Alexandra klagt, Jochen würde nach dem Sex sofort wieder am Notebook arbeiten. Und Jochen? Findet nichts dabei, wenn „danach“ wieder jeder sein Ding machen würde
Sexualität, die erfüllend sei, habe ein Vorspiel – so lautet ein weit verbreiteter Glaubenssatz. Lydia hingegen nervt es, wenn Marko gefühlt ewig an ihr taktil herummanövrieren würde. Das Vorspiel dient einem bestimmten Zweck – die Libido anzufeuern. Auf den darauf folgenden „Akt“ einzustimmen. Es geht aber im Liebesleben nicht wie im Burgtheater zu. Sondern es geht um Vertrauen und einen gewünschten Kontrollverlust in der Liebe. In der Sexualität darf ich mich zeigen, wie ich bin, ohne befürchten zu müssen, in meiner Performance beurteilt oder gar verurteilt zu werden. Es geht um ein gemeinsames Erlebnis, am besten in einem Guss, oder eben: Fluss. In der Umsetzung hapert es. Alexandra fühlt sich alleingelassen, wenn Jochen nach dem Höhepunkt „sofort verschwindet“. Auch das plötzliche Einschlafen wirkt häufig wie Desinteresse. Oder gar wie Verlassenwerden oder Liebesentzug. Gerade noch entflammt, scheint der Vorhang gefallen, die Glut der Liebe erloschen. „Ich bin dir schlagartig nicht mehr wichtig“, sagt Alexandra zu Jochen. Er dementiert und führt es auf ihre Selbstunsicherheit zurück. Wozu nach dem Sex noch ein Nachspiel veranstalten? Und wie kann man das Liebesspiel im besten Fall ausklingen lassen?
Ausdruck von Wertschätzung
Sexuelle „Nachspielzeit“ bedeutet eine zeitliche Verlängerung der gegenseitigen Aufmerksamkeit. Und befreit zu sein von jedwedem keimenden Argwohn, nicht wirklich geliebt und nur sexuell interessant gewesen, gar nur benutzt worden zu sein. Auch wenn das gar nicht so gemeint war, kann ein fehlendes „Nachspiel“ eine solch belastende Wirkung haben.
Bindungskitt
Eine oder mehrere Runden Zärtlichkeit beim „Nachspiel“ führen zur Vertiefung der positiven Bindung. Der soziokulturell als das Ende des Beischlafs erachtete Orgasmus wird somit zum Übergang in die gewünschte Verlängerung.
Stressfrei kuscheln
Und wenn nun schon „das Wichtigste“ erledigt und der Klimax überschritten ist, können die beteiligten Personen noch die Nähe genießen, die Vertrautheit, das Nacktsein, anstatt sofort panisch auseinanderzubrechen und fast krampfhaft wieder in den Alltag zurückzukehren. Oder sofort einzuschlafen. Besser noch die Trance auskosten, kuscheln, in der Löffelchenstellung gemeinsam genießen.
Vertrauensbooster
Die konstante Zugewandtheit während einer Nachspielzeit nährt das Vertrauen und vermittelt das Gefühl, dass nichts geleistet oder geboten werden müsse, um begehrt zu sein. Ein schöner Ausklang.
Gemeinsam duschen
Die aus medizinischer Sicht empfohlenen Hygienemaßnahmen nach dem Beischlaf sind keine Liebeskiller: Das Nachspiel kann auch in gemeinsamem Duschen bestehen und ebenso erotisch prickelnd wie das Vorspiel wirken. Vorspiel und Nachspiel sind sich dann phänomenologisch gleich.
Fazit: Bleiben Sie sich treu, aber stellen Sie sich auch auf die Bedürfnisse in der Partnerschaft ein. Deshalb ist Kommunikation wichtig. Denn ein noch so lang mit Ihnen zusammenlebender Mensch kann nicht Gedanken lesen. Daher sprechen Sie Ihre Sehnsüchte offen aus und üben konstruktiv Kritik, indem Sie es wohlwollend als Wunsch formulieren.
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