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Statt in die Hofburg auf den Küniglberg

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Peter Plaikner

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Neben fadenscheinig abgebrochenen Interviews attackiert die FPÖ in Livesendungen immer öfter den Gastgeber ORF. Hinter den Kulissen macht sie Druck im Stiftungsrat. Auch die SPÖ signalisiert zunehmend Distanz zum öffentlich-rechtlichen Status quo

Wenn das ein Vorspiel war, ist Grauen vor dem Hauptgang angesagt. Ungeachtet der wahren Bedeutung des Europäischen Parlaments verstehen die Österreicher darunter immer noch die Nationalratswahl. Spätestens seit 23:01 Uhr am 9. Juni gilt das prophylaktische Schaudern aber mindestens so sehr der Medienkommunikation wie der inhaltlichen Politik. Das liegt einerseits daran, dass die blauen Bäume noch nicht annähernd so weit in den Himmel gewachsen sind, wie alle Umfragen seit vielen Monaten glauben machen. Das entsteht andererseits dadurch, dass die FPÖ ihre Gangart gegen journalistische redaktionelle Medien und vor allem gegen den ORF weiter verschärft.

Diese Marschrichtung wurde schon vor der Wahl bestimmt, die sich für ihren Gewinner trotz seiner enormen Stimmenzuwächse zugleich wie eine kleine Niederlage anfühlen dürfte. Denn die FPÖ hatte mit mehr Prozentanteilen und größerem Vorsprung rechnen müssen. Alle 16 veröffentlichten Umfragen dieses Jahres kamen zu diesem Ergebnis. Momentaufnahmen von gestern, die offenbar die Gegner einer solchen Entwicklung mobilisiert haben. Ein Effekt, den vor allem die ÖVP genutzt hat: Sie konnte mehr noch als bei den Landtagswahlen in Tirol und Niederösterreich – wo sie trotz großer Einbußen Erster wurde – weniger Verlust und Rückstand als erwartet zum Erfolg umdeuten.

Offensichtlich ohne Vorahnung dieses leichten Dämpfers genoss der blaue Spitzenkandidat Harald Vilimsky gemeinsam mit Peter Westenthaler am Donnerstag das Bier im Wiener Schweizerhaus und schrieb auf X: „Am Küniglberg wird man sich noch wundern, was alles möglich ist.“ Dabei strahlte er mit dem ORF-Stiftungsrat der FPÖ noch um die Wette. Am Wahlabend gab er dann eine Kostprobe des schon Möglichen. Pöbelei ist ein höflicher Ausdruck für das, was die Runde der Spitzenkandidaten lieferte, in der nur die beiden Frauen Contenance bewahrten: Moderatorin Simone Stribl und die Grüne Lena Schilling. Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ) und Helmut Brandstätter (Neos) ließen sich zu eigenem Niveauverlust provozieren. Es war ein Tiefpunkt parteilicher TV-Auseinandersetzung.

Die öffentliche Schlammschlacht auf dem Bildschirm findet diese Woche hinter den Kulissen des Küniglbergs eine vertrauliche Fortsetzung. Der Stiftungsrat tagt. Dabei steht personell Westenthaler im Mittelpunkt, dem 30 Kollegen aus dem Gremium per Brief Pflichtverletzungen vorwerfen. Während Generaldirektor Roland Weißmann auf Nachfrage im Presseclub Concordia sein Aufsichtsorgan dazu nicht kommentieren wollte, legte der Kritisierte prompt nach: Der ORF sei „durchgeknallt“. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sprach von „Fake News und politisch einseitiger Propaganda“.

Das inhaltlich brisantere Thema der aktuellen Sitzungswoche ist allerdings eine 33 Millionen Euro große Lücke in der Berechnung der neuen Haushaltsabgabe. Das Geld fehlt dem Haus. Also fragt SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer schont vorab öffentlich nach der Verantwortung für dieses übersehene Loch. Er nutzt dafür den „Standard“, Westenthaler vorzugsweise Oe24. Dabei fällt auf, dass neben Lederer nur die Vertreter der drei roten Länder Wien, Kärnten und Burgenland das Mahnschreiben an den blauen Kollegen nicht unterzeichnet haben. Unterdessen wandte sich am Wahlabend Schieder heftig direkt gegen eine ORF-Befragung noch ohne vorliegendes Endergebnis. Auch die rote Distanz zur aktuellen Verfassung des Küniglbergs wird also offenbar immer größer. Die SPÖ hat wie die FPÖ und Neos das ORF-Gesetz zu Haushaltsabgabe und Digitalausweisung nicht mitbeschlossen.

Wenn das so weitergeht, bleiben die blauen Aufsteiger mit ihrer Kampagne zur Zurechtschrumpfung auf einen „Grundfunk“ nicht allein. Es ist zu befürchten, dass es in den Livekonfrontationen der Kandidaten um die Zukunft des Gastgebers geht. Das ist eine extrem unangenehme Situation für die Moderation. Schlimmer noch aber wirkt, dass sich bisher keine Partei so massiv hinter das öffentlich-rechtliche System stellt, wie es unabhängig von seiner Tagesverfassung gerade jetzt notwendig wäre. Wenn Vilimsky sagt, „am Küniglberg wird man sich noch wundern, was alles möglich ist“, zitiert er Norbert Hofer. Der ist nur knapp an seinem Ziel Hofburg gescheitert. Der Küniglberg ist mindestens so wichtig.

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