Nähe statt Distanz, Drohungen statt Debatten. Die Pressefreiheit, Grundpfeiler der Demokratie, wird gerade zur Verhandlungsmasse degradiert. Wer jetzt schweigt, verliert – nicht nur Glaubwürdigkeit, sondern auch Demokratie
Die Medienbranche hat ein grundlegendes Problem. Und es ist nicht neu. Dabei schien es eine kurze Zeit, dass man verstanden hat, das sich etwas ändern muss. Es war die Zeit, als aus Eitelkeit und anderen Gründen mit den Mächtigen des Landes jenseits des Üblichen kommuniziert wurde. Vertraulich. Kumpelhaft. Ungeniert. In Chats und beim persönlichen Austausch. Man gelobte Besserung. Und macht weiter wie bisher.
Das Jahr war erst ein paar Tage alt, da konnte man das wieder beobachten. Denn Nähe wird ganz ungeniert und offen zelebriert. „Du, XYZ, was willst du trinken?“, ruft der Minister der Innenpolitikchefin einer gewichtigen Tageszeitung bei einem dieser Neujahrstreffen in dem kleinen Land mit der großen Verhaberung zu. Professionelle Distanz? Überbewertet. Auf beiden Seiten. Im Zweifel muss auch 2025 die billigste aller Ausreden herhalten: Das Land ist klein. Da kann man nichts machen, das man sich kennt. Sich nahe kommt.
Das ist das eine Problem. Dazu kommen in Teilen mangelnde Glaubwürdigkeit mit Blick auf parteipolitische Unabhängigkeit und zu oft das Fehlen einer Trennlinie zwischen Aktionismus und Journalismus. Das sind keine kleinen Probleme. Und es sind nicht die einzigen Probleme in einem Land, in dem das Wort „Inseratenkorruption“ erfunden wurde. In einem Land, wo es für die allermeisten Medien (weil Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren und weil Hausaufgaben nicht gemacht wurden) eng wird, wenn Geld der öffentlichen Hand – Inserate oder Presseförderung – wegfällt. Neu aufgestellt wird. In Frage gestellt wird.
Kalkulierter Angriff
Aus richtigen Motiven und aus falschen Beweggründen. Aus Kalkül und als unverhohlene Drohung ausgesprochen. Was die FPÖ mit Blick auf die Medien vorhat, ist kein Geheimnis. Der ORF soll an die finanziell kurze Leine genommen werden. Dazu die Ausweitung der Förderung auf ihr ideologisch nahestehende Medien. Weniger Kritik. Weniger Nachfragen. Einen Vorgeschmack lieferte FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp mit seinem Post nach einem FPÖ-kritischen Bericht des Standard. Der Hashtag: #presseförderungnurnochfürechtequalitätsmedien. Der Inhalt: „5 gute Jahre, wenn es mit diesem ‚Scheißblatt‘ endlich vorbei ist“. Die Botschaft: wer nicht spurt, muss mit Konsequenzen rechnen. Das Ziel: „ungefiltert unsere Dinge in Umlauf zu bringen“, wie es Generalsekretär Christian Hafenecker bei der Präsentation des „FPÖ-Medienhaus“, einer Bündelung aller FPÖ-Informationskanäle, formulierte.
Macht durch Kontrolle
Jetzt formuliert man das eben ganz ungeniert. Das kann man als selbstverständlich sehen – wer an den Machthebeln sitzt, ordnet sich sein Spielfeld – oder bedenklich finden. Die Sorge um die Pressefreiheit in Österreich ist derzeit groß. In Wahrheit ist die Gefahr, das gerade etwas ins Rutschen gerät, so groß wie noch nie. Aus gegebenen Anlass eine Erklärung des „Verein der Chefredakteur:innen Österreichs“ – ihm gehören die Chefredakteurinnen und Chefredakteure u.a. von APA, „Standard“, „Falter“, „Kleine Zeitung“, „Kurier“, „News“ und „profil“ an:
Die Pressefreiheit ist eine Grundsäule jeder Demokratie. Sie garantiert, dass Journalistinnen und Journalisten unabhängig berichten können und die Bevölkerung umfassend informiert wird – frei von politischer Einflussnahme. Die Pressefreiheit wird in Österreich durch eine Vielzahl (auch voneinander) unabhängiger Medien gewährleistet, die für unterschiedliche Perspektiven, sich ergänzende Recherchen und wechselseitige Kontrolle sorgen. In jüngster Zeit sehen wir jedoch mit Besorgnis Entwicklungen, die diese Freiheit bedrohen. Die Aussagen eines führenden Politikers der FPÖ, der eine österreichische Tageszeitung nach einem kritischen Bericht als „Scheißblatt“ diffamiert hat und gleichzeitig die Kürzung von Presseförderungen für kritische Medien in Aussicht stellt, weisen in eine gefährliche Richtung. Diese Tendenzen untergraben das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf unabhängige Berichterstattung und sind ein direkter Angriff auf die Informationsfreiheit.
Wir möchten darauf hinweisen, dass die Presseförderung kein politisches Werkzeug zur Belohnung oder Bestrafung für Berichterstattung sein darf. Sie dient der Sicherung eines pluralistischen Mediensystems und ist ein essenzielles Instrument, um Meinungsvielfalt und objektive Information in einer demokratischen Gesellschaft zu gewährleisten. So wie übrigens auch die Parteienförderung Politik frei von falscher Einflussnahme und Korruption ermöglichen soll.
Alle politischen Akteure in Österreich und insbesondere die kommende Regierung sind aufgerufen, sich zur Wahrung der Pressefreiheit zu verpflichten. Der Schutz eines unabhängigen Journalismus muss über parteipolitischen Interessen stehen. Wer die Rechte der unabhängigen Medien beschneidet und durch Parteimedien ersetzt, der gefährdet die Pressefreiheit. Die Pressefreiheit ist Bürgerrecht und Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie.
Die Freiheit der Medien ist die Freiheit aller.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.04/2025 erschienen.