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Psychotherapeut zu Meghan & Harry: "Wer die Schuld hat, hat auch Macht"

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"Megxit" - Psychotherapeut zu Meghan & Harry: "Wer die Schuld hat, hat auch Macht"
©Bild: Tolga AKMEN / AFP
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Der Psychotherapeut und Leiter des Sindelar Center in Wien, Christoph M. Sindelar, analysiert die psychologischen Mechanismen, die Meghan Markle zur Buhfrau und Prinz Harry zur ihr willenlos folgenden Marionette machen.

Wie aktuell Meghan Markle ging es bereits zahllosen Frauen vor ihr: Ihre Taten unterschieden sich nicht von jenen der Männer, und doch einigte sich die Gesellschaft in stillem Einvernehmen, dass die Schuld bei den Frauen zu suchen sei. Der Psychotherapeut und Leiter des Sindelar Center in Wien, Christoph M. Sindelar, analysiert die psychologischen Mechanismen, die Meghan Markle zur Buhfrau und Prinz Harry zur ihr willenlos folgenden Marionette machen.

#1 Was führt zum ewigen Märchen von der bösen Hexe? Warum bekommen im Zweifelsfall die Frauen die Schuld zugewiesen, als hätten beteiligte Männer nichts damit zu tun?

Vorab ist wichtig zu sagen, dass Schuldsein auch die Macht beinhaltet, Situationen entsprechend zu entscheiden. Wer sich der Schuldfrage entzieht, ist Passagier. Positiver formuliert, wäre dies mit Verantwortung gleichzusetzen. Meghan Markle wird als die Schuldige gesehen. Damit wird ihr auch viel Macht zugeschrieben und es mutet an, als wäre ihr diese zumindest nicht unangenehm. Frauen scheinen schon historisch gesehen einen Hang dazu zu haben, "schuld" zu sein. So macht auch der beinahe verstaubte Spruch "Hinter jedem starken Mann steht eine noch stärkere Frau" wieder Sinn.

Interessant hierbei ist, dass der doch eher dem männlichen Stereotyp zuzuschreibende Narzissmus, die Entscheidung zu verkünden und damit in der Öffentlichkeit zu stehen, meist noch immer tatsächlich dem Mann zukommt. Und noch immer heißt es dann, "der steht seinen Mann","der hat eine Meinung","der traut sich, anzuecken","ein Mann mit Profil und Kanten". Wohingegen Frauen hier meist als die "verräterischen, manipulativen Schlangen" im Hintergrund dargestellt werden.

Vermutlich einzig und allein ob der Tatsache, dass sie pragmatischer agieren und die Außendarstellung für sie weniger im Vordergrund steht, sondern vielmehr das Erreichen des gewünschten Ziels. Man kann also durchaus feststellen, dass dies viel mehr über die Zielstrebigkeit und die klaren Vorstellungen dieser Frauen aussagt als über deren Hinterhältigkeit. Sie scheuen sich eben auch seltener, "schuld" zu sein, und erreichen damit meist viel.

#2 Was sagt die Schuldzuweisung an die Frauen über unser Männerbild aus?

In der erwähnten Darstellung ist das männliche Rollenbild ein sehr schwaches, manipulierbares und wenig selbstständiges. Analytisch betrachtet, konnte die Ablösung von der bestimmenden, halt-und strukturgebenden Instanz der Mutter nur durch den Ersatz einer mindestens ebenso starken Frau geschafft werden, was dazu führt, dass es keine pubertäre Rebellion seitens des Mannes gegenüber dem beherrschenden Mutterbild gab. Womit auch kein eigenes, erwachsenes und haltbares Wertesystem und Selbstwertgefühl geschaffen wurde, um eine eigene Meinung zu haben, zu vertreten und dazu zu stehen.

Tatsächlich stellt sich das aktuelle Männer-Rollenbild sehr bipolar dar. Immer mehr entwickelt es sich in die Richtung der Pole des "Nerds und besten Freundes" und des "Machos und Womanizers". Immer weniger findet die Suche nach dem Mannsein in den Grautönen und bunten Färbungen dazwischen statt.

Dabei bräuchte es ebensolche "starken" Männer, die sehr wohl auch ihre "weichen" Seiten verstehen und präsentieren, ohne dabei ins Süßliche, Haltlose zu verschwimmen.

Die Herausforderung beginnt hier bei den Vätern, die ihren Söhnen Vorbild sein können, wenn es darum geht, ein Männerbild der nächsten Generation mitzugestalten und zu leben: dass es sehr wohl "starke" Männer geben kann und muss, die sich selbst und ihre Emotionen verstehen, leben und zeigen.

#3 Beobachten Sie eine Veränderungen dieser Klischees?

Wahrzunehmen ist, dass geschlechtsunabhängig eine Generation heranwächst und herangewachsen ist -bzw. in der relativ neu geschaffenen Entwicklungsphase der "emerging adulthood" steckt -, die so viele Chancen und Möglichkeiten der Entfaltung vorfindet wie selten eine Generation zuvor. Die jedoch beinahe gelähmt erscheint ob des fehlenden Vertrauens in sich selbst, wenn es darum geht, diese Herausforderung der Selbstfindung und -entfaltung auch meistern zu können. Auch deshalb bleiben viele ewig auf der Suche nach sich selbst.

Hier bemerken wir das Heranwachsen vieler "verzärtelter Kinder" frei nach Alfred Adler. Gemeint ist hier nicht das Überbefriedigen eines Zärtlichkeitsbedürfnisses, sondern vielmehr: dass versäumt wurde, die Kinder Probleme, die sie selbst zu lösen imstande sind, auch selbst lösen zu lassen.

Scheitern, weitermachen, wieder scheitern, reüssieren, hinfallen, aufstehen, wieder hinfallen und voranschreiten. Das sind Dinge, die wir unseren Kindern und Jugendlichen aus Angst und Sorge immer weniger zutrauen und ihnen damit auf Metaebene vermitteln, dass wir nicht davon ausgehen, dass sie die Möglichkeit haben, diese Hürden des Lebens zu nehmen. Auch wenn es ab und zu schwierig sein kann.

Wir sollten sie auf Bäume klettern lassen, ohne dass die gesamte Elternschaft des Spielplatzes um den Baum tanzt, um sie aufzufangen (was übrigens heißt, dass ich schon von vornherein davon ausgehe, dass mein Kind wohl zu ungeschickt zum Klettern ist und fallen wird).

Wir sollten sie ihre Streitigkeiten selbst austragen lassen, anstatt unsere eigene Konfliktscheu auf sie zu übertragen, sie Organisation üben lassen -und üben heißt auch scheitern.

Abschließend ist mit wichtig, zu bemerken, dass Kinder und Jugendliche gerade in der Pubertät immer schon dazu neigten, sich zurückzuziehen. Das ist normal für diese Entwicklungsphase und war schon immer so. Geändert hat sich nur das Medium: von Buch zu Schallplatte zu Fernseher zu Youtube und "Fortnite".

Nur wenn wir es schaffen, die Welt nicht mehr als ein einziges Angsterlebnis wahrzunehmen, wird es auch gelingen, Menschen heranwachsen zu lassen, die selbstbewusst, klar und mit Profil durchs Leben gehen. Unabhängig von ihrem Geschlecht.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 3/20

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