Heinz Sichrovskys Spitzentöne:
Der Idiot von Weinberg war mit Abstand das Beste, was ich seit Jahren gesehen habe. Ich bin so ergriffen und berührt, es hat mich körperlich erfasst bis in die innersten Fasern. Tief, präzise, unglaublich gut gespielt schauspielerisch. Die Komposition vollkommen eigenständig. Zeitlos und gültig in Text und Botschaften. Die musikalische Qualität aller Sänger und Sängerinnen grandios. Dirigat perfekt. Nichts Überflüssiges in der Inszenierung, brillant umgesetzt. Bühnenbild und Kostüme sehr stimmig. Sogar die Übersetzung (Der arme Ritter) poetisch, in Rhytmus, Klang und Reim. Überhaupt nichts Pathetisches. Das können nur die Russen! Ein großartiger Regisseur.
Komme völlig durchgefroren und durchnässt nach Hause. Ein kleiner harter Kern hat bei der Übertragung am Kapitelplatz bis zum Schluss durchgehalten, 213 Minuten. Meine Tränen haben sich mit dem Regen vereint. Der großartige Bogdan Volkov erinnert mich von Gestalt und Aussehen an einen sehr lieben Freund, der sehr wissend und bescheiden ist.
Ich bin sehr, sehr erfüllt. Dieses Jahr auch weitere Erlebnisse, die mich im großen Festspielhaus die feinen Nackenhaare aufstellen ließen (Honecks Dirigat Rachmaninow 3 und Mahlers Fünfte, Kate Lindsay Tiranno im canto lirico - Caldera, A. Scarlatti, Händel, Monteverdi), fast alle Brucknersymphonien von Thielemann ( Marathon) im Schatten des Neptunbrunnens, und anderes.
Erfüllt, erledigt, vollgesogen, schwebend …
Johanna Pühringer, via E-Mail
Ich möchte keine Meinung äußern, aber etwas fragen:
Was macht für Sie den Gesang von Elsa Dreisig "himmelschön".
Ich würde es gerne verstehen. Vielleicht könnte ich es dann auch erkennen.
Danke und freundliche Grüße,
Doris Gruber
Es geht da unter poetischer chiffre um ein gewisses maß der makellosigkeit der linie, des stils , des ausdrucks in verbindung mit einer meist lyrischen, klaren, beseelten stimme. Wenn sie auf youtube lisa della casa oder gundula janowitz aufrufen, beide mit mozart oder strauss, da haben sie sowas. Liebe grüße, hs
Ja, interessanterweise wird sie mit della Casa und Janowitz verglichen. Gundula Janowitz liebte ich, bei ihr hörte ich tatsächlich Seele. Auf ihrem Gesang konnte man sich davontragen lassen. Lang, lang ist's her. Vielleicht auch eine verklärte Erinnerung.
Bei Frau Dreisig vernehme ich davon nichts, sie tut mir teils sogar etwas weh.
Was ich bei Dreisigs Stimme interessant finde: Bei Übertragungen klingt sie für mich besser, bekommt mehr Substanz und tut mir damit auch nicht mehr weh.
Beim dritten Capriccio-Abend hatte ich mich allerdings schon etwas an sie gewöhnt. Kam sogar zum Schluss, dass, wenn sie in die richtigen Hände kommt, tatsächlich eine beeindruckende Sängering aus ihr werden könnte. - Ist natürlich alles ganz subjektiv.
sehr geehrter herr sichrovsky,
wie ein salzburg-ranking ohne die im wahrsten sinne des wortes wahnsinnig gute ophelia lisette oropesa (in ambroise thomas’ konzertantem ,hamlet’, anm.)
zustande kommt, wird mit ein rätsel bleiben. aber vielleicht sollte ich kultur-rankings nicht so ernst nehmen ;-).
mit erstauntem, aber nicht weniger herzlichem gruß,
franz hirschmugl, via E-Mail
Zu Ihren pointierten Spitzentönen ein Kommentar: Konzertante Opernaufführungen kommen mir bei den zum Teil einigermassen abstrusen Regieübungen unserer Zeit grundsätzlich immer mehr entgegen. Abgesehen von dem heurigen Ausnahme-Ereignis Capriccio unter der "alles erklärenden Regie Thielemann" fallen mir dazu spontan 2 Erlebnisse ein:
Konzertante Aufführung Le nozze di Figaro mit den Wr Philharmonikern, Schrott als Figaro und dem Top Dirigat von Adam Fischer, in der Elbphilharmonie 2018
Konzertanter 1. Akt Walküre sowie Ausschnitte aus der Götterdämmerung mit den Dresdnern unter Thielemann, bei den Ende Oktober 2021 wegen Covid nachgeholten Osterfestpielen Salzburg, damals noch mit Stephen Gould…
Hans Loibner, via E-Mail