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Michael Baminger: „Die Politik muss den Menschen sagen, woran sie sind“

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Die Energiewende ist ein Kraftakt, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Der Chef der Salzburg AG, Michael Baminger, erklärt im Interview, wie sie gelingen kann, warnt aber auch vor zweifelhaften Versprechen wie „Die Sonne schickt keine Rechnung“. Diese könnten die Zustimmung zur Energiewende schwächen

Die bisherige Regierung hat die erneuerbaren Energien forciert. Was wünschen Sie sich von der nächsten?

Die Transformation des Energiesystems ist eine große Übung, mit der wir auch in der kommenden Legislaturperiode nicht fertig sein werden. Was wir brauchen: erstens, am Kundennutzen orientierte Regeln wie etwa ein Preisanpassungsrecht. Ich finde es lächerlich, dass es nicht gelingt, ein Rechtssystem zu schaffen, in dem Lieferanten und Kunden ­genau wissen, wie eine Preisanpassung funktioniert. Oder die Stromrechnungen. Die sind kompliziert – nicht, weil wir das so wollen, sondern weil es wahnsinnig viele rechtliche Regularien gibt. Das lässt sich mit einem Absatz im Gesetz ändern. Nächster Punkt: Bei der Salzburg AG stehen Investitionen von 1,7 Milliarden Euro bevor. Wir brauchen stabile Rahmenbedingungen, die sich nicht alle zwei, drei Jahre ändern. Wir brauchen schnellere Behördenverfahren. Wenn wir Wasserkraft, Windkraft, Photovoltaik und Netzausbauten machen sollen, und das rasch, dann dürfen Verfahren nicht zehn Jahre dauern. Und noch etwas mit ein bisschen Pathos: Wir brauchen eine klare und ­offene Kommunikation. Die Politik muss den Menschen sagen, woran sie sind. Der Satz „Die Sonne schickt keine Rechnung“ wird uns noch Sorgen bereiten, weil ­etwas insinuiert wird, das falsch ist.

Weil PV-Anlagen und Netze Geld kosten, bevor der Sonnenstrom fließt.

Genau. Und was die Königsdisziplin bei der Energiewende sein wird: Sie müssen auch Strom liefern, wenn Sie durch die Sonne gerade keinen erzeugen, und ­jenen Strom, den Sie kriegen, wenn ihn keiner braucht, in die anderen Zeiten bekommen. Eine Studie unserer Branche hat ergeben, dass wir bis 2040 doppelt so viel Strom brauchen werden. Um diesen zu bekommen, brauchen wir dreimal so viel Leistung. Eben weil der Strom aus Erneuerbaren nicht immer da ist. Das alles kostet etwas.

Was bewirkt „Die Sonne schickt keine Rechnung“ bei den Leuten?

Die Menschen können rechnen. Sie werden sehen, dass die Stromrechnung – jedenfalls zwischenzeitlich – höher wird. Jeder Kunde zahlt die Förderungen für die Erneuerbaren mit. Die wurden während der Energiekrise großteils ausgesetzt, kommen aber ab Jänner wieder. Dann werden wir womöglich Commitment zur Energiewende verlieren. Die Energiewirtschaft umzubauen, ist ein riesiger Veränderungsprozess. Wenn man da anfängt, mit Plattitüden zu ­operieren, wird das nicht gut gehen.

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 © Neumayr/Christian Leopold

Das Bedürfnis nach einer Energiewende ist groß und hat durch die Energiekrise nochmals an Fahrt gewonnen.

Sie planen in Salzburg erste Windkraftanlagen. Wie ist da die Stimmung? In Kärnten braucht es eine Volksbefragung über Windräder.

In Salzburg gibt es eine deutlich positive Stimmung. Das Bedürfnis nach einer Energiewende ist groß und hat durch die Energiekrise nochmals an Fahrt gewonnen. Natürlich wird es Menschen geben, die das nicht gut finden. Wo es Betroffenheiten gibt, muss man darauf Rücksicht nehmen. Aber grundsätzlich wünschen sich die Menschen sogar mehr Tempo.

Und sind damit weiter als die Politik?

Grundsätzlich gilt für Behörden und Unternehmen: Wenn die Menschen Tempo aufnehmen, sind sie schneller als wir. Das zeigt der PV-Boom. Früher hat man mit erhobenem Zeigefinger erklärt, jeder braucht eine PV-Anlage. Man hat über Zwangsrechtseinräumungen auf private Dächer diskutiert. Sobald die Menschen festgestellt haben, dass sich PV rechnet, hat sich das von selbst entwickelt.

Das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz ist gescheitert. Ein Problem?

Es gibt beim Ausbau erneuerbarer Energien auch widerstrebende Interessen. Da darf es nicht ewig dauern, bis ausgeredet ist, wer recht hat. Da wäre es schon ein wichtiger Akt, das öffentliche Interesse an der Energiewende zu verankern und es höher zu gewichten. Das muss rechtlich geregelt werden.

Haushalte sollen sich an die Fernwärmenetze anschließen. Es gibt aber die Kritik, dass die Energie­versorger ein Monopol haben.

Ich bin über die Debatte insofern überrascht, als doch grundsätzlich selbst­verständlich ist, dass ein Haushalt nur an ein einziges Fernwärmenetz angeschlossen werden kann. Daraus entsteht so etwas wie ein natürliches Monopol. Was mich ein bisschen stört, ist: Man macht Spielregeln, und dann sagt man den Spielern, also uns, wir sollen uns nicht wirklich daran halten. Das passiert auch bei den Strompreisdebatten. Wenn man bei der Fernwärme der Meinung ist, dass das nicht gut funktioniert, kann man im jeweiligen Land eine Preisregulierung einführen, die aber dann in beide Richtungen wirkt. Das würde bedeuten, dass auch kundenorientierte Spielräume nicht mehr da sind.

Spielraum für eine Preissenkung?

Es wird am Ende schwierig, wenn es eine Regulierung gibt, die an den Kosten­entwicklungen vorbeireguliert. Fernwärme ist zentral dekarbonisierbar, im Gegensatz zu einzelnen Gasheizungen. Das halte ich für einen großen Hebel. Andererseits ist sie infrastrukturintensiv, man braucht Leitungen. Wenn die da sind, sind die Grenzkosten überschaubar und sie ist komfortabel aus Kundensicht. Aber: Wenn der Biomassepreis steigt, wird das irgendwann im System aufschlagen. Das wird man nicht ewig wegregulieren können. Als Unternehmen kann man diese Dinge austarieren, aber wenn es eine Preisregulierung gibt, gelten am Ende diese Regeln.

Es ist kein Grund zur Panik, aber die Krise abzusagen, wäre zu früh.

Im Burgenland garantiert das Land einen Energiepreis von zehn Cent netto für 20 Jahre. Würden Sie das auch tun?

Ich kenne das Angebot noch nicht im Detail. Grundsätzlich ist aber zu sagen, dass es dann gilt, wenn Strom aus den Erneuerbaren Sonne und Wind verfügbar ist. Sie brauchen also noch einen Lieferanten für die anderen Zeiten. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich auch gerne einen Preis für einen langen Zeitraum garantieren. Aber wenn ich eine lange Preisbindung garantiere, muss es auch die Sicherheit geben, dass der Kunde lange bei uns bleibt. Das Konsumentenschutzrecht limitiert diesen Zeitraum auf ein Jahr. Wenn der Kunde jederzeit entscheiden kann, zu gehen, gibt es keine Planungs­sicherheit und ein höheres Risiko. Wir haben in der Energiekrise gesehen, wie schnell Risiken sehr groß werden können.

In der Energiekrise wurde der Preisdeckel gefordert. Soll man einen Grundbedarf so auf Dauer absichern?

Die Frage ist: Will man regulierte Preise für Strom, Miete, Brot und andere Be­reiche, wo Grundbedürfnisse tangiert sind? Weg von der Marktwirtschaft, hin zu planwirtschaftlichen Ansätzen? Ich glaube, dass es Marktwirtschaft mit klaren Regeln braucht, denn wir wissen seit der Krise, dass sie versagen kann. Unsere Branche hat einen Vorschlag gemacht, wie man in Marktprozesse eingreifen kann, um extreme Aufschläge zu mitigieren. Das hat man halt nicht gemacht.

Es ging um das viel zitierte Merit-Order-System. Wurde das missbraucht?

Die Merit Order ist völlig mystifiziert worden. Alle Studien, die ich kenne, sagen, dass sie das effizienteste Modell ist. Aber sie ist nicht krisenfit. Wenn eine Aktie im freien Fall ist, setzt man den Handel aus. Genauso sollte man bei einer Energiekrise befristet im Markt intervenieren können. Etwa, dass die Kosten eines preissetzenden Gaskraftwerks durch Subvention reduziert werden –damit würde der gesamte Strompreis signifikant sinken. Der hohe Gaspreis war ja das Problem.

Am Beginn der Krise stand der Angriff Russlands auf die Ukraine. Der dauert an, zudem dürfte über die Pipelines durch die Ukraine bald kein Gas mehr kommen. Wie wirkt sich das aus?

Die extreme Nervosität an den Märkten ist zurückgegangen. Die Speicher in ­Österreich sind zu über 90 Prozent voll. Auf diesen Winter ist man vorbereitet. Aber Österreich hängt noch von Lieferungen aus dem Osten ab. Solange das so ist, beginnt nach dem ganz gut abgesicherten Winter die Vorbereitung auf den nächsten. Es ist kein Grund zur Panik, aber die Krise abzusagen, wäre zu früh.

Es heißt, die Netze seien durch die Energiewende instabil. Ist Angst vor einem Blackout berechtigt? Wie viel Mineralwasser haben Sie gebunkert?

Wir gehen davon aus, dass das Stromnetz sicher ist. Ein Blackout wäre nur wahrscheinlich, wenn es Sabotageakte gibt. Wobei man darüber diskutieren kann, ob das bei einem Krieg vor der Haustür wahrscheinlich ist oder nicht. Ich halte es grundsätzlich für gescheit, wenn Haushalte eine gewisse Resilienz haben. Also wir haben Mineralwasser zu Hause und auch ein Stück Seife. Aber nicht, weil wir uns vor dem Blackout fürchten.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 45/2024 erschienen.

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