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Peter Plaikner

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Die Branche und ihr Presserat diskutieren einen spektakulären Fall, ein neues Standardwerk über das Handwerk der Medienmacher erscheint, und die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung für Journalismus und Demokratie steht bevor

Während der Senat 1 des Presserats am Dienstag intensiv zur Affäre Schilling und ihrer Enthüllung im „Standard“ beriet, tut sich tiefer in den Kulissen noch mehr zur Medienqualität in Österreich. Armin Wolf, frisch zurück aus dem Urlaub, verbreitete gleich nach einer munteren „Die Runde“ mit Cathrin Kahlweit, Corinna Milborn, Thomas Hofer und Franz Schellhorn im ORF einen Nachruf auf Heinz Pürer via X, vormals Twitter. Der Herausgeber des Lehrbuchs „Praktischer Journalismus“ wurde nur 76 Jahre alt, doch sein Vermächtnis lebt weiter. Wolf gibt gemeinsam mit Ingrid Brodnig, Gabi Waldner und Florian Klenk eine Neuauflage heraus. Es enthält Beiträge von 60 renommierten Journalisten. Neben der internationalen Beteiligung sticht schon vorab heraus, dass mehr als 40 Prozent Autorinnen sind. Die Erst- und Letztauflage 1984 und 2004 waren noch nahezu ausschließlich Männersache. Abgesehen von Gender-Aspekt, Themen- und Artikelzahl verrät der Untertitel eine weitere wichtige Erweiterung: „Ein Lehrbuch für den Berufseinstieg und alle, die wissen wollen, wie Medien arbeiten.“

Es sollte also eine Fibel für alle sein. Denn zu wissen, wie Medien arbeiten, wäre mehr denn je Teil der Grundausstattung des mündigen Bürgers. Ist es aber nicht. Diese grassierende Bildungsschwäche wirkt als Teil des Problems der Aufrechterhaltung und Fortentwicklung der Demokratie. Um sie sorgt sich auch Sebastian Loudon, der Herausgeber, Geschäftsführer und Eigentümer des kleinen feinen Monatsmagazins „Datum“. Gegründet von Klaus Stimeder, stand bis 2009 ein „Verein zur Förderung des Qualitätsjournalismus“ dahinter. Es folgte als Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner, der diese Funktion später bei Kurier.at, der Plattform addendum und Puls24 ausübte. Nach seinem Abgang 2015 und wechselnden Gesellschaftern brachte Loudon den Titel ab 2018 in ruhigeres Fahrwasser. Chefredakteurin ist Elisalex Henckel, zuvor Korrespondentin der „Welt“ und bei nzz.at.

Als „Datum“ vor 20 Jahren gegründet wurde, war es auch Spielweise für heimische Top-Journalisten, die in ihren angestammten Tagesmedien kaum noch Gelegenheit für wirklich ausführliche Textsorten fanden. Heute ist der „long read“ digital so etabliert wie das entsprechende Hörerlebenis via Podcast. Der Monatstitel aber genießt weiterhin Respekt und Wohlwollen der gesamten Branche. Das ist die bestmögliche Voraussetzung für ein neues Projekt von Loudon, der einst Pressesprecher der Rundfunk und Telekom Regulierung RTR war, die Fachmedien „Horizont“ und „Bestseller“ leitete und „Die Zeit“ in Österreich repräsentierte. Er will eine gemeinnützige „Stiftung für Journalismus und Demokratie“ rund um das „Datum“ etablieren. Die seit Monaten geführten Gespräche mit möglichen Geldgebern „laufen langsam, aber gut“. Er ist „zuversichtlich, dass wir im Herbst loslegen können“.

Voraussetzung dafür ist die Erweiterung des bislang vor allem als Papier relevanten „Datum“ zu einer digitalen Anlaufstelle für unabhängigen, freien Journalismus. Aussteiger vom Angestellten-Dasein wie der per Newsletter schon bei Loudon angedockte Georg Renner oder der auch in „News“ publizierende Johannes Huber sind für Loudon Indizien für seine Zukunftsperspektive. Die Pensionierungswelle von Ruhestandsunwilligen könnte zudem zahlreiche qualifizierte Boomer ins Boot holen, dessen Stapellauf nahezu zeitgleich wie die Neuauflage von „Praktischer Journalismus“ für September geplant ist – dem Monat der Nationalratswahl. Das ist Zufall, wirkt aber so vielsagend wie die Herkunft des ersten Mitarbeiters für die geplante Stiftung: Es ist der umtriebige Medienethiker, Jurist und Referent des Presserats, Luis Paulitsch. Loudon geht es um einen Stützpfeiler, damit Journalismus und Demokratie bleiben oder werden, was sie sein sollen oder müssen: wehrhaft. Dafür hat der Duden kein Synomyn. Aber er nennt 18 Umschreibungen für „wehrlos“. Dieser ungewollte Zustand ist offenbar häufiger.

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