Sigrid begibt sich in Psychotherapie, weil sie den Mann, der ihr ursprünglich in seiner Begeisterung für sie fast auf die Nerven ging, auf einmal äußerst anziehend findet. Was führt zu solchem Sinneswandel.
Sagen wir, Ihr bevorzugtes Dessert ist heiße Liebe: Stellen Sie sich vor, auf einmal eine Lastwagenfuhr davon vorgesetzt zu bekommen. Wer will aber schon in Vanilleeis und heißen Himbeeren untergehen?
Auch in der Verliebtheit besteht Ertrinkungsgefahr, wenn einer den anderen zügellos mit Emotion überschwemmt. Klaus habe ihr vom Tag der ersten Begegnung an weisgemacht, dass sie für einander bestimmt seien. Und dass er sich darin ganz, ganz sicher sei. Er hatte schon die Hochzeitsglocken klingen gehört. Der Effekt war kontraproduktiv: Trotzdem Sigrid ihn eigentlich auf der Partnerplattform schon beim gegenseitigen Texting anziehend gefunden hatte, verfiel dieser Eindruck beim Realitätscheck komplett. Viel zu schnell begeistert war er von ihr!
Im Folgenden die wichtigsten Argumente, warum man sich besser noch nicht zu schnell mit erhitzten Emotionen überschwemmt.
Auf schnelle Nähe folgt Distanz
Fasziniert von Klaus‘ Begeisterung für sie, hatte sich Sigrid mit ihm ins Liebeskarussell begeben, bis beiden vollkommen schwindelig war. Sich pausenlos nacheinander zu verzehren, katapultierte die Turteltauben zunächst unbemerkt aus ihren so zentralen Alltagsroutinen, den bewährten Säulen des Wohlbefindens. Bis es zum jähen Ausbruch aus der rauschartig konsumierten Nähe kam.
Wunsch nach Verschmelzung
Dahinter steht ein verborgenes Bedürfnis, mit einer geliebten Person eins zu werden. Das geht aber (noch) nicht mit einem (fast) Fremden! Daher runter vom Gas und sich Schritt für Schritt einander annähern, dann kann Erwartungsdruck das nur organisch wachstumsfähigen Beziehungsglücks nicht jäh dahinschmelzen lassen.
Imageverlust
So verliebt wie Klaus ansatzlos gewesen sei, habe sie eher stutzig gemacht, bekennt Sigrid. „Er projizierte wohl seine Wunschfantasien auf mich.“ Und jetzt? Erlitt sie einen Imageverlust, nachdem sie ihn in seiner Romantikphase mit ihrer plötzlichen Dauerbedürftigkeit eingeengt hatte. Gute Nähe braucht Grenzen. Sigrid vergaß in ihrer anerzogenen Wunscherfüllungshaltung Klaus gegenüber auf ihre persönlichen Grenzen. Und ließ ihre Wut und Enttäuschung an ihm aus, etwas zu wünschen, wozu sie emotional eben schlichtweg noch nicht bereit gewesen war.
Organisches Wachstum
Die Liebe ist insofern eine Entscheidung als man immer die Möglichkeit hat zu sagen, ich verlasse das Gefühlskarussell. So geschehen bei Klaus, den Sigrids scheinbar unmotivierte Attacken auf sein Selbstwertgefühl abkühlen ließen. Der früher die totale Nähe für sein Glück gehalten hatte, fürchtete nun um seine Selbstbestimmung, da ihm Sigrid „zu dominant“ geworden sei.
Rollenumkehr
Kaum zieht sich einer aus der Verzücktheit zurück, beginnt die emotional auf Entzug gesetzte andere Person das zunächst nicht erkannte Gut zu vermissen.
Fazit: Menschen wie diese beiden gehen mit unterschiedlichen Erwartungen an die Liebe heran. War für Sigrid die freundschaftliche Annäherung bedingungslose Basis des Weiteren, köpfelte Klaus in die Vision des perfekten Matches und erwachte schließlich enttäuscht. Menschen dürfen aber ein unterschiedliches Mindset und Tempo in der Annäherung haben. Es gilt hier, angstfrei in Kontakt zu bleiben und wertneutral zu schauen, was noch kommt, ohne sicherheitsbedürftig alles vorwegzunehmen. Und bitte verschlingen Sie nie mehr als eine Portion, sonst verderben Sie sich Ihre noch so heiße Liebe!
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