Milliarden-Schulden, politische Deals und zuletzt Mafia-Vorwürfe – die Causa René Benko dominiert seit einem Jahr die Schlagzeilen. Und ist zugleich ein Spiegel der Gesellschaft, die angesichts der Schlagzeilen zunehmend ermüdet auf die größte Wirtschaftspleite des Landes blickt
Eine Schlagzeile jagt die nächste – und das seit einem Jahr. Eilmeldungen, unglaubliche Meldungen, Meldungen mit politischer Brisanz oder einfach nur über das „Eine Hand wäscht die andere“-System: Da kann man nicht nur den Überblick, sondern auch die Lust verlieren. Es geht um organisierten Gesetzesbruch hier, Tricks im Insolvenzverfahren dort. Um Bespitzelung, brisante Jagdausflüge und geheime Goldbunker. Dazu Vermögensverschiebungen in schwindelerregenden Dimensionen und eine Mutter, die für ihren Sohn, der auf das Existenzminimum gepfändet ist, die monatliche Mietzahlung in Höhe von 235.000 Euro für die Villa übernimmt.
Vorläufiger Höhepunkt in der Causa um den Immobilienspekulanten René Benko: Verdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Manipulation von Ausschreibungen, Korruption und Betrug. Mafia-Vorwürfe und ein internationaler Haftbefehl aus Italien. „Endlich“, mag der ein oder andere gedacht haben – und hat die Rechnung ohne das österreichische Rechtssystem gemacht.
Das alles klingt nach einem Krimi? Es ist Realität. Zur Erinnerung: Die Pleite steht für die mit Abstand größte Insolvenz der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Der Schuldenberg macht in Summe gut 25 Milliarden Euro aus. Und dennoch reicht die Reaktion darauf mittlerweile von gelangweiltem Schulterzucken bis hin zu genervtem Abwinken. „Jetzt reicht’s langsam mit diesen Benko-Geschichten“, sagen die einen. „Zum Glück bleibt ihr dran, sonst wäre längst Gras über die Sache gewachsen“, die anderen. Und in der Mitte? Viel gefühlte Resignation. „War doch schon immer so.“
Verhaberungskultur
Willkommen in Österreich, wo Verhaberung oft kein Problem, sondern Tradition ist. Wo man sich kennt, sich hilft oder einfach nur einander gefällig ist und dabei gerne mal rote Linien überschreitet. Vor allem dann, wenn es darum geht, schillernde Unternehmer zu umgarnen. Das alles findet vergleichsweise zu häufig und zu selbstverständlich statt und endet immer bei einer Frage: Wie konnte es so weit kommen?
Die Causa Benko, die noch lange nicht auserzählt ist, ist mehr als ein Wirtschafts- und Finanzskandal. Sie ist ein Spiegel der Gesellschaft. Sie zeigt anhand jeder einzelnen Geschichte auch, aber nicht nur, wie auffällig in Österreich Wirtschaft und Macht verquickt sind und wie lange viele Medien bereit waren, der Erzählung vom Wunderwuzzi Glauben zu schenken. Sie erzählt, wie viel Wurschtigkeit und Grenzüberschreitungen eine Gesellschaft aushält und welchen Stellenwert Transparenz und Verantwortungskultur haben. Nämlich keinen sehr hohen.
Politische Grenzgänger
Eben noch das Land geführt, jetzt als Rutschenleger, Geldbeschaffer und Profiteur unterwegs? Klingt unmöglich? Nicht in Österreich. Schließlich hat sich René -Benko die Dienste von gleich zwei ehe-maligen Kanzlern gesichert – Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP). Für Honorare in Höhe von zehn Millionen Euro. Letzterer half seinem Freund Benko zudem, eine 100-Millionen-Finanzierung aus Abu Dhabi an Land zu ziehen. In Summe stellte er dafür rund 2,5 Millionen Euro an Honorar in Rechnung. Konsequenzen? Fehlanzeige. Ein Aufschrei, ja, als die Geschichte publik wurde. Aber es folgten keine Maßnahmen, nicht einmal ein ernst gemeinter Vorstoß für eine Cooling-off-Phase für ehemalige Politiker.
Die Causa Benko zeigt auch: Konsequentes Handeln scheint eher anderen Ländern vorbehalten zu sein. Italien zum Beispiel verfolgt Geldflüsse mit größerem Nachdruck, nicht zuletzt durch massive Investitionen in die Mafiabekämpfung. In Österreich hingegen kritisiert Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, das fehlende Engagement bei der Suche nach Benkos Vermögen. Auch strafrechtlich passiere „zu wenig“, moniert der Anwalt der Republik. Die Signa-Gruppe schuldet dem Staat rund 30 Millionen Euro – Steuern und Abgaben, die noch ausstehen.
Apropos Kritik: Die trifft oft jene, die tief graben, genau prüfen und verständlich erklären – jene, die aufdecken und den Finger in die Wunde legen. So auch die Autoren des Bestsellers „Inside Signa. Aufstieg und Fall des René Benko“, Rainer Fleckl (Krone) und Sebastian Reinhart (News), die immer wieder betonen müssen: „Wir sind Investigativjournalisten, keine Hobby-Sheriffs und keine Staatsanwälte.“ Seit Monaten recherchieren sie akribisch – ohne eine einzige Klagsdrohung.
Ja, die Fülle ihrer Enthüllungen mag manchen unbequem sein. Vielleicht nerven oder gar langweilen. Aber mit ihrer Arbeit liefern sie essenzielle Informationen, schaffen Transparenz und tragen bestenfalls dazu bei, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. Ihre Recherchen ermöglichen es Leserinnen und Lesern, informierte Entscheidungen zu treffen, und können sogar als Grundlage für rechtliche Verfahren dienen. Genau dieses entschlossene und transparente Aufdecken ist ein entscheidender Schlüssel dafür, um Machtmissbrauch wirksam zu verhindern.
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