Die Spekulationen um Magnus Brunners Zukunft endeten mit seiner Ernennung zum EU-Migrationskommissar. Vor ihm liegen heikle Aufgaben wie die Asylreform. Viel Verantwortung und wenig Ruhm
Die Karrierespekulationen wurden am Dienstag um 10.34 Uhr mit einer „Alarm“-Meldung seitens der Austria Presse Agentur beendet: „Neue EU-Kommission: Brunner wird Migrationskommissar.“ Für (weite) Teile der medialen Blase bedeutet diese Entscheidung jetzt vor allem eines: ab sofort wieder schreiben, was tatsächlich ist, statt Sendeminute um Sendeminute und Zeile um Zeile darüber zu spekulieren, was hätte sein können. Das kleine Land betreibt seine besondere Disziplin, die Spekulation, in ambitionierter Perfektion. Dies schadet aber auch der Glaubwürdigkeit der Medien und ist letztlich bloße Wichtigtuerei, die man sich ebenso gut sparen könnte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Den medialen Spekulationen in der Vergangenheit zufolge hätte Magnus Brunner, der Noch-Finanzminister, in der neu zu besetzenden EU-Kommission zwar nicht alles, aber ziemlich viel werden sollen: irgendwas mit Finanzen, logisch. Vielleicht Wirtschaft? Der ehemalige Manager wurde auch als Energiekommissar gehandelt. Genauso als Wettbewerbskommissar. Brunner selbst ist in einem Interview mit den „Vorarlberger Nachrichten“ davon ausgegangen, dass es „etwas im wirtschaftlichen, im finanziellen oder im Energiebereich sein wird“. Der guten Ordnung halber: Portugals Ex-Finanzministerin Maria Luís Albuquerque erhält das Ressort, das Brunner gerne gehabt hätte, nämlich Finanzmarkt und Investitionsunion. Das Schlüsselressort Wirtschaft geht an den Letten Valdis Dombrovskis.
Ende gut, alles gut?
Der (immer gern spekulierende) Boulevard weiß bereits, dass sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) für seinen Mann in Brüssel und für die neue Rolle starkgemacht hat. Das würde freilich auch bedeuten, dass sich die ÖVP am Ende nicht mehr auf die Versager in Brüssel in der EU-Migrationspolitik herausreden kann. Versäumnisse in Sachen Migration sind künftig jedenfalls auch Versäumnisse eines dafür zuständigen Österreichers.
Also Ende gut, alles gut? Es ist ein undankbarer Job, den Magnus Brunner demnächst innehat. Einer der schwierigsten Jobs, die in Europa zu vergeben waren. Es ist ein Spitzenjob in einem Schlüsselressort für Europa. Aufmerksamkeit und Scheinwerferlicht garantiert. Es ist ein Job, in dem es viel zu tun, aber wenig zu gewinnen gibt. Und es ist eine Ansage – vielleicht aber auch eine Verhöhnung (Achtung, Spekulation!) von Österreich seitens der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen –, nämlich das Ressort für Migration (und innere Angelegenheiten) einem konservativen Politiker aus einem Mitgliedstaat zu übertragen, der immer gerne und besonders laut gegen Brüssel wettert und gerade erst (und in guter Gesellschaft) gegen Teile des neuen Migrations- und Asylpakts der EU gestimmt hat.
Bitte umsetzen
Brunner übernimmt das Amt von Ylva Johansson aus Schweden, die für Inneres zuständig war, wozu auch der Bereich Migration gehörte. Sie hatte diese Position seit 2019 inne und war für das neue Migrations- und Asylpaket der EU verantwortlich. Jetzt muss Brunner das vorantreiben.
Es geht dabei beispielsweise um den verpflichtenden Solidaritätsmechanismus, um Staaten mit hohen Flüchtlingszahlen zu entlasten. EU-Staaten haben dabei die Wahl zwischen der Aufnahme von Asylsuchenden und der Unterstützung bei Rückführungen abgelehnter Antragsteller. Es geht um beschleunigte Asylverfahren an den Außengrenzen. Es geht um verpflichtende Screenings. Es geht um das Dublin-Verfahren, das zwar in aller Munde ist, aber bis jetzt nicht funktioniert hat. Es geht um Rückführungen innerhalb von fünf Wochen und möglichst in jene EU-Länder, in denen Asylsuchende zuerst registriert worden sind. Es geht um viel.
Die Reform wurde im Mai 2024 beschlossen und soll nun innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden. Widerstand nicht zwecklos und längst erfolgt. Die niederländische Regierung hat dieser Tage erklärt, sich nicht an die Verpflichtung zur Übernahme von Asylwerbern gebunden zu fühlen. Politisch heikel wird für Brunner auch die Frage, ob Bulgarien und Rumänien Schengen-Mitglieder werden sollen. Die Kommission und alle anderen nationalen Regierungen sind der Meinung, dass beide Staaten die Voraussetzungen dafür erfüllt haben. Die ÖVP-geführte Bundesregierung, der Brunner noch angehört, sieht das anders.
Ein Einstiegsgeschenk der besonders schwierigen Sorte könnte Deutschland für Brunner bereithalten, wenn sich die deutsche Bundesregierung dazu entschließt, Geflüchtete an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Dann könnte die Europäische Kommission, sofern sie das Vorgehen als rechtswidrig ansieht, eingreifen und ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Erst recht, wenn es damit einen Dominoeffekt auf andere Staaten geben würde.
Es geht um viel. Für Magnus Brunner und Österreich, aber auch für die EU, die Asyl- und Migrationspolitik.
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