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Leitartikel: Bildung im Krisenmodus

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Ein Verbot als erster großer Wurf. Dazu ein bisschen Symbolpolitik hier, eine logische Maßnahme dort. Doch reicht das, um das Bildungssystem zukunftsfähig zu machen? Wohl kaum. Denn wenn wieder nur Schlagworte Konzepte ersetzen, bleibt am Ende vieles, wie es immer war.

Der Startschuss für die Großbaustelle Bildung ist gefallen. Mit einem Verbot. Einem Handyverbot. Für die Kleinen und die Großen. Nur nicht für die ganz Großen – denn um die geht es nicht. Also lautet die erste Maßnahme für die Bildungszukunft: Handys aus den Schulen verbannen. Genau genommen aus den Kinderhänden verbannen. Klingt durchdacht. Reicht für den schnellen Applaus jener, die es nicht betrifft. Also der Großen, für die kleine Maßnahme. Auf Social Media und in den Foren schnellen die Daumen angesichts der ersten Amtshandlung des neuen Bildungsministers jedenfalls nach oben. Likes. Bravo. Zustimmung. Vor allem wohl von jenen Eltern, die damit künftig am Frühstückstisch eine Diskussion weniger haben.

Es ist dennoch Symbolpolitik in Reinform. Schließlich brauchen frisch gebackene Ministerinnen und Minister schnelle Erfolge. Die 100-Tage-Schonfrist ist passé, die Ungeduld nach fünf Monaten Regierungsfindung riesig. Also: Handyverbot für die ersten acht Schulstufen. Verboten im Unterricht, verboten in der Pause. Neu ist das nicht. 80 Prozent der Schulen regeln es längst selbst. Per Hausordnung. Per strengem Lehrerblick. Jetzt tun sie es mit offiziellem Segen. Und wenn sich jemand nicht daran hält? Ein Eintrag ins Klassenbuch. Fertig ist der erste große Wurf.

Stillstand als System

Wird das reichen, um Kinder, Land und Bildungssystem in die Zukunft zu führen? Mitnichten. Nicht nur diese Maßnahme, sondern auch die anderen Maßnahmen im Regierungsprogramm lassen wenig Hoffnung aufkommen. Und auch die im Land weitverbreitete Freude darüber, dass es nun eine „richtige“ Regierung gibt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Bildungsbereich auch diesmal kaum etwas bewegt werden soll – und noch weniger bewegt werden kann. Weil kein Geld da ist. Weil kein Wille da ist. Weil der eine Koalitionspartner zwar will, der andere aber nicht. Und weil am Ende doch möglichst viel so bleiben soll, wie es ist – und vor allem schon immer war. Stillstand als System. Im Bildungssystem ist das längst Routine.

Bildungspolitik war in diesem Land nie mehr als nur ein Nebenschauplatz, obwohl sie die Grundlage für Wohlstand ist

Also ein bisschen Kosmetik hier, eine logische Maßnahme dort. Eine echte Reform? Weiterhin Fehlanzeige. Denn Bildungspolitik war in diesem Land nie mehr als ein Nebenschauplatz, obwohl sie die Grundlage für Wohlstand ist. Bildungsminister kamen und gingen. Große Reformen blieben aus. Zuletzt war das besonders schmerzhaft zu beobachten. Auch jetzt scheint sich daran kaum etwas zu ändern. Dabei sitzt mit Christoph Wiederkehr jemand am Ruder, der Dinge durchaus benennen kann. Als Wiener Bildungsstadtrat nannte er die Bildungsdirektionen „Schlangengruben“, die Lehrergewerkschaft „destruktiv“. Kampfgeist ist da. Die Frage ist: Wird er durchkommen? Oder hat er diesbezüglich ohnehin und zwangsläufig längst die Meinung geändert?

KI, aber wie?

Beispiel Schule und KI: Dass Künstliche Intelligenz das Schulsystem nicht nur herausfordert, sondern auch gehörig durcheinanderwirbelt, sollte längst klar sein. Doch im Bildungskapitel der neuen Regierung findet das kaum Niederschlag. Unter der Überschrift „KI-Offensive und Schulbuchaktion 2.0“ bleibt es bei Absichtserklärungen. Kurz zusammengefasst: Kinder und Jugendliche sollen nicht nur Apps nutzen, sondern sie verstehen, hinterfragen und selbst entwickeln.

Bleibt die Frage: Wie? Wann? Mit welchem Ziel? Ganz davon abgesehen: Ist es nicht eher so, dass Schülerinnen und Schüler – Digital Natives eben – ihren Lehrerinnen und Lehrern die Apps und Programme erklären könnten? Im Regierungsprogramm steht auch, dass digitale und KI-Kompetenzen in allen Schulstufen gestärkt und „noch stärker mit Mathematik sowie Computational Thinking“ verknüpft werden sollen. Falls jemand mit „Computational Thinking“ nichts anfangen kann: Es ist eine Denkweise, die sich an Prinzipien der Informatik orientiert. Oder einfacher gesagt: die Fähigkeit, Probleme so zu strukturieren, dass sie mit Computern effizient gelöst werden können. Bitteschön. Gern geschehen. Und überhaupt: In der AHS-Oberstufe soll der nächste logische Schritt folgen. Mehr digitale Bildung, mehr Informatik – als Fortsetzung der Digitalen Grundbildung in der Unterstufe. Klingt gut. Klingt modern. Aber auch hier bleibt die entscheidende Frage: Zählt das Verteilen von iPads in Schulen eigentlich schon als digitale Grundbildung? Oder geht da mehr?

Das Bildungskapitel ist ein Feuerwerk an Schlagworten: Kompetenz. Effizienz. Qualität. Flexibilität. Förderung. Es wimmelt von „Weiterentwicklung“ und „Evaluierung“. Von „Ausbau-Offensiven“ – etwa in der Elementarpädagogik. Von vollmundigen Versprechen: „Ganztägige Begabungsförderung“. „Stärkung“ – mal wieder – der „Resteschule“ Polytechnische Schule. Auch hier: viele Punkte, die schnellen, aber eben keinen nachhaltigen Applaus garantieren. Und doch bleibt zu hoffen, dass es mehr gibt als leere Phrasen. Denn wenn Bildung – wie in der Regierungserklärung erkannt – der „Rohstoff unseres Landes“ ist, dann reicht es nicht, ihn schönzureden.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir: gulnerits.kathrin@news.at

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 11/2025 erschienen.

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