Schlechte Nachrichten sind die neue Normalität – jedenfalls jenseits des Fußballrasens. Hektische Betriebsamkeit macht sich trotzdem nicht breit
War da was? Ja, ein rot-weiß-rotes Sommermärchen. Ganz viel „Immer wieder Österreich“. Patriotismus. Unbeschwertheit. Kabinenparty jener Regierungsmitglieder inklusive, die sich zuletzt auf dem politischen Parkett immer weniger zu sagen hatten. Tu felix Austria. Am Ende wollen eben alle nur spielen. Und nur die Spielverderber meinen, dass ein Kanzler, der mit durchgedrücktem Rücken den Österreich-Schal in den Nachthimmel über dem Berliner Fußballstadion reckt, zu viel des Guten ist.
So weit die Lage auf dem sportlichen Spielfeld. Aber da gibt es auch noch ein anderes, ein viel schwerer zu bespielendes Feld. Eines, das uns alle angeht. Das aber nicht alle interessiert. Die Wirtschaft nämlich. Treffer wären auch hier wichtig. Es ist sogar ziemlich sicher, dass Treffer, die hier geschossen oder eben verschossen werden, eine längere Wirksamkeit haben als ein Sommermärchen. Es geht um viel, denn in der Wirtschaft geht gerade nicht viel. Auf einen positiven psychologischen Effekt für die Wirtschaft durch die Erfolge der heimischen Fußballmannschaft bei der Europameisterschaft zu hoffen, ist naheliegend. Aber zu wenig. Dafür liegen zu viele Probleme auf dem Tisch, für die es rasche Antworten braucht. Oder wenigstens eine verbale Kenntnisnahme. Aber da kommt nichts. Kein Halbsatz der zuständigen Regierungsmitglieder. Vor lauter Aufregung? Aus Sorglosigkeit? Oder weil es am Ende immer noch Länder gibt, die schlechter dastehen als Österreich? Deutschland zum Beispiel? Es bieten sich wahrlich bessere, weil echte „Vorbilder“ an.
Ein Wirtschaftswachstum in homöopathischen Dosen? Egal. Sinkende Wettbewerbsfähigkeit und steigende Arbeitslosenzahlen? Wird schon wieder! Eine höhere Inflation als in den meisten anderen Ländern der EU? Eh schon viel besser geworden! Klimaschutzbemühungen? Geht gerade nicht, weil das Gesprächsklima vergiftet ist. Eine drückende Staatsschuldenquote? Das passiert halt, wenn wirtschaftspolitische Maßnahmen im großen Stil ohne Gegenfinanzierung beschlossen werden. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Unterm Strich bleibt: Österreich ist nur noch Mittelmaß im globalen Wettbewerb. Das zur Kenntnis zu nehmen und die Rahmenbedingungen entsprechend anzupassen, ist Aufgabe der Politik. Vom Beratungsunternehmen Deloitte zur wirtschaftlichen Lage von Österreich befragte Unternehmen benennen übrigens Preisentwicklung, Verfügbarkeit von Arbeitskräften und die politische Stabilität als ihre größten Sorgen mit Blick in die Zukunft. Wohl wissend, dass nach der Fußball-EM vor der langen Sommerpause ist. Vor der nächsten Nationalratswahl und vor den nächsten anstehenden Lohnrunden. Ob in dieser Gemengelage an den großen Rädern gedreht wird, ist fraglich.
Aber an kleinen Rädchen kann freilich der eine oder andere Unternehmer drehen. Etwa jene, die sich wundern, dass der Konsumfunke nicht überspringen will. Jene also, die im „Cash only“-Land bei ohnehin schon happigen Preisen ganz ungeniert für eine Scheibe Zitrone oder einen Extraschluck Milch 90 Cent extra auf die Rechnung setzen. Oder bei der Reservierungsbestätigung gleich vermelden: „Ihr Tisch steht Ihnen 1.45 Stunden zur Verfügung!“ Die beiden Beispiele zeigen ja schließlich auch: Ein bisschen was geht immer.
Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: gulnerits.kathrin@news.at