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Leitartikel: Wettkampf der besten Ideen

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Der Versuch des PR-Beraters Rudi Fußi, SPÖ-Chef Andreas Bablers herauszufordern, sorgt für viel Irritation – und zeigt doch nur, dass die Idee der Sozialdemokratie lebt. In anderen Parteien sucht man einen Wettkampf der besten Ideen vergeblich

Seit vergangener Woche wird viel über den Versuch des PR-Beraters Rudi Fußi diskutiert, SPÖ-Chef Andreas Babler herauszufordern. Ein eitler Selbstdarsteller, der viel zu viel Aufmerksamkeit bekommt, so sehen es die Babler-Anhänger. Eine gute Geschichte, die sich leichter erzählen lässt als die dräuende Wirtschaftskrise, finden die Medien, während der politische Mitbewerb sich zurücklehnt und das Spektakel genießt.

Relativ wenig Aufmerksamkeit erhielt die Rede, mit der Fußi sein Antreten bekannt gab. Es war eine gute Rede. Fußi sprach über seine persönliche Geschichte und seine Beziehung zur Sozialdemokratie, und das in klaren, einfachen Worten. Zum Beispiel: „Ich saß mit einem Freund in einem Lokal, gegenüber von einem Gemeindebau, in dem einige Fenster hell erleuchtet waren. Und wir haben darüber gesprochen, ob da oben wohl jemand sitzt, der seit drei Wochen nichts anderes als Nudeln mit Ketchup gegessen hat? Ob da jemand verzweifelt über seiner Wien-Energie-Rechnung weint?“ Von einem „Fußi-Moment“ zu sprechen, wäre angesichts der Umstände verwegen, aber es entstand durchaus der Eindruck, dass es ihm ernst ist, vielleicht nicht mit der sozialdemokratischen Partei, aber zumindest mit sozialdemokratischen Themen.

Visionen

Gehen wir eineinhalb Jahre in der Geschichte zurück, in die Zeit, als ein (im Herzen) junger Bürgermeister antrat, um die Sozialdemokratie vom Kopf auf die Füße zurückzustellen. Gut gereifte, mit allen Wechselwählerwassern gewaschene Akademiker saßen mit leuchtenden Augen in Beisl-Hinterzimmern und Kulturzentren, wenn Andi Babler seine Vision der Sozialdemokratie vortrug. Die Kinder mitdenken! Den Klimawandel ernst nehmen! Gute, belebende und zu dem damaligen Zeitpunkt originelle Ideen; man muss sich das vor Augen halten, wenn man an den abgekämpften und inhaltlich abgeschliffenen Parteichef von heute denkt.

Oder noch ein paar Jahre weiter zurück. Christian Kern in der Welser Messe-Halle. Ein Mann im perfekt geschnittenen Anzug steht mitten in einer -Arena, allein, ohne Pult zum Festhalten oder Verstecken, und spricht fast zwei Stunden frei über seine politischen Vorstellungen für Österreich, den Versuch, einen konkreten, konsensfähigen Plan für die Zukunft des Landes zu entwerfen und gleichzeitig an sozialdemokratische Kernthemen anzuknüpfen.

So schlecht man Fußi mit Babler oder Kern vergleichen kann, und unabhängig davon, ob man inhaltlich mit ihnen einverstanden ist: Es zeigt, dass die Idee der Sozialdemokratie lebt. Eine Partei, zu deren Rettung immer wieder Persönlichkeiten ausrücken, die glaubwürdig vermitteln, zumindest von ihrem Grundgedanken überzeugt und an dessen inhaltlicher Weiterentwicklung interessiert zu sein, kann nicht so tot sein, wie sie gerne gesagt wird. Auch die viel belachten „Bableristas“ (deren Augen mittlerweile eher verbissen als verklärt leuchten) zeigen, dass die SPÖ – die sozialdemokratische Idee – emotionalisiert. Vielleicht nicht die „richtigen“ Menschen und vielleicht nicht genug, aber wo sonst in Österreichs Parteienlandschaft wäre Ähnliches zu beobachten?

Machterhalt

Die FPÖ vermittelt keine Ideen, sie vermittelt Angst. Die Grünen ebenso. NEOS sprechen vor allem den Kopf an und tun sich mit den Regionen südlich des Schlüsselbeins schwer. Und wofür die ÖVP steht, unabhängig von Machterhalt und Beibehaltung des Status quo, ist sowieso unklar. Wann hat das letzte Mal ein bürgerlicher Rebell seinen Parteichef mit guten Ideen herausgefordert? Wann wurde das letzte Mal leidenschaftlich darüber gestritten, wie sich eine bürgerlich-konservative Partei im Jahr 2024 inhaltlich relevant aufstellen kann? – Und nein, das Projekt „Sebastian Kurz“, eine generalstabsmäßige Übernahme mit dem Ziel, noch mehr Macht zu erreichen, aber ohne tiefe inhaltliche Reflexion, zählt hier nicht.

Der inoffizielle Wahlslogan der ÖVP lautet inzwischen: „Das geringere Übel“. Wählt Nehammer, um Kickl zu verhindern. Wählt Wallner, damit Bitschi nicht an die Macht kommt, und Drexler, weil ihr Kunasek nicht traut. Ob das reichen wird? Man kann auf die rhetorische Frage verzichten. Wird es nicht. Ob die SPÖ mit Babler glücklich wird, und mit Rudi Fußi, der glaubt, es besser zu können? Und mit Hans Peter Doskozil, der Nemesis aus Eisenstadt, die bis ans Ende ihres politischen Lebens grollen wird, nur mit ihr habe die Partei eine Zukunft, und mit Georg Dornauer, dessen Meinung zu jedem Thema unbedingt an jedem Tag in jedem Druckprodukt dieses Landes nachzulesen ist? Auch nicht.

Aber zumindest wird in der Partei darum gerungen, sich inhaltlich weiterzuentwickeln. Das geht an die Substanz. Sollte die SPÖ diesen Prozess jedoch überleben, dann vermutlich gestärkt. Denn man kann auch untergehen, ohne sich vorher darüber unterhalten zu haben, ob man den Kurs Richtung Eisberg vielleicht lieber ändern sollte. Schlag nach bei „Titanic“. Dort spielte zumindest das Orchester schön.

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