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Von Leuchttürmen und Auslastungs-Triumphen

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Heinz Sichrovsky
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Der Intendant der Wiener Festwochen verabschiedet sich vor der Zeit, am Volkstheater ändert sich vorläufig nichts. Und: die Zentralmatura wird dank weiser Verordnungen de facto zum Teufel geschickt. De jure wäre noch besser

Gertenschlanke drei Wochen ist das erst her: Da habe ich an dieser Stelle die amtliche Diskretion im Umgang mit der Pflichtausschreibung der Festwochenintendanz vermerkt. Christophe Slagmuylder, erklärtermaßen verbleibswilliger Amtsinhaber seit 2019, war da schon fast zur Verlängerung durchgewinkt, die Bewerbungsfrist am Ablaufen und die Causa an der Öffentlichkeit praktisch unbemerkt vorbeigehuscht. Mein Hinweis erging also keineswegs zu früh. Aber auch nicht zu spät. Flink veröffentlichte die ÖVP via „Kurier“ das Resultat einer Anfrage im Gemeinderat, die in Kurzem folgendes ergab: Die Festwochen haben, bei gleichbleibender Subvention, viel weniger Karten aufgelegt als je zuvor. Dennoch wurde das großteils aus Tourneeprogrammen generierte Angebot nicht etwa gestürmt. Im Gegenteil.

Tage später gab Mijnheer Slagmuylder bekannt, sich schon ein Jahr vor Vertragsende Richtung Brüssel verändern zu wollen. Jetzt wird neu ausgeschrieben, diesmal ernsthaft. Die (von mir geschätzte) Kulturstadträtin Kaup-Hasler erblickt darin einen Triumph: Der Heimgang Slagmuylders beweise, dass „die Wiener Festwochen über die Grenzen des Landes hinaus als kultureller Leuchtturm strahlen“. Haben somit auch Kurz, Blümel, Köstinger und Aschbacher zu intensiv in die Privatwirtschaft gestrahlt, um in ihren weit über die Grenzen des Landes wahrgenommenen Leuchtturmverpflichtungen fortfahren zu können?

Die Wiener ÖVP fragte bei der Gelegenheit übrigens auch das Volkstheater ab – auch der dort aktive Direktor Kay Voges ist dem Wunderhorn der Stadträtin entwichen – und erfuhr nichts a priori Ermunterndes: nämlich Auslastungen zwischen 21,1 und 46,7 Prozent pro Neuinszenierung. Unter diesen Umständen erstaunt die kürzlich veröffentlichte Gegendarstellung des Hauses: Man sei aktuell weder zu 21,1 noch zu 46,7, sondern zu 70 Prozent ausgelastet. Wobei allerdings diverse Nebenaktivitäten – etwa Pop-Konzerte – zu berücksichtigen wären. Zudem hege ich im Lichte langjähriger Erfahrung den Verdacht, dass in die Prozentrechnung auch Auftritte an Kleinstschauplätzen wie der Dunkelkammer oder der Roten Bar einfließen. So gesehen ist in jedem ehelichen Schlafzimmer Hundertprozentbelegung zu feiern, auch ohne frequenzerweiternde Eskapaden.

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 © Screenshot Volkstheater
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VOLKSTHEATER. Die Saalbilder, Stand 24.10. Sie betreffen die Repertoireaufführungen "Einsame Menschen" (o., 25.10.) und "Würgeengel" (2.11.). Die bunt markierten Plätze sind frei, der oberste Rang wird nicht verkauft © Screenshot Volkstheater

Und was die Konzerte, aktuell von „Rapper Danger Dan“, anlangt: Dann kann man das Haus auch der Wiener Wiesn als Schlechtwetterlokalität zur Verfügung stellen. Oder sich um das Hallenfußballturnier bewerben. Nach meinem Verständnis ist ein Theater dafür bestimmt, Theater zu spielen (auch dem Ausschreibungstext aus dem Jahr 2019 entnehme ich nichts Gegenteiliges). Und da orientiere ich mich an den Saalplänen auf der hauseigenen Internet-Seite. Wobei hier eine Bildlegende erforderlich ist: Das Bunte sind nicht etwa die verkauften, sondern die freien Plätze. Und der oberste Rang gelangt laut Auskunft an der Kassa überhaupt nur noch zu Premieren in den Verkauf. So ist das, auch wenn man via „Theater heute“-Kritikerumfrage gerade zur zweitbesten Bühne des Sprachraums gewählt wurde. Und zwar mit vier von 45 Stimmen. Es gab Zeiten, da wurden solche Prädikate noch nicht zum Sozialtarif abgestoßen.

Zum Schluss ein optimistisches Postskriptum: Auch in postpandemischer Zeit setzt sich die Maturanote laut Verordnung dauerhaft zu je 50 Prozent aus den Resultaten des Jahresabschlusses und der Klausurarbeit zusammen. Das bedeutet: Die debile Zentralmatura ist tot. Kein Lehrer muss jetzt mehr acht Jahre lang den Literaturunterricht schwänzen, um Leserbriefe und Meinungsreden zu trainieren, weil derlei Schwachsinn Maturagegenstand ist: Ein Befriedigend im Jahresabschluss genügt, und den Jahresabschluss verantwortet der Lehrer, keine praxisferne Bürokratenblase. Auch den beamteten Giftzwergen von der Mathe-Staffel ist damit der Stachel gekappt: Wer das Jahr über ordentlich lernt, kann ihnen zur Matura den Rückspiegel präsentieren. Fähige Schüler können von klugen Lehrern jetzt wieder ihren Begabungen entsprechend gefördert und über das andere mit Menschenverstand ein Stück weggezaubert werden. PS.: Die unfähigen Schüler scheitern ohnehin, zentral wie dezentral.

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