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Wer darf mitreden? Und wie nennen wir sie?

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Peter Plaikner

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Seit der Coronakrise hatte Claudia Reiterer selten so viel Publikum. „Im Zentrum“ wird trotzdem eingestellt. Als Fragen bleiben, ob kontroverse Einladungspolitik zur Quotensteigerung legitim ist und wie umstrittene Gäste auszuschildern sind

„FPÖ – einbinden oder ausgrenzen?“ Die Frage bescherte „Im Zentrum“ die höchste Reichweite seit 16 Monaten. Mit 472.000 Zuschauern und 27 Prozent Marktanteil erreichte es die gleichen Werte wie am 11. Juni 2023 zu „Neue Sozialdemokratie, neue Achsen, neue Gegner – wer kann jetzt mit wem?“ Ungeachtet der Unterschiede von Blau und Rot gelang dies also durch ähnliche Erkundungsmuster. Das ist der erste Hinweis darauf, dass die Themenstellung für die Reichweite von TV-Diskussionen doch wichtiger sein könnte, als die Kritikkonzentration auf das Debattenpersonal vermuten lässt. Als zweites Indiz für diese Annahme wirkt die grundsätzlich andere Zusammensetzung einst und jetzt.

Polarisierung bringt Quote

Damals wurde die Runde nahezu klassisch mit Klubobleuten und Generalsekretären besetzt. Diesmal war die Gästeauswahl kontroverser: Denn neben Ex-Kanzler Christian Kern, Ex-Ministerin Maria Rauch-Kallat und Ex-Jedermann Cornelius Obonya saßen auch Robert Willacker als „FPÖ-naher Politikberater“ und Eva Schütz als „Herausgeberin des ,Exxpress‘“ im Talk-Studio. Die massive X-Kritik  daran war zu erwarten, die Einladungspolitik also spekulativ. Doch die ORF-Orientierung an Quoten zwingt regelrecht zu solchem Verhalten, das letztlich dem Polarisierungsrezept auf Social Media entspricht.

Deutlich gerechtfertigter ist die Kritik an der mangelnden Ausschilderung von Willacker als „Berater der FPÖ“ und von Schütz eventuell als „Betreiberin der politisch rechts stehenden aktivistischen Info- und Meinungsplattform ,Exxpress‘“. Während er mit drei Worten klar ist, braucht sie mehr Erklärung. Das hätte die Doppelbödigkeit der Ausgangsfrage enthüllt: „Einbinden oder ausgrenzen?“ gilt nicht nur Politik und Parteien, sondern auch Medien und Personen. Helmut Brandstätter, Ex-ORF-Größe und nun Neos-Mann im EU-Parlament, wütete auf X: „Der ORF lädt also Leute ein, die zur Verhetzung aufrufen. Das Konzept muss ich erst verstehen.“ Willacker konterte: „Ich gebe Ihnen hiermit die einmalige Gelegenheit, die von Ihnen getätigte Unterstellung einer Straftat durch Löschen Ihres Tweets binnen 24 Stunden zurückzunehmen. Andernfalls klären wir das auf dem juristischem Weg.“

Es war nicht alles Reiterer

Ungeachtet dieses Aufregungsaufbäumens ist das Ende von „Im Zentrum“ beschlossen, das 17,5 Jahre am Sonntag lief; acht davon „mit Claudia Reiterer“ im Titel. Die Vorgänger „Offen gesagt“ (2002–2007), „Betrifft“ (2000–2002) und „Zur Sache“ (1995–2000) hatten kürzere Leben. Nur der „Club 2“ (1976–1995) an Dienstag und Donnerstag war zäher – und auch als Mittwoch-Neuauflage (2007–2012) konkurrenzfähig. Dieses einst europaweite Vorbild legte die ORF-Latte für Polit-Talk sehr hoch. Seine früher enorme Breitenwirkung ist vor allem durch die Permanenz-Fragestunden der Nachrichtensender gefährdet. Dennoch blieb „Im Zentrum“ bis 2022 über dem ohnehin schon hohen Jahresmarktanteil von ORF 2 und ist erst 2024 darunter gesunken. Reiterer wird oft für den Rückgang verantwortlich gemacht. Einiger Tadel an ihr war berechtigt, viel Kritik aber nicht. Doch sie hätte es sich einfacher machen können – wie Anne Will in Deutschland, die ihren Abgang selbst bestimmt hat.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir: pp@plaikner.at

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