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Manuel Rubey: "Der Scham begegnet man allein auf der Bühne"

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15 min
Manuel Rubey
©Bild: News/Ricardo Herrgott
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Der Schauspieler und Kabarettist Manuel Rubey im ersten Solo: Ein bisserl nackt fühlt er sich und findet das gut. Mit seiner Falco-Vergangenheit hat er sich ausgesöhnt, fürs Reisen bleibt er ungeeignet.

News: Beim Blick auf Ihr aktuelles Schaffen wird man leicht schwindlig: vier Filme gedreht, ein Soloprogramm geschrieben. Sind Sie ein Vielarbeiter?
Manuel Rubey: Die Ansicht ist interessant, weil ich eigentlich total faul bin. Beim Drehen habe ich viel Zeit zwischendurch, das liebe ich. Ich habe auch einen herrlichen Sommer auf dem Land verbracht, Weißwein trinkend, am Fluss sitzend, an meinem Stück schreibend.

Sieht so für Sie das gute Leben aus?
Absolut. Ich hätte nichts dagegen, bald Privatier zu werden. Ich arbeite gerne. Nicht arbeiten gefällt mir aber auch.

Ihnen wird nie fad mit sich?
Im Gegenteil: Die Fragen werden mehr statt weniger.

Welchen Manuel Rubey haben Sie am Land gefunden für Ihr erstes Solo-Kabarett? Wen zeigen Sie in "Goldfisch"?
Der Ausgangspunkt ist mein Katastrophen-Ich, das bin tatsächlich ich. Aber ich spiele gerne damit, mich vermeintlich sehr privat zu zeigen und dabei offen zu lassen, wie viel der Wahrheit entspricht. Der Abend beginnt damit, dass meine Frau, die Kinder und der Hund ausgezogen sind, weil sie meine Katastrophen nicht ertragen.

Sind Sie nicht im Gegenteil für Ihre Ordnungsliebe bekannt?
Davor flüchtet meine Familie ja. Wenn es innerfamiliär einen Konflikt gibt, dann, dass ich damit kokettiere, auch allein leben zu können. Ich liebe meine Kinder, aber sie sammeln Zeug und schleppen es heim. Das bedroht mich. Ich bin Team Marie Kondo (Anm.: Die Japanerin schreibt Bestseller übers Ausmisten). Ich kann wahnsinnig gut wegschmeißen. Wenn die Töchter weg sind, ertappe ich mich dabei, wie ich mit einem Müllsack durch ihre Zimmer wüte, was mir natürlich nicht zusteht und übergriffig ist. In meiner Wunschvorstellung werden sie als Erwachsene einsehen, dass es sich in der Reduktion besser lebt und ich recht hatte. Aber vielleicht werden sie auch Messies.

Beschreiben Sie bitte die Art von Humor, die Sie pflegen.
Humor passiert für mich im schmalen Grat zwischen Anspruch und Realität. Dort, wo wir uns alle gerne ein bisschen klüger, schöner, cooler machen und beim Versuch, die Behauptung zu erfüllen, scheitern. Das übersetze ich im Stück mit meinen Themen Sucht, Prokrastination, Kinder und Instagram, Ordnung.

Ich bin total zielstrebig, verzettle mich aber gerne auf dem Weg

Kurz zur Sucht: Sie haben aufgehört, zu rauchen, und Rauchen durch Laufen ersetzt. Wie geht das?
Ich bin im Glauben aufgewachsen, dass Rauchen zum Erwachsensein gehört. Meine Eltern rauchen noch immer. Nach 20 Jahren habe ich gedacht: Es reicht. Am Aufhören bin ich lange gescheitert. Bis ich einen Psychiater getroffen habe, der mir vorgerechnet hat, dass ich der schlimmste aller Suchttypen bin. Er hat mit mir ein Programm erarbeitet, eine Gehirnwäsche mit Antidepressiva und Rauchertagebuch und Stricken und Häkeln, damit die Hände etwas zu tun haben. Laufen war die Ersatztätigkeit, auf die wir uns geeinigt haben. Auch aus Eitelkeitsgründen, wegen der Angst, zuzunehmen. Das ist sechs Jahre her, und ich bin noch immer erstaunt, dass ich das losgeworden bin.

Sind Sie der Typ, der strikt durchzieht, was er plant?
Das ist ambivalent. Ich bin total zielstrebig, verzettle mich aber gerne auf dem Weg.

Ihr Soloprogramm haben Sie seit zehn Jahren auf dem Plan. Waren Sie je versucht, es aufzugeben?
Den Gedanken hat man ständig, gerade, wenn die Arbeit stockt. Meine Inspiration für diesen Beruf war Josef Hader. Damals war ich 14 und habe ihn für die Schülerzeitung interviewt. Er hat alles vereint, was ich machen wollte: Musik, Film, und er kann erzählen wie kein anderer. Zum 40. Geburtstag habe ich gedacht: Jetzt muss es passieren, sonst passiert es nie. 40 Jahre ist alt, aus Sicht der Kinder sogar sehr alt.

War der 40er schmerzhaft?
Mir war Alter immer wurscht, aber der 40er hat mich im Vorfeld beschäftigt. Ich habe die Erzählung um ihn adaptiert und ihn zum Anlass genommen, in Zukunft kritischer zu sein, was die Dinge und Menschen betrifft, mit denen ich Zeit verbringe. Der Gedanke fühlt sich jetzt gut an, aber der Weg dahin hat Zeit gebraucht.

War Ihr runder Geburtstag auch Anlass, zurückzublicken auf Ihre Anfänge als bejubelter Popstar der Band Mondscheiner und Falco-Darsteller in der Kinobiografie?
Mit beidem wollte ich lange nichts zu tun haben, weil das so einschlägig war. Aber je länger es her ist, desto lieber blicke ich darauf. Ich möchte die Demut nicht verlieren, zu sagen: Ist doch schön, dass man so lange dabei ist und es noch immer interessiert. Dazu habe ich eine gewisse Selbstironie und Gelassenheit entwickelt. Eine positive Castingbilanz als Schauspieler schaffe ich sowieso nicht mehr. Aber die Trefferquote wird höher. Früher kam auf 80 Absagen ein Drehtag, heute wird vielleicht jedes zehnte Casting etwas.

Stimmt es, dass man aus dem Scheitern lernt?
Zufriedenheit zu erlangen, ist für mich eigentlich der beste Zustand. Ich muss nicht immer etwas lernen. Ich habe gerne eine gute Zeit.

Sie touren solo und mit der Band Familie Lässig und drehen Filme. Wie gut sind Sie organisiert?
Ich schreibe täglich Listen. Das hat mit der Ordnungsliebe zu tun. Von Dingen, die man nicht braucht, muss man sich sofort trennen, und ich muss Listen abhaken, Mails löschen. Mein Tagwerk ist getan, wenn der Mailordner leer ist. Ich schlafe sonst nicht gut.

Sie stehen mit "Goldfisch" erstmals alleine auf der Bühne. Ist das mehr Fluch oder mehr Segen?
Beides. Backstage alleine auf die Wurstplatte zu blicken, ist sehr traurig. Aber der Punkt war, einmal für jede Entscheidung selbst verantwortlich zu sein. Das war der Antrieb. Denn jede Zusammenarbeit ist auch ein Kompromiss.

Der Scham begegnet man eher, wenn man mit eigenen Texten alleine auf der Bühne steht

Gibt es solo Momente, vor denen Sie sich fürchten?
Absolut. Schlingensief sagte "Ich bin eine Kirche der Angst." Es gibt Momente, in denen ich mich frage: "Warum?" Aber auch Momente, in denen aus Angst Vorfreude wird. Der Scham begegnet man eher, wenn man mit eigenen Texten alleine auf der Bühne steht. Das ist eine Form von Nacktheit, die man sonst nicht erlebt.

Ging es auch darum mit dem Soloprogramm etwas zu beweisen?
Auf jeden Fall. In erster Linie mir selbst. Gerade in unserer Branche schaut man, wer wie viele Zuschauer, wie viel Erfolg hat. Dazu habe ich den klugen Satz gehört: Man darf sich nie mit anderen vergleichen, nur mit den eigenen Möglichkeiten. Das ist konstruktiv. Das finde ich schön. Ehrlich zu sich sein und sich zu fragen: Fülle ich aus, was ich theoretisch schaffen kann?

Haben Sie sich als Vater je die Frage gestellt, was Sie den Kindern vorleben wollen?
Wenn es einen Auftrag an Eltern gibt, dann den, alles zu tun, damit die Kinder ein selbstbestimmtes Leben führen können. Wenn das gelingt, ist es eine komplexe Aufgabe. Sie in Liebe ziehen zu lassen, ist auch sehr wichtig.

Ihre Töchter Ronja und Luise (Anm.: 13 und neun Jahre alt) spielen im Film "Waren einmal Revoluzzer", der im September beim Zürich Filmfestival Premiere hatte. Ihre Idee?
Sie wollten unbedingt. Ich bin unsicher, ob es richtig war. Wir wollten eigentlich, dass sie 18 werden, bevor sie entscheiden, ob sie in der Öffentlichkeit stehen wollen. Mein Plan war natürlich, dass sie die Dreharbeiten so langweilig finden, dass der Wunsch vom Film vorbeizieht. Als ich beide danach gefragt habe, was sie am meisten interessiert hat, hat die Große gesagt: "Das Catering", sie möchte nach Paris gehen und Zuckerbäckerin werden, die kleine Regisseurin.

Man muss sich an einer Diskussion beteiligen

Der Film über zwei Paare, die zu Flüchtlingshelfern werden, artikuliert einen gesellschaftspolitischen Standpunkt. Was soll er bewegen?
Er kann etwas sagen. Ob er etwas bewegen kann, stelle ich in Frage. Kunst und Kultur können uns im besten Fall daran erinnern, dass wir zivilisiert sind. Ich sehe es nicht als Aufgabe des Films, gesellschaftlich etwas zu bewegen. Der Film ist eine Abrechnung mit der Doppelmoral, insofern muss man vorsichtig sein, aus einer privilegierten Situation jemandem vorzuschreiben, wie er sich zu verhalten hat.

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Manuel Rubey und seine Frau Stefanie Nolz © imago images / SKATA

Politisch Stellung zu beziehen, ist Ihnen aber wichtig, hat man den Eindruck.
Man muss sich an einer Diskussion beteiligen, weil wir uns als Gesellschaft über die Politik unsere Zukunft ausmachen. Aber der Grat ist schmal, denn Künstler sind keine Politiker, und das ist gut so.

Sie arbeiten häufig in Deutschland. Ändert das Ihren Blick auf Österreich?
Der Riesenunterschied ist, dass dort Einigkeit der Parteien darüber herrscht, dass die AfD nicht in die Mitte der Gesellschaft gehört. Bei uns ist das anders. Und wer das zu verantworten hat, muss darüber keine Rechenschaft ablegen.

Was man gemeinhin unter Reisen versteht, erschöpft mich mehr, als es Gewinn bringt

Was sagt Ihnen das über die österreichische Seele?
Dass dieses Herumlavieren, Dinge nicht zu Ende Definieren Positives wie Negatives hat: Es hat Eleganz und Humor, etwas zu umschiffen, aber man kann auch lange Opfer sein, wenn man es nicht so genau nimmt.

Haben Sie eine Bucket List?
Da wäre noch Italienisch lernen und Klavierspielen, aber das ist noch keine Liste. Reisen fehlt da, weil das ein großer Konflikt für mich ist. Egon Friedell hat gesagt, Reisen ist für Menschen ohne Fantasie. Ich bin hochgradig unflexibel und reise lieber nicht. Ich würde für ein gutes Restaurant wohin reisen, um dort zu essen, oder nach New York, um die Knicks Basketball spielen zu sehen. Aber was man gemeinhin unter Reisen versteht, erschöpft mich mehr, als es Gewinn bringt.

ZUR PERSON

Manuel Rubey Der 40-jährige Wiener trat als Popstar (2002 mit Mondscheiner) und Protagonist der Filmbiografie "Falco -Verdammt, wir leben noch" (2007) ins Rampenlicht. Serien ("Altes Geld","Braunschlag") und Filme ("Gruber geht","Was hat uns bloß so ruiniert") sowie Kabarettprogramme mit Thomas Stipsits ("Triest","Gott und Söhne") zählen zu seinem preisgekrönten Werk (Undine Award, Österreichischer Kabarettpreis). Rubey unterstützt soziale Projekte und Aktionen gegen Rechtextremismus. Er ist Vater zweier Töchter mit Designerin Stefanie Nolz und lebt in Wien

Das Interview erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr 48/19

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