In Österreich geht nichts mehr. Eine Übertreibung. Gewiss. Doch spiegelt sie das Gefühl vieler wider. Wie finden wir zurück zu einem Kurs, der Hoffnung macht?
von
Haben Sie nicht auch das Gefühl, dass in diesem Land nichts mehr geht? Und wenn ja, woran könnte das liegen? Ich würde bei der Politik beginnen.
Nicht, weil es einfach ist. Sondern, weil es eben genau dort beginnt. Viele Menschen in diesem Land glauben, dass die wirklich guten Leute, die es natürlich auch in Österreich gibt, nicht mehr in die Politik gehen, weil diese Menschen sich das einfach nicht antun wollen, noch dazu für eine – verglichen mit anderen verantwortungsvollen Positionen – eher überschaubare Vergütung.
Ich glaube das nicht
Viele wirklich hervorragende Frauen und Männer würden im Ernstfall in die Politik gehen, nicht wenige davon sogar, ganz ohne auf die Bezahlung zu schauen. Es ist einfach für fast jeden verantwortungsbewussten Menschen interessant, in einer Bundesregierung zu arbeiten, ob als Bundeskanzler, als Bundesminister oder Staatssekretär und auf diese Weise diesem Land und seinen Menschen zu dienen, vielleicht auch etwas zurückgeben zu können.
Immerhin haben wir alle das Glück, in diesem im globalen Vergleich privilegierten Land in Frieden und Wohlstand aufgewachsen zu sein und zu leben. Das Problem ist nur, dass kaum jemand von den herausragenden Köpfen, die dieses Land immer wieder hervorgebracht hat, hervorbringt oder angezogen hat, jemals gefragt wird, ob sie oder er in die Politik gehen und dort Verantwortung übernehmen will.
Die Bundesregierung, hier als Beispiel für die Politik verwendet, wird nämlich nicht von den besten verfügbaren Personalberatern in einem hoch professionellen Prozess mit Blick auf die Übereinstimmung von Aufgabenstellung in der Regierung und ausgewiesener menschlicher und fachlicher Kompetenz dafür besetzt. Sie wird auch nicht, was eine mögliche, wenngleich nicht überzeugende Rechtfertigung für den gegenwärtigen Zustand wäre, in demokratischen Wahlen gewählt, sondern von Parteifunktionären, die selbst stark mehrheitlich nie in der „wirklichen Welt“ gearbeitet haben, im – nur sinnbildlich verwendet – „Hinterzimmer eines niederösterreichischen Landgasthauses“, überwiegend aus dem engsten eigenen politischen Kreis bestimmt.
Und so kommt es, dass die Spitzenfunktionen dieser Republik von zwar – glaube ich – überwiegend engagierten Menschen, die sich aufrichtig bemühen und geben, was sie haben, besetzt sind, diese aber für ihre Aufgabenstellung inhaltlich meist kaum vorbereitet sind und nur ausnahmsweise über die dafür notwendigen menschlichen und fachlichen Kompetenzen verfügen.
Diese Art der Regierungsbildung kann in so schwierigen Zeiten nur in die Enttäuschung führen, in die Enttäuschung aller Beteiligten. Österreich, mit einer insgesamt beachtlichen Erfolgsgeschichte in den Jahrzehnten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist, wie eingangs festgestellt, in der Krise. Aber richtig in der Krise!
Österreich geht es wie einem Menschen, es passt ja auch zeitlich, der eigentlich gesund alt geworden ist, vielleicht mit einer Grippe dann und wann und Halsschmerzen immer wieder einmal. Aber eben nichts Ernstes auf dem Weg durch die Jahrzehnte. Jetzt, auf einmal, ist es ernst, sehr ernst. Nach vielen guten Jahren steht auf einmal mindestens die Lebensqualität, wenn nicht das Leben, auf dem Spiel. War es das mit den guten Jahren? Kommen jetzt nur mehr die beschwerlichen Jahre? Wird es nur mehr schlechter?
Gute Ärzte sind jetzt gefragt. Ärzte mit bester menschlicher und – wichtiger noch – höchster fachlicher Qualifikation. Spezialisten mit viel Erfahrung auch. Österreich wird – so wie es aussieht – mit einer Regierung auskommen müssen, die überwiegend nicht die Voraussetzungen hat, mit komplexen Themen umzugehen, die kaum Erfahrung im Umgang mit ernsten Krisen hat. Ja, zugegeben, einzelne Regenten haben seit Beginn der nicht enden wollenden Serie von Krisen eine Menge Steuergeld mehr oder weniger wahllos und jedenfalls weitgehend erfolglos über den Menschen abgeworfen, eigentlich gar nicht Steuergeld, sondern Geld, das gar nicht da war, das – gegen immer höhere Zinsen – am Geldmarkt ausgeliehen werden musste und muss.
Vor diesem Hintergrund darf man sich wundern, was sich die sich formierende Regierung, vermutlich – wie fast immer – engagierte Menschen, die wirklich ihr Bestes geben, aber eben nicht die richtigen Kompetenzen haben, zutraut.
Würden Sie, würde ich mich trauen, ohne entsprechende Ausbildung einen wirklich ernstlich erkrankten Menschen zu operieren? Wäre das verantwortungsvoll oder auch nur verantwortbar? Wäre es nicht. Es wäre sogar strafbar. Die gerade entstehende Regierung wird mit Sicherheit enttäuschen, wie bereits die deutsche „Ampel“, wo wir das ja „live“ beobachten konnten und können, wird dann vorzeitig in Neuwahlen getrieben werden oder flüchten und es wird eine – nach einigem Stillstand – neue Regierung kommen, eine anders zusammengesetzte, aber wieder aus mehr oder weniger begabten Darstellern von Kompetenz und es wird im Ergebnis schließlich noch schlimmer kommen. Bis zumindest die Demokratie, und was noch schlimmer ist, bis Österreich am Ende ist.
Gibt es keine Lösung?
Doch. Die Politiker, die gelernten und ungelernten, sollten – wie es übrigens die Verfassung vorsieht – das Parlament mit Leben erfüllen und sich dort argumentativ austauschen, das tun, was sie am besten können, nämlich die Menschen draußen in der „wirklichen Welt“ vertreten, den gesetzlichen Rahmen schaffen und die Regierung kontrollieren. Die Legislative nennt man das. Und regieren sollten Menschen, die das können. Die besten Köpfe des Landes. Die wissen, wie man komplexe Aufgabenstellungen professionell bearbeitet, wie man saniert, wie man Ordnung schafft, wie man – vor allem auch – Zukunft gestaltet. Regierende, die schon wiederholt in der „wirklichen Welt“ gezeigt haben, dass sie das können. Die Exekutive. Menschen, die tun. Und die können, was sie tun.
Was meinen Sie? Schreiben Sie mir: pirker.horst@vgn.at