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"Der Kanzler ist der Zwerg, der Finanzminister der Riese"

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Manfred Matzka ist langjähriger Spitzenbeamter und einer der besten Kenner der Schauplätze der Macht. Diese und Machenschaften von Politik und Verwaltung beschreibt er in seinem neuen Buch. Im Interview erklärt er, woran Regierungen scheitern und was er von der nächsten Koalition erwartet.

Sie beschäftigen sich in ihrem neuem Buch mit "Schauplätzen der Macht" in Österreich, vom Kanzleramt bis zu den Ministerien, und mit den "Machenschaften" dort, wie es im Untertitel heißt. Was haben Sie entdeckt?
Neben der formalen Ebene des Regierens, die transparent ist, gibt es in diesen Häusern auch eine informelle Ebene. Bei dieser sieht man im Zeitvergleich sehr gut die großen Linien, welche Ressorts mit welchen Gruppierungen verbandelt sind und wie Entscheidungen von außen beeinflusst werden. Für mich war überraschend, dass es hier eine große Kontinuität zwischen der Ersten und der Zweiten Republik gibt.

Kontinuität im Sinne von ...?
Wenn man sich etwa das Unterrichtsministerium ansieht, dann war das in der Ersten Republik ein ideologischer Hort des Katholizismus, der Rechten im Lande und sehr traditionalistisch geprägt. Das hat sich nach 1945 fortgesetzt. Minister Drimmel, der lange und prominent Minister war, wurde in der Ersten Republik politisch sozialisiert und hat in den 50er-Jahren auf Experten zurückgegriffen, die seine Lehrer an der Uni waren, im Ständestaat, wo er selbst Studentenführer war. Er war auch derjenige, der Taras Borodajkewycz zum Professor gemacht hat. (Professor für Wirtschaftsgeschichte an, der offen antisemitisch auftrat. Bei Protesten gegen ihn wurde der ehemalige kommunistische Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger tödlich verletzt, Anm.) Da hat wirklich diese Geisteswelt noch weit in die 60er-Jahre hinein im Ministerium die Linie vorgegeben. Bei den sozialpartnerschaftlich dominierten Ressorts wiederum - Handel, Landwirtschaft, Soziales - hat es eine enge Verbindung zu Institutionen wie Kammern und Gewerkschaften gegeben und gibt sie noch. Es gab beispielsweise Landwirtschaftsminister, die auch Raiffeisen-Funktionäre waren.

Sind manche Ministerien aufgrund ihrer Themen ideologischer als andere?
In der Ersten Republik wurden Ministerien geradezu als Erbpacht vergeben. Das Justizressort war in deutschnationaler Hand. Die hatten alle einen Hintergrund in schlagenden Verbindungen. Es ist kein Wunder, dass es 1927 zum Justizpalastbrand kam, wenn man sich ansieht, wie einseitig die Justiz schon Jahrzehnte davor agiert hat. Das war ein ideologisch klar punziertes Ressort.

Und heute?
In der Zweiten Republik geht es weniger um eine ideologische Ausrichtung als um ein Denken in Einflusssphären. Ein Ministerium gehört einer Partei. Das Verteidigungsministerium gehört dem ÖAAB Niederösterreich, das Sozialministerium der Arbeiterkammer, das Wirtschaftsministerium der Wirtschaftskammer. Früher gab es sogar Doppelbesetzungen: Heute weiß kaum noch jemand, dass Bundeskanzler Raab in seiner Amtszeit auch Wirtschaftskammerpräsident war. Zwei Unterrichtsminister waren ÖVP-Generalsekretäre, ein Verkehrsminister SPÖ-Generalsekretär. Das sind Verflechtungen, die man heute nicht mehr hat.

Sie beschreiben machtlose Minister, die mit Akten und Terminen zugeschüttet werden, um nicht auf eigene Gedanken zu kommen. Wer regiert dieses Land?
Das steht in der Verfassung. Aber man muss verstehen, dass ein Ministerium eine große, komplex strukturierte Organisation ist, die aus Eigenem heraus allerlei kann. Diese Maschine lässt sich bedienen, aber nicht bis ins Allerletzte. Wenn jemand sie nicht bedienen kann, entwickelt sie ihre eigene Stärke. Wenn die Tausend Leute, die da drinnen sitzen, eine bestimmte eigene Strategie verfolgen, ist der Eine, der das lenken möchte, ziemlich machtlos. Ein Verhaltensmuster ist, Dinge nach oben zu delegieren, möglichst bis zum Minister, bis der so viel um die Ohren hat, dass er nicht dazukommt, die wirklich unangenehmen Dinge anzuordnen. Ein kluger Minister mit einem klugen Stab lässt das nicht zu. Es gibt immer wieder Seilschaften, die geeignet sind, einen Minister zu steuern. Das hatten wir schon in der Monarchie. Im Außenministerium hat seinerzeit Kabinettschef Hoyos den Minister in den Ersten Weltkrieg hineingesteuert. Im Gesundheitsministerium hat früher eine Seilschaft der Freimauer agiert. Im Landwirtschaft gibt es die Seilschaft einer bestimmte Bauernorganisation. Die können schon sehr viel, wenn man sie lässt. Das gilt besonders bei Ministern oder Ministerinnen, die quer eingestiegen sind, keine große politische Routine und keine Erfahrung haben. Mit sojemand kann man mehr machen, als mit jemandem, der weiß, wie die Dinge dort tatsächlich laufen.

Wenn die tausend Leute in einem Ministerium eine bestimmte Strategie verfolgen, ist der Eine, der das lenken möchte, ziemlich machtlos

Zieht sich das bis heute durch?
Das zieht sich durch, allerdings mit Nuancen. Wir hatten ja viele Quereinsteiger in der Regierung Kurz. Da war es allerdings nicht so, dass das Haus den Minister gelenkt hat, sondern der Kanzler hat zentral vom Kanzleramt aus diese Ministerien gesteuert. Es gab aber auch Minister, die sehr stark von ihrem Ressort abhängig waren und nicht über das hinaus gekommen sind, was ihnen ihr Haus ermöglicht hat bzw. sich auf das beschränkt haben, was ihnen die Beamten sagen, dass sie tun oder nicht tun sollen. Da sind große traditionalistische Ressorts wie das Unterrichtsressort besonders anfällig dafür.

Sie entwickeln ein Eigenleben - besonders, wenn dort ein schwacher Minister sitzt?
Der ist dann konfroniert damit, dass ihm seine Leute sagen: Das haben wir schon dreimal probiert und sind gescheitert, also lassen Sie es lieber.

Und wer hat in den letzten Jahren sein Ministerium tatsächlich geführt?
Christian Broda hat als Justizminister tatsächlich die Linie vorgegeben. Oder auch Hertha Firnberg im Wissenschaftsministerium. Man finden in jüngerer Vergangenheit auch immer wieder Innenminister, die das Ressort umgekrempelt haben, auch wenn das nicht immer erfolgreich war und von der Öffentlichkeit kritisch gesehen wurde. Auch einzelne Sozialminister haben Akzente gesetzt. Wenig eigene Akzente findet man meist im Kanzleramt selber, weil es da wenig Zuständigkeiten gibt. Stilprägend sind hingegen oft die Finanzminister. Nicht weil sie in der Finanzpolitik das Unterste nach oben kehren konnten, sondern weil sie für die Stimmung im Land nicht unwesentlich sind. Gibt es Aufbruch oder Sparen? Gibt es Glaubwürdigkeit oder Korruption?

Viele Regierungsmitglieder geben keine echte Antwort, wenn man sie fragt, was von ihrer Amtszeit bleiben soll. Liegt das an dieser von Ihnen beschriebenen Ohnmacht?
Das ist ein österreichisches Spezifikum. Bei uns ist man in den Ministerien immer schon strategisch untersteuert und operativ übersteuert. Man kümmert sich zu viel um Kleinkram und vernachlässigt die Strategie. In der Schweiz ist das ganz anders, da gibt es genaue Pläne für die Legislaturperiode, was wann gemacht wird. Das wird auch überprüft. Das haben wir nicht. Bloß keine Festlegung! Wenn ich keinen Plan habe, kann keiner sagen, ich hätte ihn nicht eingehalten. Das ist bei uns viel deutlicher ausgeprägt als anderswo. Warum das so ist, da bin ich noch nicht dahintergekommen.

Sie haben als Beispiele für Leute, die ihr Amt im Griff hatten, zwei Politiker aus den 1970er-Jahren genannt. Liegt das nicht auch daran, dass man da noch die Brache der Nachkriegszeit bearbeiten musste und dabei auch große Reformen setzen konnte?
Dazu kommt auch noch, dass es in dieser Zeit Alleinregierungen gab. Die Ära Kreisky und davor die Ära Klaus. Bei einer Koalitionsregierung wird ein klarer Akzent eines Ressorts oft durch ein anderes gestoppt. Oder man dringt in der Regierung nicht durch und muss Kompromisse schaffen. Dazu kommt: Gibt es einen fühlbaren Reformstau oder nicht? Bewegen sich die Fronten oder hat man sich in seinen Schützengräben, die in diesem Land von allen Interessengruppen gegraben wurden, eingegraben? Das ist so stark ausgeprägt, dass nur mehr ein Stellungskrieg geht und kein Bewegungskrieg. Man kann in diesem Land oft nur Stellungspolitik machen und keine Bewegungspolitik.

Die Koalitionspartner graben sich ein und gönnen dem anderen keinen Fortschritt.
Es gibt perfekte Strukturen zur Verhinderung des jeweils anderen. Das hat man wirklich gut geschafft. Dazu kommt noch, dass die Politik insgesamt inhaltsleerer ist und sich stärker auf Verkauf und Marketing konzentriert. Man greift Veränderungen nicht mehr an und versucht, die Nicht-Veränderung oder die kleinen Dinge, die man zusammenbringt, optimal zu verkaufen. Die Verpackung ist wichtiger als der Inhalt, das ist ein langfristiger Trend, der da mitwirkt.

Sie beschreiben einen Bedeutungsverlust des Kanzleramts, Macht ging an die Länder, die Strategen hätten keine Orientierung mehr. Woran lässt sich das festmachen?
Über Jahrzehnte war der Ballhausplatz das Zentrum der Politik, denn dort saß ein Kanzler, der gleichzeitig ein starker Parteiobmann war und auch den Parlamentsklub befehligt hat. Aber die politischen Parteien sind erodiert, die Länderorganisationen haben mehr Geld und Einfluss. Das bewirkt, dass die Stärke dessen, der die Bundesspitze einnimmt, nicht mehr so groß ist. Das Kanzleramt selbst hat nicht so viele Kompetenzen und gerät gegenüber dem Finanzminister ins Hintertreffen. Das wird besonders deutlich, wenn der Finanzminister auch noch von einer anderen Partei ist. Da merkt man, dass der Kanzler eigentlich der Zwerg und der Finanzminister der Riese ist. Das führt zur Schwächung der Zentrale. Dazu kommt noch: In früheren Zeiten war das Allerhöchste, das man anstreben konnte, Regierungsmitglied zu sein. Heute ist das für die erste Garnitur, die high potentials, nicht mehr das Interessanteste. Die Nummer-eins-Leute gehen gar nicht mehr in die Politik. Die zweite Garnitur macht Politik dort, wo es lustig ist, nämlich in den Ländern. Die Nummer-drei-Garnitur ist die, die die Bundespolitik macht. Vielleicht klingt das zu vereinfacht, aber es ist schon etwas dran, wenn man sich die Rekrutierungsmuster ansieht. Woher kommen die Leute und wie stark waren sie, bevor sie Minister geworden sind?

In den Kurz-Jahren war das Kanzleramt stark. Aber selten zuvor hat man sowenig gewusst, wohin das Land unter dieser Regierung eigentlich steuern soll. Wie lange hätte das funktioniert?
Aufgrund der strukturellen Schwäche der Parteiorganisation war es möglich, eine absolute Herrschaft in der ÖVP herbeizuführen, mit Durchgriffsrecht und Generalvollmacht. Der Kanzler war so stark, dass er freihändig Minister ernennen und in die Ministerien hineinregieren konnte, ohne dass wer zurückredet. Allerdings führt das Regieren über große Institutionen hinweg dazu, dass diese irgendwann nicht mehr mitspielen. Und ohne deren Rückhalt ist man schnell schwach.

Welche Institutionen?
Die Sozialpartner zum Beispiel, oder die Länder. Wenn die nicht mehr mitspielen, kommt man in die Phase: des Kaisers neue Kleider. Man merkt hoppala, da ist ja nichts dahinter. Das führt dazu, dass eine sehr machtvolle Situation sehr rasch in eine extrem machtlose kippt. Das habe ich bei stabilen Situationen nicht. Wenn der Sozialminister von der Gewerkschaft getragen wird, kann ich den nicht so leicht im Regen stehen lassen oder rausschmeißen. Wenn der keinen Rückhalt hat, kann er von einen Tag auf den anderen nichts mehr zu reden haben.

Kurz ist aufgrund von Skandalen zurückgetreten. Wäre seine Macht auch ohne diese, aufgrund der von Ihnen beschriebenen Mechanismen gekippt?
Die interessante Frage ist: Warum ist er eigentlich gegangen? Wegen der Skandale, oder weil er nicht mehr das absolute Kommando über die Landesorganisationen hatte? Der entscheidende Punkt war, dass die ÖVP-Länder gesehen haben, der reißt uns möglicherweise in einen Strudel hinein. Er ist nicht mehr Garant unserer Mehrheiten, sondern er gefährdet unsere Mehrheiten. In dem Moment ist es dann aus.

Der Druck des grünen Vizekanzlers war es nicht?
Es rächt sich, wenn man nicht erkennt, dass man auf den Koalitionspartner und das Parlament angewiesen ist. Das war nicht nur bei Kurz so. Worüber ist Alfred Gusenbauer gestürzt? Wahrscheinlich darüber, dass er die Landesorganisationen seiner Partei nicht pfleglich behandelt hat. Es hängt viel damit zusammen, in dem extrem komplexen Machtgefüge der österreichischen Demokratie nicht den Überblick und den Rückhalt zu verlieren.

Wenn eine Regierung implodiert, wie Türkis-Blau, und dann eine Expertenregierung folgt. Welche Macht hat da die Beamtenschaft?
Die kann eine große Rolle spielen. Wenn sie gut aufgestellt ist, gibt es hier eine große und nicht merkbare Macht, fast alles und jedes zu entscheiden, außer große Reformen. Warum? Weil dann wird klar, was die Verfassungslage ist. Es gibt eine Gewaltentrennung. Auch die besten Ministerien können nur verwalten, aber nicht Parlamentsbeschlüsse herbeiführen. Das kann man nur politisch steuern. Daher stößt man an seine Grenzen. Ich würde keiner Beamtenregierung länger als ein Jahr geben. Die bringen mit viel Glück ein Budget zusammen. Aber nur eines. Dann ist es aus.

Der Wunsch vieler nach einer Expertenregierung ist also gar nicht erfüllbar.
Jedenfalls nicht nach den jetzigen Rahmenbedingungen. Die Parteien müssten eine stärkere Verantwortung für das parlamentarische Geschehen wahrnehmen. Das Budget müsste zwischen den Parteien ausgemacht werden, nicht zwischen den Ressorts. Es bräuchte eine sehr klare Überordnung des Parlaments über die Regierung. Dann kann das funktionieren. Aber viele politische Dinge passieren ja auch anderswo, etwa in der Sozialpartnerschaft oder in den Ländern. Das würde einen großen Umbau des Systems verlangen. Solange das nicht so ist, ist der Ruf nach einer Beamtenregierung naiv.

Wie wirkt es sich auf die Qualität des Beamtenapparats aus, wenn Posten parteipolitisch besetzt werden, Kabinettsmitarbeiter gleichzeitig Sektionen oder Abteilungen leiten?
In den letzten 20 Jahren hat es Veränderungen gegeben, die sich nicht positiv auf die Qualität ausgewirkt haben. Da gab es zunächst die Auslagerung von Aufgaben. Die Statistik Österreich ist heute besser beisammen als in ihrer Zeit als Bundesamt. Aber die Ministerien machen von diesen ausgelagerten Kapazitäten zu wenig Gebrauch. Das ist schade. Das Zweite ist, wie schon beschrieben, die Verlagerung des Interesses auf Marketing und Verkauf. Und das Dritte ist die Personalpolitik. Man investiert zu wenig in die Qualifikation der Bediensteten. Wir bräuchten eine Verwaltungsuniversität. In der Wirtschaft steigt das Qualifikationsniveau, da muss man mithalten. Dazu kommen noch unprofessionelle Rekrutierungsmechanismen. Etwa, dass man Leute aus Ministerbüros irgendwo reinschiebt, egal, ob sie das können oder nicht. Ein börsenotierter Konzern würde sein Führungspersonal nicht so aussuchen.

Was genau ist die Motivation, ein Ministerium umzufärben? Machtrausch? Misstrauen gegenüber der Beamtenschaft?
Es ist viel Misstrauen dahinter, aber dieses Misstrauen ist falsch. Die richtige Strategie heißt: Führung. Vertrauen aufbauen, im Apparat erkennen, wer geht mit und wer nicht. Wenn man das tut, braucht man nicht irgendeinen befreundeten Menschen an eine Position zu setzen. Es gibt auch in der Wirtschaft unfriendly takeovers. Da besetzt man auch nicht auf einen Schlag alle Spitzenpositionen neu, sondern bemüht sich darum, das Unternehmen mitzunehmen, die Produktion nicht einbrechen zu lassen und die Kreativität zu erhalten. Davon kann man lernen. Allerdings haben Generaldirektoren in der freien Wirtschaft das alles gelernt, bevor sie es geworden sind. Die Minister haben nicht gelernt, einen Dienstleistungsbetrieb von so hoher Komplexität zu führen. Das ist auch ein Versagen der politischen Parteien.

Lässt sich das ändern?
Das wird eine der großen Herausforderungen der nächsten Bundesregierung. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese aus anderen Parteien bestehen wird als die jetzige. Die Frage wird dann sein: Arbeiten die neuen Minister mit dem bestehenden Personal, ja oder nein? In welchem Ausmaß versuchen sie, alles noch stärker umzukrempeln, als es schon passiert ist? Wenn sie das tun, wird das ein Riesenproblem. Das kann nicht funktionieren. In der Regierung Kurz ist das noch einmal gegangen, weil es eine starke Person gegeben hat, die die Entscheidungen getroffen hat. In der nächsten Regierung wird es keine ganz starke Figur geben, es wird ein kompromisshaftes Zusammenwirken von zwei oder drei Parteien sein.

Hinter die Kulissen der "Schauplätze der Macht"* blickt Manfred Matzka in seinem neuesten Werk. Das Buch wird am 24.10. in der Buchhandlung Morawa (Wollzeile 11,1010 Wien) sowie am 17.11. bei Thalia (Landstraßer Hauptstraße 2,1030 Wien) präsentiert. Beginn ist jeweils um 19 Uhr.

Woran merken die Bürgerinnen und Bürger, wenn es nicht funktioniert?
Das merkt man rasch, weil dann häufig Hoppalas passieren. Es fällt auf, wenn die Verwaltung unprofessionell wird. Deswegen glaube ich, liegt auch eine Chance der nächsten Regierung darin, starke Professionalität zu zeigen. Das wäre ein Alleinstellungsmerkmal, etwas Neues. Denn dasselbe zu machen, wie frühere Regierungen, nur in einer anderen Farbe, verbessert nichts. Also: Von der Transparenz bis zur Stellenbesetzung bis zur Art des Führens klar machen, was man will. Inhaltliches Crowdfunding politischer Ideen -man geht hinaus und holt etwas herein. Und nicht: Man macht sich vorher aus, was sein soll, und das passiert dann. Die Währung, von der die nächste Regierung abhängt, lautet: trust in government, das Vertrauen der Leute wiederzugewinnen. Das ist deswegen eine lohnende Aufgabe, weil das Vertrauen jetzt so weit unten ist. Da tut man sich leichter. Mit Verwaltungsthemen gewinnt man keine Wahlen, aber das Vertrauen ins politisch-administrative System, das gewinnt man damit. Und das ist das Entscheidende.

Die Parteien, die die nächste Regierung bilden, sind aber unter Umständen auch mit hohen Erwartungen ihrer Funktionäre konfrontiert, was Posten betrifft.
Davon muss man wegkommen und sagen: Es geht nicht darum, dass jemand von uns die Jobs hat. Es geht darum, dass jemand den Job so macht, dass das Beste dabei rauskommt. Natürlich sind aufgestaute Begehrlichkeiten da und Eitelkeiten, aber da muss man halt drüber. Durch die demografische Entwicklung werden so viele Jobs im öffentlichen Sektor frei, dass man ohnehin froh sein wird, überhaupt jemand zu finden. Es ist ja nicht mehr wie den 60er-Jahren. Da brauchte man ein Parteibuch, um Lehrer zu werden, weil es zu viele Kandidaten gab. Heute ist das Parteibuch dort völlig wurscht.

Wie groß ist ihr Vertrauen in die Parteien, dass es eine solche Änderungen nach der nächsten Wahl auch wirklich gibt?
Da bin ich selbst neugierig. Ich würde mir wünschen, dass ich in jeder Partei 15 Leute kenne, wo man sagt, das sind die Schattenminister, die infrage kommen.

Die Personaldecke ist dünn.
Die ist querbeet dünn. Da sollten sich die Parteien einmal überlegen, warum das so ist. Es gibt verzweifelte Versuche, wo anders nach geeigneten Personen zu fischen. Es gibt Quereinsteiger, die können das. Es kann aber auch schrecklich danebengehen. Auch diese Personalsuche könnte man professionalisieren.

Die dünne Personaldecke könnte auch an etwas liegen, das Sie selbst in Ihrem Buch so beschreiben. Der Beruf des Politikers sei mühsam, frustrierend, langweilig, fantasietötend, zeitfressend, zerstörend - aber auch gut fürs Ego.
Es ist wirklich eine schwierige Aufgabe. Die Politiker haben sie sich auch schwierig gemacht, indem sie sich zu viel aufhalsen. Sie tun oft so, als könnten sie alles steuern, alles erledigen, alles lösen. Da hat man es dann schwer. Aber zu sagen, das sind meine Grenzen, oder, hier bin ich nicht zuständig, ist natürlich auch nicht so leicht.

Sie sind einer der besten Kenner der Schauplätze der Macht. Würden Sie selbst in die Politik gehen?
Nein. Ich glaube auch, dass es für Nummer-eins-Positionen Leute braucht, die noch nicht zu abgeklärt sind. Wenn man das Gefühl hat, ich habe alle Fehler schon gemacht, die man machen kann, dann eignet man sich nicht mehr dafür, neue Fehler zu machen. Da hat man dann eine andere Rolle, Beratung zum Beispiel. Das mache ich gerne, wenn man mich fragt.

Zur Person
Manfred Matzka, 72. Der Jurist war zunächst im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts und im Gesundheitsministerium tätig. 1989 wurde er Kabinettschef des damaligen Innenministers Franz Löschnak (SPÖ) und leitete ab 1993 die Sektion für Fremden-, Asyl-, Pass-, Staatsbürgerschafts-und Migrationswesen. Von 1995 bis zu seiner Pensionierung 2015 war er Leiter der Sektion I (Präsidialsektion) im Bundeskanzleramt. Er hat mehrere Bücher über die österreichische Politik und Verwaltung verfasst.

Das Interview erschien ursprünglich im News 42/2023.

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