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Medienvertrauen benötigt Anderssein

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Medien & Menschen - Medienvertrauen benötigt Anderssein
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Die digitale Hetzjagd auf eine renommierte Journalistin muss ein Wendepunkt sein. Ein solcher Appell an die Schmuddelecke von Social Media ist so zwecklos wie an politische Parteien. Er richtet sich an Journalisten und verantwortungsvolle Medien

In die Aufarbeitung der Publizität um Verschwinden und Finden der ehemaligen Chefredakteurin des "Standard" mischt sich viel Vertuschung der Kategorie: Haltet den Dieb! Doch die Klarheit der Schuld einer zügellosen Boulevard-Kampagne von einem skrupellosen Online-Magazin enthebt die Branche nicht tiefer gehender Selbstreflexion. Im Visier steht zu Recht der einstige "Bild"-Macher Julian Reichelt und sein vom Milliardär Frank Gotthardt finanziertes Digital-Portal "Nius" in Deutschland. Die Parallelen zum früheren "Krone"-, "Heute"- und "Oe24"-Mann Richard Schmitt, der auf Initiative von Millionärsgattin Eva Hieblinger-Schütz den österreichischen "eXXpress" aufgebaut hat, sind verblüffend. Wenngleich die seit dem Ibiza-Video noch bekanntere Galionsfigur seit wenigen Tagen nicht mehr an Bord ist, während der Millionenverlust über das Stammkapital abgedeckt wird.

Ebenso unumstritten ist der Beitrag von Stefan Weber, der sich auf X "Plagiatsjäger" nennt. Er hat die Zuschreibung eines Häschers schon wesentlich stolzer getragen und ist wie die selbst angemaßte "Stimme der Mehrheit" Reichelt vorerst vollkommen schmähstad im Schnellgericht Social Media.

Die sie riefen die Geister, werden sie nun nicht los. Doch das gilt auch für einige ehrenwertere Vertreter des Journalismus, die zwecks Reichweiten, Likes und Teilungen ihre Befindlichkeiten vor allem auf dem ehemaligen Twitter kundtaten. Mit Namensnennung der heute stellvertretenden Chefredakteurin der "Süddeutschen Zeitung". Ohne ausreichende Faktenlage zu ihrem Verbleib.

Als Ausrede für das Überagieren dient oft, sich nicht aus dem aktuellen Diskurs nehmen zu können, weil Nichtssagen mit Nichtwissen verwechselt würde. Ersteres schreit geradezu nach Einführung eines Schweige-Buttons samt Themen-Hashtag auf den Plattformen. Letzteres aber führt ans Eingemachte des Journalismus: Er macht seinen Unterschied auf Social Media viel zu wenig deutlich.

In der Nachbetrachtung des Falles dominiert zusehends eine Links-Rechts-Schuldzuweisung, die auch Kiebitze aus der Schmuddelecke lockt, deren sprachlich härtere Gangart den Konflikt verschärft. Denn Polarisierung bringt Publikum. So viel haben auch ansonsten minder Bemittelte asoziale Netzwerker verstanden. Das gilt auch für die etablierte Medienkonkurrenz. Insbesondere Vertreter von "Kurier" und "Falter" stehen dafür als Kontrahenten-Beispiele - obwohl Martina Salomon wegen Florian Klenk von Twitter auf Facebook ausgewichen ist, wo er weniger den Infight sucht. Ob "Standard" und "Presse" den Wettbewerb gepflegter austragen, weil ihre einstigen Chefredakteure Rainer Nowak und Martin Kotynek das X-Metier erst spät für sich entdeckt haben oder weitgehend mieden, kann nur vermutet werden. Weit überschießendes Bashing gegen alles, was formal als Boulevard firmiert, bei gleichzeitiger Unterbelichtung von Fehlern der deklarierten Qualitätspresse, ist aber evident.

Diese interne Polarisierung von Medien und Journalisten generiert zwar Social Media-Reichweiten, ignoriert aber die Folgen für eine geistige Gemeinschaftswährung, die noch wichtiger als Klicks und Quoten wirkt: In den USA ist die Nachrichten-Glaubwürdigkeit insgesamt am Tiefpunkt. Nur noch ein Zehntel der Republikaner, aber fast 60 Prozent der Demokraten vertrauen den Medien. Genau in dieser Polarisierung liegt auch ein Geschäftsmodell für angesehene Titel wie die "New York Times". In Österreich pochen die meisten Massenmedien stärker auf politische Unabhängigkeit. Sie geben keine Wahlempfehlung und die maßgeblichen Journalisten sind keinen Parteien zuzuordnen. Polarisierung auf Social Media lässt sie also in Schubladen geraten, in die sie nicht gehören. Für das Vertrauen in echte Nachrichtenmedien wäre es besser, die Exponenten würden mit ihren ureigenen Mitteln gemeinsam Regelbrüche auf Social Media ahnden - in- und außerhalb der Branche, gegen links wie rechts. Dazu müssen aber vorerst die eigenen Normen eingehalten und dem Massenpublikum permanent vermittelt werden. Beides geschieht zu wenig. Zur Änderung empfiehlt sich etwas, was es ausgerechnet für diese umfragehörige Branche nicht gibt -ein regelmäßiges Medien-Ranking.

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