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Leitartikel: Polarisierung und Hass

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Kathrin Gulnerits

©News/Matt Observe
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In Deutschland gibt es hitzige Debatten, in Österreich erstaunliche Gelassenheit. Wie umgehen mit AfD und FPÖ? Eine Brandmauer ziehen oder mitregieren lassen? Viele glauben, Demokratie hält das schon aus. Eine bequeme Antwort

Da wie dort zeigt sich das gleiche Bild, gibt es die gleichen Diskussionen. Da, in Deutschland, ein bisschen aufgeregter und emotionaler. Hier, in Österreich, fast überraschend gelassen. Es geht um den Umgang mit der AfD bzw. der FPÖ – und mit der immer schriller geführten Diskussion: Brandmauer ja, nein, vielleicht? Es geht aber auch um die Frage: einbinden und mitregieren lassen? Entzaubern?

Dass es da wie dort nicht nur um Befindlichkeiten geht, merkt man an Diskussionen, in denen Sätze wie „Ich glaube felsenfest an die Demokratie – und wir haben eine wunderbare Demokratie. Aber die gilt es jetzt zu verteidigen“ immer öfter fallen. Eben weil es Menschen gibt, denen wenige Wochen vor der Nationalratswahl, vor der die FPÖ in der Sonntagsfrage von News mit 28 Prozent auf Platz eins liegt, diese Partei nicht egal ist. Die sich Gedanken darüber machen, was das alles nach der Wahl heißt, für uns und für die Demokratie. Das Miteinander. Die Art und Weise, wie wir miteinander und übereinander sprechen. Aber auch aufeinander schauen.

Es ist noch nicht genug

Das ist gut so. Aber es ist noch nicht gut genug. Erst recht in Zeiten, in denen beispielsweise eine Diskussion rund um eine Brandmauer zur AfD, die eine Grenze ziehen will zwischen Demokratie sowie Rechtspopulismus und -extremismus, binnen weniger Tage nach dem Wahlabend in Ostdeutschland immer öfter als „Gerede“ abgetan wird. Jedenfalls als Politikersprech im rhetorischen Überbietungswettbewerb. Oder wenn es – wie wiederum in Österreich – die Diskussion über eine solche Brandmauer nie gab und stattdessen eine längst gelebte Regierungsbeteiligung auf Landes- und Bundesebene existiert. In Kärnten stellte die FPÖ den Landeshauptmann. In der Steiermark könnte sie ihn demnächst stellen.

Hierzulande wird diese Diskussion durch ein paar Wortspielereien seitens der ÖVP ersetzt, die maximal eine Brandmauer zu Herbert Kickl aufgezogen hat. Wohl wissend, dass es eine FPÖ ohne diesen Herbert Kickl nicht geben wird. Der Verweis auf die „vernünftigen Kräfte“ in der Partei ist lieb. Glaubwürdig ist er nicht. Einerseits. Andererseits: Die News-Umfrage zeigt auch: Was die Koalitionsvarianten betrifft, sind die Österreicherinnen und Österreicher am ehesten für Blau-Schwarz. Folglich oder gerade deswegen braucht es eine Auseinandersetzung darüber, wie man in einer Gesellschaft agiert, in der wie in Österreich 28 Prozent der Wählerinnen und Wähler der FPÖ ihre Stimme geben oder 30 Prozent in Thüringen einer Partei, die als gesichert rechtsextrem gilt. Kann man Wählerinnen und Wähler der stimmenstärksten Partei außen vor lassen? Demokratiepolitisch ist das bedenklich. Jedenfalls genauso bedenklich wie die besonders kalkulierten Tabubrüche von AfD und FPÖ gleichermaßen. Wie der Singsang bei den Wahlkampfreden und die abfällige Sprache. Wie das Gerede von „wohltemperierten Grausamkeiten“ (Höcke) oder der Idee von Meldestellen für unliebsame Lehrer oder Journalisten (FPÖ).

Polarisierung und Hass. Eskalation und das Schüren von Ressentiments – alles egal?

Es ist so, wie es ist?

Stellen wir uns diesen Diskussionen genug? Oder sind viele Menschen nicht längst an einem Punkt, zu akzeptieren, eben weil die Zeiten gerade so sind, wie sie sind? Polarisierung und Hass. Eskalation und das Schüren von Ressentiments und Verbitterung – alles irgendwie egal? „Ministerpräsident Höcke, na und?“, titelte unlängst die „Neue Zürcher Zeitung“ und benennt ebendiesen Björn Höcke, der selbst innerhalb der AfD ein Rechtsaußen ist, darin als „Rabauke“.

Die Diskussion gerät offensichtlich ins Rutschen. Das muss Sorge bereiten. Auch weil es längst zum guten Ton gehört, zivilgesellschaftliche Initiativen wie etwa „Ein Versprechen für die Republik“ – 100 Personen, vorrangig aus Kunst und Kultur, rufen die Kandidatinnen und Kandidaten der Nationalratswahl auf, ein Bekenntnis gegen die FPÖ abzugeben – kleinzureden. Schließlich müssen die überzeugten Gegner der FPÖ nicht weiter überzeugt werden, und den anderen gehe man damit nur auf die Nerven. Und überhaupt: Wollen sich da nicht nur ein paar Intellektuelle mit ein bisschen Aktionismus und Angstmache wichtig machen?

Am nicht unwesentlichen Punkt der Prinzipienfestigkeit wollen sich jedenfalls Kritiker nicht allzu lange aufhalten. Auch weil man sich parallel einredet, dass Demokratie und Rechtsstaat schon stark genug sein werden, sich eine Verfassung nicht so leicht aushebeln lässt und weil es die viel zitierte Zivilgesellschaft am Ende schon richten wird. Ganz bestimmt. Und überhaupt: Leben wir nicht längst in Zeiten, in denen vielerorts ein Rückgang an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu beobachten ist?

In Polen steht die neue Regierung gerade vor der Herausforderung, ebendiese demokratische Rechtsstaatlichkeit und den Umbau des Staates durch die acht Jahre regierende nationalistische und ­ultrakonservative PiS – Stichworte Gleichschaltung der Medien, Beschneidung von Frauenrechten, Abbau richterlicher ­Unabhängigkeit – rückgängig zu machen. Es sieht nicht nach einem ­Kinderspiel aus.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: gulnerits.kathrin@news.at

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