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Lotte Tobisch im Interview:"Was war mei Leistung?"

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Lotte Tobisch
©Bild: Sebastian Reich
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Unsere Kolumnistin Lotte Tobisch kann das Getöse um ihren 90. Geburtstag nicht nachvollziehen. Es sind aussterbende Tugenden, die sie einzigartig machen: Charakter, Noblesse und Souveränität. Im großen News-Gespräch erzählt sie über Zeiten des Liebens und der Lebenskatastrophe und prophezeit Europa ein baldiges Schicksal wie dem alten Rom.

Frau Tobisch, über Ihnen schlagen die Geburtstagsfeierlichkeiten zusammen. Wie gefällt Ihnen denn das?
Ich staune. Wenn ich mir anschaue, was sich da abspielt, möchte ich Meischberger zitieren: "Was war mei Leistung?"

Wenn man irgendwas ändern kann, bin ich mit 90 Jahren in der vordersten Reihe

Heißt das, Sie hätten lieber Ruhe?
Zum Ruhegeben hab ich immer noch Zeit, wenn ich im Grab bin. Was man irgendwie ändern oder besser machen kann - da bin ich mit meinen 90 Jahren in der vordersten Reihe. Aber Dinge, die absolut nicht änderbar sind, nehme ich jetzt mit einer großen Gelassenheit.

Was ist denn nicht änderbar?
Ich habe seit meiner Jugend mit Bronchialasthma zu tun, das sich im Alter zu einem Lungenemphysem ausgewachsen hat und jetzt sehr schlecht geworden ist. Ich habe schon die Rettung rufen müssen, aber ich nehme es mit einer großen Gelassenheit, und das ist das einzige Kompliment, auf das ich stolz bin: Wenn der Arzt kommt und sagt, er hat noch nie einen Menschen gesehen, der so keine Luft kriegt und dabei so ruhig ist. Sonst wär ich vielleicht schon erstickt. Und da ich ja gerne lebe, bleibe ich halt gelassen.

Ein Erstickungsanfall ist doch das Schlimmste, was einem passieren kann!
Das Schlimmste sind immer die Leiden, die man gerade hat. Genauso könnte mich ein Zahnwehanfall zum Wahnsinn treiben. Das ist die philosophische Frage, was noch Glück und was schon Unglück ist.

Was war denn das größte Unglück Ihres Lebens?
Als der Mann, den ich über alles geliebt habe, gestorben ist.

Das war der Burgtheaterdramaturg Erhard Buschbeck.
Er war 37 Jahre älter als ich, eine halbe Ewigkeit. Als wir uns kennengelernt haben, war er über 50 und ich 19. Wir haben von meinem 22. Lebensjahr bis zu seinem Tod zusammengelebt. Als er gestorben ist, war ich 34. Das war der Bruch in meinem ganzen Leben. Damals habe ich den übertriebenen Ehrgeiz verloren, weil ich mir gesagt habe: "Was soll mir jetzt noch Schlimmeres passieren?" Das war vielleicht das Positive daran.

Waren Sie dabei, als er gestorben ist?
Ja, freilich. Das war hier in der Wohnung. Er hatte Zungenkrebs und ist verhungert und erstickt. Das war die Katastrophe meines Lebens. Susi Nicoletti hat mir dann einen kleinen Hund gebracht, aus dem ein riesiger Boxer geworden ist. Der wurde der Vater von dem berühmten Boxer, den ich dem Kreisky geschenkt habe.

Aber Sie müssen sich doch mit 34 Jahren bald wieder gebunden haben.
Nein, überhaupt nicht. Sieben Jahre nicht. Dann hab ich wieder einen gefunden.

Wer was das?
Michael Simon, der israelische Botschafter in Wien. Nach dreieinhalb Jahren hat er begonnen, Alzheimer zu bekommen, und das war das bittere Ende. Ich habe ihm versprochen, dass ich ihn nach Israel zurückbringe, bevor er stirbt. Mit der Familie bin ich bis heute befreundet, auch mit der vom Erhard. Ich habe einige Familien zu betreuen. Nur die eigene ist dabei verkümmert.

War er ebenfalls älter als Sie?
Ja, mehr als 20 Jahre.

Mit einem Gleichaltrigen oder Jüngeren waren Sie nie beisammen?
Nie. Ich bin in dieser Hinsicht nicht ergiebig. Da müssen Sie sich schon an Ihre Titelbilddame Dagmar Koller wenden. Der Schriftsteller Fritz Hochwälder hat immer gesagt: "Mit der Lotte ist nix zu machen, das ist eine Einmannfrau."

Warum immer um so viel ältere Männer? Haben Sie einen Vater gesucht?
Mit Sicherheit. Meine Eltern haben sich sehr früh getrennt. Es war eine große Liebe, aber die beiden waren halbe Kinder, als sie sich kennengelernt haben. Die Mama war aus einem vornehmen Haus, aus einer Großindustriellenfamilie, die im Krieg mit Eisen- und Stahlgeschäften reich geworden war. Mädchen waren aufs Heiraten programmiert. Die Familie meines Vaters hatte im Ersten Weltkrieg ein Vermögen verloren, er war keine besonders gute Partie, meine Mutter hat ihn gegen den Willen der Familie geheiratet, und irgendwann war die Liebe dann vorbei. Ich habe jetzt für mein Buch in den alten Sachen gekramt und da dachte ich mir: "Mein Gott, was war ich für ein trauriges Kind!" Mit 16,17 habe ich Gedichte voller Traurigkeit geschrieben. Es war Krieg, meine Mutter war in zweiter Ehe mit einem Juden verheiratet, einem lieben und feinen Menschen, den ich sehr gern hatte. Er musste emigrieren, und der Vater war wieder weg. Nach der Emigration meines Vaters war die Gestapo bei uns Stammgast. Und ich war nur noch traurig und wollte nur weg, zum Theater. Die Familie hat mir nichts in den Weg gelegt. Die dachten, so schön, wie ich war, werde ich weggehen wie die warmen Semmeln. Aber das war eine vollkommene Fehlkalkulation: Ich bin durchgegangen, und dann haben der Buschbeck und ich uns kennengelernt. Er hatte eine Frau und zwei Kinder. Der Burgschauspieler Fred Hennings hat einmal gesagt: "Ich kenne nur zwei wirkliche Liebesgeschichten, Romeo und Julia und Buschbeck und Tobisch."

Was heißt, Sie sind durchgegangen?
Als die Russen gekommen sind, ist meine Familie nach Tirol ausgewichen. Und ich habe gesagt: "Ich bleibe", habe Schauspiel zu studieren begonnen und den Buschbeck kennengelernt. Ich war nicht schwer erziehbar, ich war unerziehbar. Ich habe in der Schule nichts gelernt, nur gelesen und gelesen. Ich war anders. Heute weiß ich, dass ich das Pferd von hinten aufgezäumt habe: Heute sagt man mir, ich bin ein Wunder der Natur, so jugendlich, wie ich angeblich bin. Damals habe ich das ganze Leid der Welt auf meine Schultern genommen, ohne es zu kennen.

Aber in der Nazizeit war doch das ganze Leid der Welt.
Freilich, aber ich bin ja in einem goldenen Käfig aufgewachsen, im Döblinger Cottage. Als ich nach dem Krieg noch kurz allein in der Villa war und die Telefonrechnung gekommen ist, war ich völlig verblüfft, dass man fürs Telefonieren bezahlen muss. Es war eine sonderbare Welt, die nach dem Ersten Weltkrieg zerfallen war und doch irgendwie weiterging. Meine Mutter hat dreimal geheiratet, zuletzt mit 70 Jahren einen 80-jährigen Universitätsprofessor, weil sich das so gehört. Sie hat auch nie gebilligt, dass ich nicht geheiratet habe. Sie ist vor zwölf Jahren mit 97 gestorben. Kurz vor ihrem Tod hat sie mir auf irgendwelche Vorhaltungen meinerseits geantwortet: "Schau, Lotterl, du warst doch auch einmal jung!" Das war meine Mutter. Entzückend, aber als Mutter von einem schwierigen Kind?

Wann haben Sie denn als Schauspielerin begonnen?
Ganz früh, als Statistin am Burgtheater, das damals im Ronacher gespielt hat. Ich hatte schon während der Schule Schauspiel gelernt und auch ein paar Stunden bei Raoul Aslan (einem der größten Schauspieler der Burgtheatergeschichte, Anm.) genommen. Er hat mich sehr gefördert ...

Mich zwickt nur einer in den Popo, wenn ich es will

... was ein Vorteil war, da er eher Herren zugeneigt war und nicht zudringlich wurde.
Zu mir war man nicht zudringlich. Ich hab schon früh gesagt: "Mich zwickt nur einer in den Popo, wenn ich es will." Nachdem ich im Ronacher zuerst nur Blumen geworfen und "Heil, Sappho!" geschrien hatte, ist eine Kollegin krank geworden, ich habe über Nacht übernommen und einen Vertrag bekommen. Den habe ich dann nach zwei Jahren von mir aus aufgelöst, nachdem die Sache mit Buschbeck begonnen hatte. Ich habe am Volkstheater gespielt, und dann kam das Versuchsfernsehen, und ich habe unendlich viel Fernsehen gemacht. Ich bin immer gut durchgekommen, obwohl ich keine Kanone im Verdienen war.

Die Wohnung am Opernring, an einer der besten Adressen Wiens, hat Erhard Buschbeck gehört?
Im Gegenteil, er hat bei mir gewohnt! Das hier sind ja eigentlich zwei zusammengelegte Wohnungen. Am Anfang war eine kleine Garçonnière, die einem Schulfreund von Erhard gehört hat, zu dem er gezogen ist, nachdem die Sache mit mir begonnen hatte. Der Freund ist an Krebs gestorben, ich habe die Wohnung übernommen, und als die Nachbarn weggezogen sind, noch eine zweite.

Würden Sie sich als hauptberufliche Schauspielerin bezeichnen?
An sich schon. Aber ich hab ja viel gemacht. Von mir hat einmal jemand gesagt, ich bin ein professioneller Amateur. Im wahrsten Sinne des Wortes: Ich liebe es, alles zu tun.

Würden Sie heute noch Theater spielen?
Nein, schon lange nicht mehr.

Warum nicht?
Weil das nicht die Art von Theater ist, die ich machen will. Ich schau mir alles an und es interessiert mich. Aber ich komme nun einmal vom Lesen, und was man heute mit Texten macht, das ist nicht meins.

Wie gut waren Sie denn als Schauspielerin? Großartig?
Aber wo denn! Ich war nie großartig.

Neun von zehn Leuten assoziieren mit Ihnen den Opernball. Gefällt Ihnen das?
Da kann man nichts machen, das ist Schicksal. Eine Punzierung, die zeigt, dass ich es offenbar gut gemacht habe. Ich tue alles gern, was mit Organisieren zu tun hat. Ich wäre vielleicht sogar ein ganz guter Theaterdirektor geworden. Das ist mir angeboren, und insofern hat mir der Opernball auch Spaß gemacht. Und ich mache Menschen gern glücklich. Mich selber hätten Sie als junges Mädchen hinprügeln müssen, aber ich habe Dinge erlebt, die man gar nicht für möglich gehalten hätte. Einfache Leute, die mit einer schiachen Tochter kommen, und ich frage: "Kann sie tanzen?" Und sie kann, und am Abend ist das schiache Mädel vor lauter Glück ganz hübsch. Sie war in der Familie das hässliche Entlein und plötzlich ist sie als eine von 700 Bewerbern genommen worden und ihr Leben ist ein bisschen anders geworden. In meiner Jugend hab ich geglaubt, man muss die Welt erlösen. Heute weiß ich längst, dass das nicht geht. Aber im Kleinen ist es mir dann und wann gelungen.

Aber das markanteste Resultat war die Machtübernahme Richard Lugners.
Für mich hat der Opernball immer etwas von märchenhafter Retro-Atmosphäre gehabt. Meine erste Begegnung war 1935. Da hat meine Nanny gesagt: Die Mama schläft am Nachmittag, und abends gehen wir auf den Opernball. Da habe ich meine Mutter im Goldlamékleid gesehen, behängt mit den Familienklunkern, und glaubte, ich sei im Märchen.

Und wie bringt uns das zu Lugner?
Weil der Ball ein Theaterabend ist. Die Oper gehört ganz Österreich, und wer zahlt, kann den Ball besuchen, einen richtigen Theaterabend mit Kostüm. Wenn Sie morgen den Frackzwang aufheben, ist der Opernball tot.

Das heißt, wenn Sie einem Affen einen Frack überziehen, ist er dort richtig?
Na gut. Der Lugner ist schrill und laut. Aber sind Sie sicher, dass der Sohn von Gaddafi oder die Witwe des philippinischen Diktators Marcos um so viel eleganter waren? Auf dem Opernball sind 7000 Gäste, und 7000 feine Leute gibt es auf der ganzen Welt nicht. Die Gesellschaft dort war immer eine total gemischte, von den Fürsten bis zu den größten Gaunern, nur alle verkleidet. Lugner ist ein Wurschtel, und einen Wurschtel muss der Opernball aushalten. Und zu meiner Zeit waren die Gäste vom Lugner alle in Ordnung. Was ist gegen die Loren zu sagen oder den Herzchirurgen Barnard? Ich hab dem Lugner die Loge gegeben, in der er sich mit seinem Wirbel breitmachen konnte, aber dann hat man einen Fehler gemacht und ihn weggesetzt. Und wenn Sie Leute wie ihn schlecht behandeln, dann legt er Ihnen ein Ei und holt sich die Huren.

Und wie ist es heute?
Sie können sich nicht vorstellen, wie wurscht mir das ist. Aber dass man den Ball jetzt so sichtbar kommerzialisiert, ist nicht gut. Man soll den Leuten wenigstens den Glauben lassen, dass sie zum Vergnügen da sind.

Sie sind mit ungeheurer Präsenz Präsidentin des Künstleraltersheims in Baden. Was treibt Sie dorthin?
Da wohnen alte Künstler, die meisten allein, berühmte und weniger berühmte. Die Cissy Kraner (legendäre Kabarettistin, Anm.) hat mir zwei Tage vor ihrem Tod gesagt: "I bin so froh, dass ihr mich dabehaltets!" Da habe ich mir gedacht: Jetzt weiß ich, warum ich's mach. Eine früher sehr berühmte Schauspielerin hat Alzheimer im vorletzten Stadium. Sie kommt manchmal in den Salon herunter, und wenn Musik ist, wacht sie ein bissl auf und wiegt den Kopf und summt mit. Sie würde sonst in einem Pflegeheim dahindämmern. Ich mache das gern. Ich bin ja bis heute viel allein.

Weshalb sind Sie allein?
Weil ich es so gern hab. Ich habe gesellschaftliche Ereignisse mein Lebtag nicht leiden können, und wenn ich heute zu so was geh, dann nur, um für Baden Geld zu sammeln. Die Heiligen sind die anderen, die Mutter Teresa zum Beispiel, die zu den Armen von Kalkutta in stinkende Slums gegangen ist.

Sehen Sie sich in dieser Liga der Hilfsbereitschaft?
Um Gottes willen, nein! Für Mutter Teresa habe ich keinerlei Veranlagung. Ich mache nur gern Menschen eine Freude.

Ich möchte keine Quotenfrau sein

Sind Sie Feministin?
Ich war schon emanzipiert, da waren die heutigen Emanzen noch nicht einmal konzipiert, und das in einer Zeit, in der man sich damit aus der Gesellschaft katapultiert hat. Aber eine Emanze im jetzigen Sinn, dass man die Männer quält und die Geschlechtsgenossinnen auch, wenn sie sich, Gott behüte, in den Mantel helfen lassen: Das empört mich. Dass man unter Verdacht gestellt wird, wenn man was gegen die Rauch-Kallat mit ihren Töchtersöhnen in der Bundeshymne sagt! Kürzlich haben Frauen bei einem Universitätsaufnahmetest schlecht abgeschnitten. Deshalb soll jetzt der Test geändert werden. Das ist doch grotesk! Ich möchte keine Quotenfrau sein. Das würde ich als Beleidigung empfinden. Ich halte in Zeiten von Frau Merkel und Frau Clinton überhaupt die ganze Debatte für Unsinn.

Ihre Freundschaft mit dem Kulturphilosophen Theodor W. Adorno ist Legende. So wie seine Affinität zu Frauen.
Ja, aber da gehören immer zwei dazu. Natürlich hat er es versucht, aber ich hab dem Teddy bald klargemacht, dass da nichts ist. Wir haben uns über den Lyriker Georg Trakl kennengelernt, den lang verstorbenen Jugendfreund vom Erhard. Der Adorno war künstlerisch in der Zeit zwischen 1900 und 1916 verankert. Er wurde zu dieser Zeit erst geboren, und ich konnte ihm aus Erhards Erzählungen viel weitergeben. Als er schon der große Adorno war, hat er immer gesagt: "In Wien steht mein Gartenzwerg." Ich habe ihn sehr gern gehabt, und er hat mich mit seiner Kindlichkeit zutiefst rühren können. Als ihn seine letzte Freundin hinausgeschmissen hat, wollte er nicht mehr leben. Aber politisch habe ich durch ihn eine neue Welt kennengelernt. Auch die der großen Juden.

Wo stehen Sie denn politisch? Man weiß, dass Sie sich während einer Demonstration mit einem Neonazi geprügelt haben. Das klingt radikal.
Das ist ganz einfach: Die Roten glauben, ich bin schwarz, und die Schwarzen glauben, ich bin rot, und beide haben recht. Wenn Sie eine Uhr nehmen, würde ich sagen: Ich bin sieben Minuten vor zwölf, auf der linken Seite. Sollte ich noch einmal auf die Welt kommen, gehe ich sicher in die Politik. Denn was sich jetzt abspielt, seit 40 Jahren in ganz Europa, das ist eine ungeheure Schande.

Sie sind doch in der schlimmsten Zeit aufgewachsen. Hat sich denn nichts gebessert?
Man steht da mit seinen 90 und fragt sich, was passiert ist. Man hat gedacht, Europa wird zur Besinnung kommen, sodass man nicht wieder in Situationen gerät, wo man sich nur fürchten muss. Aber man braucht sich ja nur die Eliten dieses kleinen Landes anzusehen! Da wird einem doch übel! Oder sind Sie ein Faymann- oder Mitterlehner-Fan?

Weder noch.
Seit Kreisky geht das so. Er hat Menschen geschätzt, die etwas gekonnt und etwas gedacht haben, auch wenn sie nicht unbedingt in der Partei waren. Heute teilen sich zwei Mittelparteien das Land auf. Jetzt haben sie noch einen Dritten dazu, weil sie es glücklich so weit gebracht haben, dass sie nicht einmal mehr Alleinherrscher beim Aufteilen sind. Und was machen sie mit uns? Man kann über die Frau Merkel denken, wie man will - man weiß ja aus der Bibel, dass Leute wie sie gekreuzigt werden. Aber das ist doch immerhin etwas. Hier sehen Sie die immer gleichen Gesichter, exemplarisch den Cap (ehemaliger SPÖ-Klubobmann, Anm.): Aus einem lebendigen Menschen, der einmal aufbegehrt hat, haben sie einen Versorgungsfall mit Zusatzvertrag gemacht, damit er dieselbe Gage hat wie vorher. Das ist doch widerlich! Deshalb wähle ich jetzt auch Irmgard Griss, weil sie nicht diesen Erbmonarchien angehört und etwas geleistet hat.

Aber leben wir nicht in vergleichsweise paradiesischen Umständen?
Natürlich. Ich war immer jemand, der gesagt hat: Österreich hat ein ungeheures Glück. Umso mehr ärgert mich, dass es aufs Spiel gesetzt wird. Bei der Hitlerei war ja nichts mehr zu verlieren. Da konnte man nur noch schauen, mit wie viel Krach es die Geschichte hinuntergeht, damit es wieder aufwärtsgehen konnte. Aber dann ist ja in den ersten 20,30 Jahren etwas entstanden! Und das setzen wir mit Unfähigkeit und Versorgungsdenken aufs Spiel.

Und Europa, wird es zusammenbrechen?
Ich denke oft darüber nach, was die wirklich intelligente Merkel eigentlich will. Ich kann es mir nur so erklären: Es muss allen das Wasser bis zum Hals stehen. Vielleicht wachen sie dann auf und sagen: "Jetzt geht es nur mehr miteinander."

Und die Debatte über den Import der islamischen Kultur, punkto Frauenrechte?
Ich war oft im Nahen Osten, das ist eine total andere Welt als die unsere. Dort herrschen die Clans, und der Stärkste hält es zusammen, so einer, wie Saddam Hussein einer war. Die Amerikaner haben das nicht verstanden, und die Folgen sehen wir. Man wird sich also unbedingt mit dem Assad hinsetzen müssen. Man soll Geld in diese Länder pumpen, dass die Menschen wieder leben können. Und ein paar können auch dableiben, da sind ja sehr gute dabei. Nein, Clans gehören nicht zur abendländischen Kultur. Aber dann müssen wir auch an das Abendland glauben, so, wie der schreckliche IS an das Seine glaubt. Wir müssen das Abendland vertreten, aber alle vertreten sich nur selber. Wenn wir so weitermachen, sind die ohne Zweifel die Stärkeren.

Und wie lang haben wir noch?
Es wird furchtbar rasch gehen. Das Römische Reich hat 600 Jahre zum Sterben gebraucht. Das geht jetzt g'schwinder, bei dem Tempo unserer Zeit.

Sind Sie da eher froh, dass Sie keine Kinder haben? Haben Sie nie Kinder vermisst?
Es hat sich halt nicht ergeben. Und heute sinnieren, was gewesen wäre, das ist nicht meine Art. Ich habe mir immer Ersatzkinder gesucht, und jetzt habe ich mehr junge Leute um mich als je zuvor.

Wir haben ganz zu Beginn vom schlimmsten Moment Ihres Lebens gesprochen. Welcher war denn der beste?
Das war kein Moment, das waren die zehn Jahre mit dem Erhard. Ich war zehn Jahre glücklich, ist das nichts? Wer kann das von sich sagen?

Und sind Sie jetzt glücklich?
Auf andere Weise. Ich schau mich um und denk mir, es ist doch eigentlich schön, dass ich mir das alles noch ansehen und dass ich mich noch ärgern kann, Anteil nehmen, hie und da etwas bewegen. Kleine Dinge, aber man versucht, sich nützlich zu machen. Und ich habe eine Kolumne im News.

Wie gefällt Ihnen denn diese Spätkarriere?
Es macht mir eine Riesenfreude. Das kann schließlich nicht jeder, dass er mit 90 anfängt, eine Kolumne zu schreiben.

Wollen Sie da pädagogisch wirken?
Nein. Da bin ich zu ungeduldig. Alle meine Mitarbeiter leiden unter meinem Tempo.

Denken Sie manchmal daran, dass das Leben mit 90 nicht endlos weitergeht?
Ich denk an heute, ich denk an morgen. Übermorgen wartet man mit 90 lieber ab. Und Zores auf Vorschuss mach ich mir auch keine.

Kommt etwas nachher? Der Himmel? Die Hölle?
Ich halte es mit Voltaire. Der hat gesagt: "Gott wird mir verzeihen, das ist sein Geschäft."

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