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Ein Eigentor mit Herz und Hirn

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Peter Plaikner

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Fußball ist das Gebot der Stunde. Zumindest ab 15, 18 und 21 Uhr in ServusTV, ORF 1, ARD und ZDF. Dann laufen dort die Spiele der Europameisterschaft. Doch die SPÖ präsentiert ausgerechnet jetzt eine Petition „Fußball zurück ins Free-TV“. Eigenartig

Mann muss sich das wohl so vorstellen: „Andi, huach, jetz kummt die Euro, da miaß ma wos mitm Fuaßboll mochn. Des ziacht gonz sicha.“ Vielleicht haben es die gleichen Berater vorgeschlagen, denen er die Forderung nach dem Recht auf einen Arzttermin verdankt. Dass dieser Anspruch nicht seit einem halben Jahr die Republik in Atem hält, liegt bloß daran, dass wir zu gesund sind. Fußball wirkt mehrheitsfähiger, als malad zu sein. Wenn schon nicht das Spielen, dann wenigstens das Schauen. Also Kick-Blick auf Krankenschein? „Bist deppat? Mia san decht kane Kronkn!“ Totschlag-Argument. „Oba Andi, huach: Hartberg gegen Wolfsberg laft scho lang nimma im Free-TV.“ Der Chef erkennt sofort die Brisanz dieser sozialen Frage. Kurzer Gegencheck von Traiskirchen zur Löwelstraße: „Heast, Oida, wannst des schaffst, dass Rapid – Austria nimma lei im Sky is, büst Wödmasta.“

Die operative Ausarbeitung solch erstrangiger Geistesblitze obliegt der zweiten Kompetenzreihe. Die ist jung, schaut wenig fern, hält Rapid – Austria für einen Schnellzug, aber agiert urmega auf Social Media. In Windeseile, noch rechtzeitig zum Euro-Start, hat sie Andi Babler (Andreas heißen nur Grufties) ein geniales – „auf des Wort homma sozusogn des Copyright“ – Sujet für nahezu alles von Facebook bis X produziert: „Fußball zurück ins Free-TV!“. Untertitel: „Jetzt Petition unterschreiben“.

Spaß beiseite: Diese Aktion ist ein geradezu klassischer Versuch des Agenda Surfing mit untauglichen Mitteln. Dabei handelt es sich um „the poor man’s version of agenda setting“. Anders gesagt: Wer das Tagesgespräch nicht bestimmen kann, versucht, sich an es anzuhängen. Das betreiben weniger dominante Medien und minder entscheidende Parteien gleichermaßen. So gesehen haben die „Mit Herz und Hirn“ – der Slogan, den sie nicht mehr loskriegen – alles richtig gemacht. Dumm wirkt nur, dass es inhaltlich, zeitlich und argumentativ falsch ist. Denn selten war so viel Spitzen-Kick im Free-TV. Und in kaum einem anderen Staat liegt dieser Fernsehzugang so frei wie in Österreich.

Ursache der Fehleinschätzung ist die Gleichstellung von Free-TV und ORF. Wegen der Haushaltsabgabe höhnt Social Media über diese gebräuchliche Abgrenzung zu kommerziellem Pay-TV. Der zweite Grund des Missgeschicks ist weniger faktisch als ideologisch: ServusTV überträgt nicht erst seit der Euro Top-Fußball diesseits von Bezahlfernsehen. Doch der pointiert rechte Sender passt schlecht ins akzentuiert linke Weltbild. Also reiht sich das Team Babler mit seinem neuen Vorstoß eher ins Hinterfeld der nicht zu Ende gedachten Projekte ein, wo „Bargeld in die Verfassung“ noch eine Top-Position einnimmt.

Gäbe es mehr personelle Kontinuität in der SPÖ, hätte sie bei einem ihrer früheren Chefs nachfragen können, wie das mit der gesetzlichen Regelung der Übertragungsrechte läuft. Vor 15 Jahren war Alfred Gusenbauer einer der Vortragenden beim hochkarätig besetzten Symposium „Brain & The City 2009 – Alles gratis? Der Preis und die Qualität von Information“ an der Universität Graz. Direkt vor ihm sprach Christina Holtz-Bacha zu: „Das Recht auf freies Fernsehen: Free-TV, Pay-TV und der Versuch zur öffentlich-rechtlichen Informationssicherung.“ Die Kommunikationswissenschaftlerin gilt als herausragende Expertin für exklusive Übertragungsrechte und die gesetzlichen Ausnahmen davon. Basis für diesen Status ist das 2006 von ihr herausgegebene Buch „Fußball – Fernsehen – Politik“.

Der rote Babler erinnert unterdessen ungewollt daran, dass 2001 ausgerechnet die schwarzblaue Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel die Liste der „Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“ verordnet hat. Wie in anderen Staaten ist sie sportlastig. Doch es verblüfft die Reihenfolge der bekennenden Kulturnation: 1. Olympische Spiele, 2. Fußball-Herren-WM, wenn Österreich dabei ist, sowie Eröffnungs-, Halbfinal- und Endspiel, 3. Euro wie 2., 4. Finale im Fußballcup, 5. und 6. Alpine und Nordische Ski-WM, 7. Neujahrskonzert, 8. Opernball. Das war’s. Der Villacher Fasching gehört nicht dazu, obwohl er damals noch ein Abo auf die meistgesehene Fernsehsendung des Jahres hatte.

Babler fordert nun eine gesetzliche Regelung für ein Bundesliga-Match pro Runde live im ORF sowie Austro-Qualifikationsspiele für Euro und WM, Halbfinale, Finale und Spiele mit österreichischer Beteiligung inklusive Qualifikation der Champions, Europa und Conference League im Free-TV. Einiges davon bietet ServusTV und zahlt viele Millionen Euro dafür. Während die FPÖ mit der Budget-Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dadurch größerer statt geringerer Abhängigkeit von der Regierung droht, plädiert die SPÖ für mehr Fernsehfußball auf Gemeinkosten. Das bedeutet entweder eine enorme Steigerung der Haushaltsabgabe oder ein Versteck durch Budgetfinanzierung. „Damit fördern wir auch den Breitensport und das Vereinsleben in Österreich“, steht in der Petition.

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