Bügeln nicht verwechseln.
Und welcher Nutzen steckt heute dahinter?
Hemden werden aus unterschiedlichen Gründen bestickt. Denken Sie zum Beispiel an Uniformen, Messe- und Firmenkleidung, Sportkleidung oder Privatkleidung. Unternehmen statten ihre Mitarbeitenden mit Hemden, Blusen oder Polos aus, an denen das Logo, ein Slogan, ein Motiv oder der Name des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin aufgestickt ist. Hier wird die Arbeitskleidung Teil der Corporate Identity, damit die Zugehörigkeit auf den ersten Blick wahrnehmbar ist. Auf diese Weise wird bei den Mitarbeitenden auch das Wir-Gefühl gestärkt.
Und wie sieht es im privaten Bereich aus?
Ursprünglich hat man Kleidung mit Monogrammen versehen, um sie dem Träger zuordnen zu können. Heute sind die Haushalte kleiner, daher tritt diese Funktion in den Hintergrund. Heute lassen Privatpersonen ihre Anfangsbuchstaben auf ihr Hemd sticken, um Individualität auszudrücken und um ein Unikat zu tragen. Außerdem geht es darum zu zeigen, dass sie Wert auf ihre Kleidung legen, einen persönlichen Bezug zu ihrer Kleidung haben und sie es sich selbst wert sind, individualisierte Hemden zu tragen. Das heißt Qualitätsbewusstsein, Sorgfältigkeit und Stilgefühl zeichnen diese Hemdenträger aus.
Das heißt, wer ein Monogramm trägt, hat Stil?
Nicht zwingend. Mittlerweile kann man Monogramme auch auf sehr günstige Hemden von der Stange sticken zu lassen. Insofern zeugen Monogramme alleine nicht automatisch von Stilbewusstsein.
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So oder so geht es aber darum, sich von anderen abzuheben.
Individualität ist ein ganz großes Thema. Ein weißes Hemd ist nicht bloß ein weißes Hemd, sondern "mein Hemd", das "mein Monogramm" zeigt. Man trägt nicht irgendein Hemd, sondern sein ganz persönliches. Damit zeigt man natürlich auch, dass man es sich leisten lassen kann, ein individualisiertes Hemd zu tragen. Denn: Das gewöhnliche Hemd kann jeder tragen, ein individualisiertes ist einzigartig und kann nicht von jedem getragen werden. Für einige symbolisiert das bestickte Hemd auch die Zugehörigkeit zu einer gehobenen sozialen Schicht - wie es eben früher üblich war. Der Wunsch zu zeigen: "Das ist meins und damit hebe ich mich von anderen ab" ist sicher stark ausgeprägt.
Was allerdings nicht bei jedem gut ankommt ...
Auf andere können Träger von Hemden mit Monogramm konservativ bis spießig oder aber abgehoben wirken. Darüber hinaus wird Monogrammträgern durchaus auch Eitelkeit und Egozentrik nachgesagt. In diesem Zusammenhang ist sicher auch zu überlegen, an welcher Stelle beziehungsweise wie sichtbar man das Monogramm auf das Hemd sticken lässt.
Welche Möglichkeiten gibt es hier denn?
Firmen-Hemden werden gerne am Kragen, auf der linken Brusttasche oder am Rücken bestickt. Monogramme werden gerne an den Manschetten, links auf Brusthöhe oder links oberhalb der Gürtellinie angebracht. Wie sichtbar das Monogramm ist, ist abhängig von der Größe wie auch von der Zwirnfarbe: In der Farbe des Stoffs wirkt das Monogramm dezent und eleganter, in einer Kontrastfarbe wird es deutlich sichtbarer.
Seit wann ist das Tragen bestickter Hemden wieder in?
Das Besticken von Kleidung im Allgemeinen nahm gerade in den letzten Jahren deutlich zu. Hemden werden dabei in erster Linie mit Logos oder mit Monogrammen versehen. Abgesehen davon ist ein Trend hin zu maßgefertigten Hemden zu erkennen. Das liegt daran, dass immer mehr Wert auf Individualität und Nachhaltigkeit gelegt wird. Zudem geht es um den Wunsch, sich etwas Besonderes zu gönnen, indem man das Hemd nach eigenen Vorstellungen anfertigen lässt. Dies hat für viele Männer an Bedeutung gewonnen.
In welchen gesellschaftlichen Kreisen bewegen sich Männer, die bestickte Hemden tragen?
In der Regel befindet sich die Person gesellschaftlich beziehungsweise beruflich in einer besonderen Position. Oder aber sie strebt eine solche an. An dieser Stelle will ich aber betonen, dass bestickte Hemden keinesfalls ein Muss sind, um eine solche Stellung einnehmen zu können.
Wodurch zeichnet sich der Kleidungsstil von Monogrammträgern sonst noch aus?
Männer mit bestickten Hemden haben meist einen sehr klassischen Kleidungsstil. Ein Anzug beziehungsweise das Sakko gehören für gewöhnlich zu ihrem Alltags-Outfit dazu.
Welche Möglichkeiten haben Frauen, sich auf entsprechende Art und Weise modisch auszuzeichnen?
Monogramme kann man auch auf die Bluse sticken lassen. Dabei handelt es sich in der Regel aber um die klassische Bluse, die nicht sehr modisch ist. Bei Frauen in oberen Management-Positionen beziehungsweise in Branchen, in denen ein strengerer Business-Dresscode und ein elitärerer Auftritt gewünscht sind, kommen mitunter Business-Blusen zum Einsatz. Hier können Monogramme durchaus ein Thema sein.