Wird aus der südsteirischen Weinstraße ein zweites Kitzbühel? Publikumsliebling Peter Kraus plant ein millionenschweres Tourismusprojekt - und wird so zur Symbolfigur eines Richtungsstreits
Im messerscharf gebügelten, schneeweißen Baumwollhemd sitzt Peter Kraus vor seinem Anwesen im südsteirischen Weinland und lässt den Blick über die sanften Hügel wandern. Nach fast jedem seiner Auftritte, egal wo, kehrt er noch in derselben Nacht wieder hierher zurück. Er liebt diese kleine Welt, und genau deswegen würde er sie gerne ein wenig größer, ein wenig weltläufiger machen. So richtig Reiche will er anlocken, damit sie hier so richtig Geld ausgeben. Und ganz nebenbei will er sich, wie er im News-Interview einbekennt, damit auch selbst ein Denkmal setzen. Doch irgendwie scheint man das in dieser kleinen Welt nicht zu wollen -und das versteht er nicht. "Die Volksschule steht vor der Schließung, das einzige Wirtshaus auch, ein Geschäft gibt es nicht, Arbeitsuchende müssen auspendeln", holt der 82-jährige König des deutschsprachigen Rock and Roll aus, "Und da wird von gut organisierten Gegnern eine 25-Millionen-Investition abgelehnt, die ganzjährig Arbeitsplätze, Infrastruktur, wertige Gastronomie sowie erhebliche Einnahmen für die Gemeinde und die regionale Wirtschaft bringt."
Gut organisierte Gegner? Ja, wie gibt's denn so was? Erst war dieser Peter Kraus das Sexsymbol der Wiederaufbaugeneration, dann wurde er in einer Art fließendem Übergang zum kultigen, bestens erhaltenen Oldie; was immer er auch anpackte, das Etikett Publikumsliebling blieb an ihm kleben wie die Haartolle seiner Frühzeit.
Doch nun findet sich der Mann, den stets jeder mochte, mit einem Mal als Reizfigur in einem hochemotionalen Richtungsstreit wieder. Einer, in dem nichts weniger verhandelt wird als: Soll man die südsteirische Weinstraße, pathetisch auch "steirische Toskana" genannt, dank prominenter Investoren und luxuriöser Bauprojekte zu einem zweiten Kitzbühel hochjazzen? "Goldrausch an der Weinstraße", schlagzeilt etwa die lokal bestens verankerte "Kleine Zeitung", und die steht gemeinhin nicht für boulevardeske Zuspitzungen.
Sigi Wolfs Wein-Wunderland
Am Sernauberg etwa stampft Spitzenmanager Siegfried Wolf sein eigenes kleines Wein-Wunderland aus dem Boden, auf einer Fläche von etwa 30 Hektar entstehen für kolportierte 25 Millionen Euro mondäne Chalets, ein Hang wurde dafür bereits planiert, ein Waldstück gerodet. In Gamlitz wiederum errichtet der Unternehmer Michael Pachleitner auf dem Areal, auf dem bisher ein traditioneller Buschenschank stand, um 15 Millionen ein Luxushotel samt Gourmettempel. Und noch einer verleiht der einstmals alles andere als abgehobenen Region gewaltige Flügel: Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz verwandelte Thomas Musters Ex-Domizil auf dem Kittenberg in ein hollywoodtaugliches Hideaway, mietbar für rund 4.000 Euro pro Nacht, Infinitypool und Hubschrauberlandeplatz inklusive.
Eine der Aktivbürgerinnen, die sich gegen den groß angelegten Bau stemmten, ist Gitta Rupp, 72, Biobäuerin und Sprecherin der "Arbeitsgemeinschaft Natur-Respekt": "Manchmal scheint es mir, als würde unsere wunderbare Gegend nur noch von sogenannten Starwinzern und reichen Prominenten kontrolliert, die eine ganze Region unter Wachstumszwang setzen wollen." Gar nichts habe sie gegen Kraus persönlich, sehr wohl aber gegen das, was er hier "unter dem Deckmantel des Fortschritts" plane.
Gott und Erzherzog
"Gott -dachte ich -schütze dieses herrliche Land, in deiner Hand lieget es, Ruhe und Glück demselben zu bewahren", notierte Erzherzog Johann im Jahre 1811 über die Region "südlich der Ebene nach Ehrenhausen" in sein Tagebuch. Nun scheint es, als habe der Allmächtige den Habsburger tatsächlich erhört. Nur der anrainende Geldadel, der ist gründlich verstimmt: "In Ratsch passiert überhaupt nichts, außer dass die Leute sagen:,Das ist das alte Ratsch, das wir schon seit Ewigkeiten kennen, das ist nett und gemütlich.' Aber das war's dann auch schon", wettert Peter Kraus.
In Gamlitz, wo er nunmehr wohnt und immer wieder lokale Festivitäten wie etwa das Maibaumaufstellen beehrt, hat ihm Bürgermeister Karl Wratschko, ÖVP, längst schon das Ehrenzeichen der Gemeinde verliehen. Im Nachbarort Ehrenhausen, wo er nun bauen will, sagt Bürgermeister Martin Wratschko, ÖVP: "Wir dürfen nicht Kitzbühel werden und auch nicht Schladming. Ich habe auf die Interessen unserer Bevölkerung zu achten, nicht auf jene der Prominenz."
Zwei Wratschkos, keine Verwandtschaft. Zwei Welten, gerade 2,6 Kilometer voneinander entfernt. Und mittendrin der Mann im schneeweißen Baumwollhemd, der in beiden daheim sein will.
News: Herr Kraus, Sie sind seit Jahrzehnten mit dem Etikett "Publikumsliebling" versehen, nun stehen Sie plötzlich im Zentrum eines lokalen Politikums. Wie geht es Ihnen damit?
Peter Kraus: Ach, wissen Sie, Kritik bin ich gewohnt, ich stehe und stand trotz meiner Erfolge immer für irgendetwas in der Kritik. Heute nennen mich manche den "Alt-Rock-'n'-Roller", als ich jung war, nannten mich manche "Schluckauf-Heini" - ich fürchte, das gehört ganz einfach zum Job. Und im Vergleich zu Politikern geht es mir ja ohnedies noch gut. Aber ich möchte Ihnen eines sagen: Die Menschen hier in der Südsteiermark haben mich so herzlich aufgenommen, dass ich mir dachte: Hier möchte ich mehr hinterlassen als "nur" den Legendenruf. Hier gehört noch etwas hin, was für die Zukunft wichtig ist. Deswegen auch meine Verbindung zu Gernot Röck, einem der ersten Baumeister, und zu Gastronom Franz Grossauer, mit dem ich befreundet bin. Wir brauchten dann nur noch einen architektonischen Fachmann, den haben wir dann in Person von Professor Gangoly gewonnen. Wir sind vier Leute, die wirklich was auf die Beine stellen könnten. Denn hier muss was passieren.
Naiv gefragt: Warum?
Sehen Sie sich doch um: Es gibt in der Region kaum gute Hotels. Es gibt zwar private Zimmer, es gibt Buschenschanken, aber das ist meiner Meinung nach nicht die alleinige Zukunft. Die Zukunft ist, dass wir hier breiter gefächert sind, es ist zu wenig da. Zudem gibt es keinen Ganzjahresbetrieb, Sie können hier etwa rund um Weihnachten überhaupt nicht essen gehen.
Muss es denn immer und überall alles geben?
Ich bin der Meinung, dass ein Gebiet, das so schön ist, so ausgelegt werden muss, dass jedermann hinkann und jedermann hinwill. Es nützt ja nichts, wenn wir nur Radlfahrer haben, die von Buschenschank zu Buschenschank fahren. Ich möchte auch wohlhabendere Leute, die sagen: "Hier wohne ich sensationell, hier esse ich sensationell, hier gebe ich gerne mein Geld aus -und gerne auch viel Geld."
Andere werden auf ihre reiferen Tage eher Naturbewahrer, die mit Blick auf ihre Kinder und Enkel ein stärkeres ökologisches Bewusstsein entwickeln. Bei Ihnen könnte man den Eindruck gewinnen, Sie werden zum Turbokapitalisten, der an der Entwicklung einer boomenden Region mitnaschen will. Ist das eine böse Unterstellung?
Eine reine Unterstellung. Ich sage Ihnen eines: Ich könnte mit meinem Geld etwas bei Weitem Profitableres machen. Es ist ja nicht einmal sicher, dass ich noch leben würde, wenn all das fertiggestellt wäre. Wenn du im Alter dein Geld anlegen möchtest, denkst du ja in der Regel ein wenig kurzfristiger, sodass rasch auch wieder etwas reinkommt. So denke ich aber überhaupt nicht. Wir würden das ja nicht hinstellen wie spekulative Unternehmer, die sagen: "So, jetzt schaue ich, dass möglichst schnell Kohle reinkommt." Wir wollen das nicht, wir wollten etwa ganz langsam mit dem Wirtshaus beginnen, dem gutbürgerlichen "Ochsenwirt".
Gefällt Ihnen die Bauästhetik der Südsteiermark?
Ich finde es in Ordnung, dass die Weinbauern modern bauen dürfen -auch wenn ich es grundsätzlich total ablehne und meiner Meinung nach viele Sünden passieren. Aber genau deswegen würde ich gerne mit Freunden ein besseres Beispiel hinstellen.
Nun hat sich aber eine Mehrheit der Anrainerschaft dagegen ausgesprochen, dass für Ihr Projekt der Flächenwidmungsplan geändert wird.
Der Widmungsplan ist ja erst relativ neu, das ist das Problem. Und wenn der jetzt in kürzester Zeit nicht geändert werden kann -okay, dann geht's halt nicht, dann machen wir eben was anderes. Aber ja, mein Herzblut hängt da schon dran. Natürlich kann man sagen: "Da gehört gar nichts her." Aber so denke ich nicht - mein Kopf ist voller Pläne. Ich muss immer etwas machen, etwas verändern. Für mich ist logisch, dass sich die Dinge weiterentwickeln. Wenn ich sehe, wie sich etwa Gamlitz entwickelt hat unter Bürgermeister Wratschko - was der alles macht! Der gewinnt Preise für das schönste Blumendorf, stellt einen Motorikpark hin. In Ratsch passiert überhaupt nichts, außer dass die Leute sagen: "Das ist das alte Ratsch, das wir schon seit Ewigkeiten kennen, das ist nett und gemütlich." Aber das war's dann auch schon.
Aber ist das denn kein Wert?
Ja, aber ist es auch noch in fünf oder zehn Jahren ein Wert? Das glaube ich nicht. Was mich zum Beispiel schwer begeisterte, sind die schönen alten Häuser, die es hier überall gäbe - gäbe. Aber es gibt niemanden, der sie herrichtet. Verkauft werden sie nicht, was ich von einem gewissen Standpunkt aus auch in Ordnung finde, aber hergerichtet werden sie auch nicht. Mit einem Wort: Es geht nichts weiter, und wenn nichts weitergeht, werde ich nervös.
Nun besteht aber auch die Befürchtung, dass hier eine illyrisch geprägte Natur-und Kulturlandschaft "verkitzbühelisiert" wird.
Also dass aus Ratsch ein zweites Kitzbühel wird, das erlebe ich sicher nicht mehr -und mein Sohn wohl auch nicht. Dahin wäre es wirklich noch ein weiter, weiter Weg. Unser Projekt bestünde ja aus Winzerhäuschen mit eigenen Weinkellern, die in den Hang gebaut werden würden. Das wäre dann ein großes Gelände mit relativ wenig Häusern - darum hasse ich auch Worte wie "Verhüttelung". Da gehören wir nicht dazu.
Sie sagten eingangs, dass Sie hier gerne etwas Bleibendes hinterlassen würden - ist es das, worum es im Leben geht?
Ja, schon. Denn auch wenn man noch so oft hört, wie beliebt man denn nicht ist und zudem eine Legende - wenn du tot bist, ist es aus. Das habe ich ja bei vielen meiner Kollegen gesehen, etwa kürzlich bei Bill Ramsey, den ich verehrt habe. Man könnte ja mit seiner Musik Remembering-Shows machen, aber es passiert nichts davon, was so einem Menschen eigentlich gebühren würde. Und nun ist er einfach tot.
Und nun fürchten Sie, dass mit Ihrem Andenken eines fernen Tages dasselbe passieren könnte?
Ich hätte schon gerne, dass einmal jemand sagt: "Du, ich habe jetzt hier ein Häusl gemietet, da bin ich jetzt 14 Tage -übrigens, das hat einmal der Alt-Rock-'n'-Roller initiiert." Das fände ich schon gut. In meiner bescheidenen Denkart sage ich mir: Ja, ich will hier etwas herstellen, damit etwas von mir bleibt. Wir wollten ja etwas Besonderes schaffen, nicht nur einfach Häuser, die wir irgendwie vermieten.
Und wie geht es nun weiter?
Die Volksschule in Ratsch steht vor der Schließung, das einzige Wirtshaus auch, ein Geschäft gibt es nicht, Arbeitsuchende müssen auspendeln -und da wird von gut organisierten Gegnern eine 25-Millionen-Investition abgelehnt, die ganzjährig Arbeitsplätze, Infrastruktur, wertige Gastronomie sowie erhebliche Einnahmen für die Gemeinde und die regionale Wirtschaft bringt. Es soll ja ein Tourismusprojekt entstehen und definitiv keine Zweitwohnsitzanlage. Aber noch hat der Gemeinderat nicht entschieden, und wir werden in nächster Zeit viel Aufklärungsarbeit leisten. Am Ende halte ich es immer noch mit Goethes "Faust":"Vernunft fängt wieder an zu sprechen und Hoffnung wieder an zu blühn "
Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 33/2021.