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Leitartikel: Deutschland wählt

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Friedrich Merz Begrüßung bei der CDU CSU Fraktion im Bundestag. Deutschland Berlin am 25.02.2025

Es geht um weit mehr als ein neues Parlament. Es geht um Stabilität in unsicheren Zeiten, um Führung in Europa, um die Verteidigung der Demokratie. Die Umfragen sind klar, die Koalitionsfrage offen. Was folgt auf die Wahl – und wer kann dieses Land wirklich führen?

Für einen kurzen Moment war er es: Kanzler. Die Moderatorin der Münchner Sicherheitskonferenz stellte Friedrich Merz versehentlich als „Chancellor“ vor. Ein Versprecher, schnell korrigiert. Denn auf der Bühne saß nicht der Kanzler, sondern nur der CDU-Chef. Merz dankt für das „Kompliment“ und stellt klar: Zwischen ihm und dem Kanzleramt stehen noch 60 Millionen Wähler. Genau sie – etwa gleich -viele Männer wie Frauen, drei Millionen im Ausland, 2,3 Millionen Erstwähler – entscheiden am 23. Februar. Es ist eine Richtungswahl. Eine Schicksalswahl. Eine Abstimmung über die Zukunft Deutschlands. Und Europas.

Klingt pathetisch? Ist es nicht. Denn diese Bundestagswahl ist keine gewöhnliche Wahl. Sie bestimmt, wer den größten EU-Staat und die drittgrößte Volkswirtschaft führen wird. Sie entscheidet über Deutschlands Rolle in einer Welt voller Krisen. Über die Haltung gegenüber der Ukraine. Über den Umgang mit der Trump-Regierung. Über die Frage, woher das Geld für höhere Verteidigungsausgaben kommen soll – jetzt, da die NATO-Budgets unter US-Druck neu verhandelt werden.

Es ist eine Richtungswahl. Eine Schicksalswahl. Eine Abstimmung über die Zukunft Deutschlands. Und Europas

Machtarithmetik

Wer diese Wahl gewinnt, ist längst klar. Die Umfragen sind seit Wochen stabil, nahezu einbetoniert. CDU/CSU liegen bei 30 bis 32 Prozent, gefolgt von AfD (20 bis 22 Prozent), SPD (14 bis 16 Prozent) und Grünen (13 bis 14 Prozent). Große Verschiebungen sind unwahrscheinlich. Doch was passiert nach dem Wahlsonntag? Welche Koalitionen stehen Merz zur Verfügung? Auch unter dem Aspekt, dass die „Mehrheitsbeschaffer-Partei“ FDP jetzt vielleicht doch die Fünf-Prozent-Hürde nimmt?

Favorisiert wird eine „große“ Koalition. Der Grund: Die Angst vor einem Viererbündnis. Denn eine Dreierkoalition wäre aufgrund der Union (CDU und CSU) in Wahrheit ein Viererbündnis. Alternativ steht eine schwarz-grüne Koalition zur Debatte, die CSU-Chef Söder allerdings vehement ablehnt. Ein gefürchtetes Szenario wäre eine Kenia-Koalition – benannt nach der Flagge des Landes: Schwarz, Rot und Grün. Mehr Handlungsspielraum hätte die „Deutschland-Koalition“: Schwarz, Rot, Gelb.

Je überschaubarer und stabiler die nächste Regierung ist, desto schneller kann sie die wirtschaftliche Lähmung überwinden. Denn Deutschland braucht jetzt schnelle Entscheidungen. Eine Neuausrichtung der Migrations- und Asylpolitik. Investitionen in Infrastruktur und Bildung, eine Reform der Schuldenbremse, eine Neuaufstellung der Militärausgaben.

Koalitionen sind freilich immer mehr als taktische Bündnisse – sie sind Vereinbarungen zwischen Menschen. Diese müssen bereit sein, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen, Konflikte beizulegen und Perspektiven zu bieten. Erst recht müssen sie nach drei Jahren Ampelkoalitionsfrust in der Lage sein, möglichst viele Menschen in einem Land mit einer spürbaren Wechselstimmung wieder mitzunehmen. Ja, natürlich dabei auch das Maximum für Partei und Wähler herausholen, aber ebenso bedenken, dass bei einer konstruktiven Zusammenarbeit eben auch das Schlimmste für die eigene Klientel verhindert werden kann. Jetzt ist die Zeit, Führungspersonal neu aufzustellen und die versprochene Zeitenwende einzulösen. Denn eines ist sicher: Für SPD, Grüne und FDP wäre selbst eine schwierige -Regierungsrolle immer noch besser, als sich in die Bedeutungslosigkeit der Opposition zu verabschieden – nämlich neben einer AfD, die den Ton auf der Oppositionsbank im Bundestag angibt. Oppositionsbank auch, weil Friedrich Merz eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausschließt – und das zuletzt mit einer Deutlichkeit, die mancher Beobachter aus einem Land mit einem situationselastischen politischen Rückgrat – Österreich zum Beispiel – befremdlich findet. „Keiner kann mit der AfD! Die AfD freut sich darüber! Und alle außer den Wählern sind zufrieden mit ihrer kollektiven politischen Arbeitsverweigerung“, schrieb kürzlich ein Kollege der „Kleinen Zeitung“.

Standfest oder starrsinnig?

Arbeitsverweigerung oder Prinzipienfestigkeit? Oder schlicht logische Konsequenz? Die Antwort liefert Alice Weidel selbst. Die AfD-Kanzlerkandidatin hält Björn Höcke, Thüringens AfD-Chef und vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft, für ministerfähig. Jenen Mann, der eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderte – und den sie 2017 selbst noch aus der Partei werfen wollte. Doch nicht nur seine Radikalität macht die AfD unwählbar. Die Partei scheitert auch an sich selbst. Wer außer Hetze und Polemik nichts zu bieten hat, kann für Deutschland keine Lösung sein.

Wer kann das Land am besten führen? Das fragte Forsa nach dem TV-Quadrell von CDU, SPD, Grünen und AfD. 42 Prozent der Deutschen setzen auf Friedrich Merz. Er selbst verspricht ein „richtig gutes Programm für Deutschland“. Er will führen – in Europa und im eigenen Land, das sich demokratiepolitisch in einer Bewährungsprobe wie schon lange nicht befindet. Ostern soll seine Regierung stehen. Ab dann kann abgerechnet werden.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: gulnerits.kathrin@news.at

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.08/2025 erschienen.

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