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Der Griff in den Schritt

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Die ORF-Redaktionsversammlung will ein TV-Medienmagazin. In Ö1 zeigt Stefan Kappacher, wie weh das tun kann. Denn würde die Kritik vor dem eigenen Haus halt machen, wäre sie nicht glaubwürdig. Also hat er auch die eigenen Fernseh-Promis im Visier

Als das monatliche auf das wöchentliche Freitagsritual der politmedialen Blase traf, gab es einen Aha-Effekt. Erst kündigte der ORF "Im Zentrum" mit Tarek Leitner als Moderator an. Dann nahm Stefan Kappacher fürs Ö1 Medienmagazin "#doublecheck" auch "Nebenbeschäftigungen von ORF-Fernseh-Promis" ins Visier - am Beispiel von Claudia Reiterers Moderation des von Klimaschützern gekaperten Events in der Wirtschaftskammer. Ein schmerzhafter Griff in die hauseigene Intimzone - vom Radiomann fürs Eingemachte. Je integrierter der Newsroom, desto heftiger die organische Abstoßung.

Das erinnert an die Resolution der ORF-Redaktionsversammlung nach dem Rücktritt von Chefredakteur Matthias Schrom: Eine von vier zentralen Forderungen war die Installation eines regelmäßigen TV-Medienmagazins. Sozusagen "#doublecheck im Bild". Es gemahnt aber auch an die damalige Besetzung von "Im Zentrum" zum Thema "Macht und Nähe - wie abhängig sind Medien von der Politik?" Da saß u. a. der Kabarettist und Kolumnist Florian Scheuba. Er hatte sich zeitgerecht als Konzeptionist eines TV-Medienmagazins ins Spiel gebracht. Für den ORF sprach Radiodirektorin Ingrid Thurnher.

Die für dieses Gespräch logischen Vertreter des Hauses wären aber Generaldirektor Roland Weißmann, der Vorsitzende des Redaktionsrats, Dieter Bornemann, und die Leitfigur der Medienberichterstattung, Stefan Kappacher. Beim Chef galt das bei manchen bereits als Hinweis, dass er seine Personalunion als Info-Direktor bald aufgeben könnte - zugunsten von Thurnher. Dass jedoch im Zuge der Forderung nach einem TV-Medienmagazin nicht sein logischer Macher eingeladen wurde, ist mehr als ein Indiz. Kappacher macht sich konsequent auch im ORF Feinde. Es ist allerdings Zufall, wie das ausgerechnet am Beispiel seiner verhaltenen und indirekten Kritik an der untertitelgebenden Moderatorin von "Im Zentrum" sichtbar wird.

Kein Zufall hingegen ist die sachliche Ebene der Attacke. Die Nebenbeschäftigungen von Redakteuren sind eine der heißesten Kartoffeln der Branche. Dabei geht es nicht um Lehrveranstaltungen, Bücher und Vorträge, sondern vor allem um Moderationen. Hinter der Buchung eines bekannten Journalisten verbirgt sich für ihn meistens ein entsprechendes Honorar und beim Auftraggeber oft die Spekulation auf wohlwollende Berichte. Wenn nicht anlassbezogen, dann langfristig. Je seriöser das Medium, desto weniger geht dieses Kalkül auf. Dass es "nie" funktioniert, wagt niemand zu behaupten - auch wenn es gerade beim ORF als öffentlich-rechtlichem Anbieter niemals geschehen dürfte. Doch die Scheren sind in den Köpfen der Beteiligten und diese keine künstlichen Intelligenzen, sondern oft nur allzu menschlich Handelnde. Deshalb sind solche Engagements auch in allen anständigen Redaktionen genehmigungspflichtig. Doch wie Kappacher das thematisiert, ist eine Andeutung, dass es künftig strenger gehandhabt werden sollte. Der ORF wirkt dabei wie ein Klassensprecher für die Branche.

Dabei handelt es sich um ein gefährliches Minenfeld. Denn die Hauptnutznießer der Nebenjobs sind die fernsehbekannten Galionsfiguren. Sie wiederum lassen sich durch diese Zusatzhonorare eher mit Normal-Gehältern ohne Star-Boni halten. Doch wohin sollten sie gehen, was sichert ihre Popularität, wenn nicht das Unternehmen? Einmal auf dem ORF-Bildschirm angelangt, bleiben bloß noch Ausland oder Abstieg. Wie schwierig der Balanceakt ist, zeigt zum Beispiel, dass der "Report"-Chef Wolfgang Wagner zwar fast nur als Ersatz für Sendungsmoderatorin Susanne Schnabl vor die Kamera geht, aber im Ethikrat auch die Regeleinhaltung von Redaktionsstatut und Verhaltenskodex überwacht. Nicht von ungefähr kommt aus dieser Redaktion ein weiterer Mosaikstein für ein künftiges TV-Medienmagazin: Der von Julia Ortner initiierte Werkstatt-Podcast behandelte zuletzt mehrmals das Problem von Distanz und Nähe zur Politik. Stefan Kappacher dürfte es mit aller gebotenen Distanz ganz aus der Nähe beobachtet haben - im integrierten Newsroom. Seine Arbeit wird in allen österreichischen Medienhäusern gleichermaßen geachtet und gefürchtet. Am meisten im größten - dem ORF.

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