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Der Tempo-Zwang zur Info und das Slow Food der Einordnung

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„Nicht einmal ignorieren“ ist ein kaum anwendbares journalistisches Qualitätsrezept, wenn der digitale Konkurrenzdruck zu Echtzeit-Sendung von allem und jedem drängt. Dem lässt sich schwer ausweichen, aber es braucht so oder so viel mehr Erklärung

„Versenkt“ schrieb Armin Wolf über die X-Teilung einer Einschätzung von Hubert Patterer. Der hatte beklagt: „Alles wirkt beliebig gleichwertig.“ Anlass war die Sendung von Rudi Fußis Rede „auf derselben medialen Wahrnehmungsebene“ wie zuvor die Ansprache von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Wer möchte da nicht zustimmen? Wolfs Tweet umfasste den Einwurf von Georg Renner, dass die „Kleine Zeitung“ den Fußi-Auftritt selbst übertragen und viele Storys dazu gebracht hätte. Wie ORF, Puls24, Krone.TV und fast alle anderen, die bewegte Bilder liefern. Dadurch wird der indirekte Disput zwischen „ZIB2“-Mann Wolf, „Kleine“-Chef Patterer und ihrem Ex-Ressortleiter Renner zu prototypisch, um ihn als „versenkt“ abzuhaken. Er beschreibt ein wachsendes journalistisches Dilemma: Multimedialer Echtzeitwettbewerb ist der Todfeind von Orientierungsleistung.

Von Van der Bellen zu Fußi

Die Absturzgefahr bei dieser Gratwanderung hat Wolf kurz vor Fußi und UHBP erlebt. Gegen die Einladung eines Palästinenservertreters zum Streit mit einem israelischen Armeesprecher am Jahrestag des Hamas-Terrorangriffs protestierte sogar Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. ORF-General Roland Weißmann rückte zur größtmöglichen Gegenwehr aus. Dass nach der Runde mit der Ländle-Spitzenpolitik kein „ZIB2“-Beitrag dazu kam, war eine leichtere Übung der Selbstverteidigung kontra den Vorwurf föderaler Missachtung. Die Relevanz beider Themen blieb aber unbestritten. In Bezug auf Fußi ist die Vorgeschichte wichtig. Er hatte seinen Auftritt auch via „Krone“ angekündigt. Wenige Stunden davor machte ihm Van der Bellen einen Strich durch die Rechnung, indem er für diesen Zeitpunkt seine Erklärung ansetzte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Fußi wich nach hinten aus. Live-Streamings von beiden folgten unisono. Aus Konkurrenzperspektive gab es keine andere Wahl. Auch das digitale Stakkato zu Fußi ist dem nachvollziehbaren Tempo-Wettbewerb geschuldet.

Ignoranz und Ball flach halten

Angebliche Medien-Dinosaurier taugen mehr zur Einordnung: lineares Fernsehen und Papierzeitung. Dabei agierten ORF und „Kleine“ unterschiedlich. Die „ZIB2“ ignorierte die Fußi-Rede, die zweitgrößte Zeitung stellte sie in einem Artikel in den Gesamtzusammenhang. Der Aufstieg zur Kommentar-Seite blieb ihr versagt. Patterers Kritik erschien zwei Tage danach nur als „Morgenpost“ – ein digitaler Newsletter. Sein Co-Chefredakteur Oliver Pokorny watschte Fußi in einer Glosse am Sonntag ab. Auch in Konkurrenz zur „Krone“, wo ihn Conny Bischofberger auf drei Seiten interviewte.

Ignoranz der „ZIB2“ und Ball-flach-Halten der Print-„Kleinen“ sind ähn-lichere Statements als auf den ersten Blick. Doch beide müssen sich künftig mehr erklären. Nicht nur kontra Konkurrenz, sondern auch zur Differenzierung im eigenen Haus. Letztlich geht es um das Eingeständnis, zwar auch digitales Fast Food anzubieten, aber für Wissenwollende das Info-Slow-Food hochzuhalten. Fußi sang schon am Samstag via X „That’s Life“. VdB hat sich einst nur zeigen lassen, als auf TikTok „Should I Stay or Should I Go“ seinen Wahlkampf einläutete. Mit der Zeit zu gehen, kann auch ein Kompromiss sein.

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